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Dungeon Crawl Classics 1 - Die Idyllen des Rattenkönigs
Bewertung:
(1.5)
Von: Heretic
Alias: Heretic
Am: 27.05.2009
Autor:Jeffrey Quinn
Übersetzer:Olaf Buddenberg
Typ:Abenteuer
System:d20 (3.5)
Setting:Universell
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-940424-70
Inhalt:32 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

Kurzer Überblick und Hintergrund zu "Die Idyllen des Rattenkönigs"

Das Modul "Die Idyllen des Rattenkönigs" bildet den Auftakt der 50-teiligen Abenteuerreihe "Dungeon Crawl Classics" von Goodman Games, von welcher im Zuge der nun auch nach Deutschland schwappenden Retrowelle die ersten sechs Abenteuer bei Ulisses Spiele auf Deutsch erscheinen sollen. Zum Abenteuer selbst: Es dreht sich um ein Örtchen namens Silverton, in dessen Nähe von Jasper Gannu eine Silbererzader entdeckt wurde, dann wurde ein Bergwerk errichtet samt passendem Bergwerkerdörfchen, das recht schnell wuchs. Jedoch schürften die Gannus "zu gierig und zu tief" und stießen in den "tiefen" Stollen der Mine auf ein "uraltes" Übel: Eine Hexenmeistervampirin, die viele Bergleute hinmetzelte, bevor die herbeigerufenen Priester sie bannen oder vielmehr einkerkern konnten, doch dazu später mehr. Die Dorfbewohner machen trotz Anwesenheit der Priester Gannu verantwortlich, knüpfen ihn kurzerhand vor den Augen seiner hochschwangeren Frau auf und jagen diese dann aus dem Dorf, mit dem Fluch, dass das Silber, welches den Gannus zu Reichtum und Wohlstand verholfen hätte, nun zu ihrem schlimmsten Feind werden solle, und so wurde die werte Frau Gannu kurzerhand bei nächster Gelegenheit zur Werratte.

 

Es kann nicht noch seltsamer und hanebüchener werden, sagt ihr? Weit gefehlt! Denn der Enkel von

Jasper Gannu, Lawrence, beschließt nach Jahren im Exil, nach Silverton zurückzukehren und es den Halunken, äh, Bürgern von Silverton so richtig heimzuzahlen. Dazu nistet er sich mit der mittlerweile um sich gescharten Bande Werratten in der alten, seit dem Vampirvorfall verlassenen Silbermine ein, jedoch nicht, ohne vorher noch den dort mittlerweile ansässigen Goblinstamm mit Lycanthropie zu infizieren und so zu seinen Schergen zu machen. Vor einem Monat fingen sie an, sowohl die Silbertransporte anderer Minen anzugreifen als auch die Minen selbst. An diesem Punkt kommen die

Spielercharaktere ins Geschehen ...

 

 

Aufhänger, Aufbau und Inhalt des Dungeons:

Das Abenteuer selbst bietet zwar ein paar Aufhänger an, um die SCs ins Abenteuer einzubinden, jedoch ist keiner davon originell oder zwingend und daran merkt man schon, wie beliebig das Abenteuer letztlich an sich ist. Es gibt schlicht KEINE dargelegte Motivation, am Abenteuer teilnehmen zu wollen. Es ist von Anfang an klar, dass man schlicht einen Dungeon Crawl abläuft. Die Silbermine an sich liegt eine halbe Tagesreise von Silverton entfernt und es wird davon ausgegangen, dass die SCs keine Zeit verschwenden und direkt schnurstracks zur Mine aufbrechen. Auf etwaige Fragen wie "Was, wenn die SCs im Dorf herumfragen, ob irgendwer eine KARTE der alten Mine hat?" oder "Warum wurde die Mine verlassen?" wird null und nicht eingegangen. Man lässt den SL mit der Frage, ob und wie die SCs Informationen von den Dorfbewohnern erhalten, völlig allein. Ganz schlecht gelöste Situation. Zum Dungeonaufbau selbst fällt mir nur ein Wort ein: Katastrophe.

Man nehme 60 Räume, von kleinen Rüstungskammern bis hin zu einem großen Audienzsaal, verteile sie möglichst gleichmäßig per Zufallsgenerator auf vier Dungeonebenen, fülle sie mit NSCs und Monstern, füge noch ein paar wandernde Monster, Zufallsbegegnungstabellen und die Endbosse hinzu, fertig ist der Dungeoncrawl. Jede Raumbeschreibung wird erst einmal mit einem schwafeligen Vorlesetext(!) eingeleitet, unnütze Platzverschwendung, hätte man kürzer machen müssen und klarer formulieren, was nützt mir als SL eine Raumbeschreibung, in der steht, dass sich Gegenstand X/Geheimschalter an der Nordwand befindet und auf den Karten keine Kompassrose abgedruckt ist. Der Abschuss am Ganzen ist aber die Tatsache, dass man den Karten ansieht, dass sie mit einem

Generator gemacht wurden. Die Räume sind immer rechtwinklig angelegt, die Gänge lang und verwinkelt, ungeachtet der Tatsache, dass es sich um eine Silbermine handelt, die von Menschen per Spitzhacke etc. gegraben wurde ... Der Dungeon ist zwar verschachtelt, aber man wird das Gefühl nicht los, dass man sich von Ebene zu Ebene metzeln muss, um dann irgendwann auf den Endboss zu treffen, um ihn ins (verdiente?) Jenseits zu schnetzeln. Der Einführungstext sagt zwar aus, dass das Abenteuer oldschoolig und Dungeoncrawl sei, aber wenn man die Goblinfrauen und Kinder tötet, dann gibts, politisch korrekt, EP-Abzug. Passt IRGENDWIE absolut nicht ins vermittelte Bild.

Und noch was: Das Abenteuer ist zwar für Gruppen der Stufen 1 - 3 gedacht, aber wenn diese die tönerne Urne in der Gruft der Hexenmeistervampirin vom steinernen Podest nehmen, dann verschließt eine tonnenschwere, steinerne Falltür den einzigen Ausgang des Raumes. Sollten die Charaktere dann noch die Urne öffnen oder zerstören, dann stecken sie, rein realistisch betrachtet, im Joghurt. Serrena (so heißt die gute Vampirdame nämlich) war nämlich in gasförmiger Gestalt in dem Gefäß gefangen. Ich für meinen Teil überlege heute noch, wie sie da "reingebannt" wurde und warum man diese Urne dann auf ein freistehendes(!) Podest(!) stellte, die Gruft wurde zwar verbarrikadiert,

jedoch unbewacht gelassen und das in einer verlassenen Silbermine. Ok, das für sich genommen ginge ja noch. Aber wie kommen die SCs wieder aus der verschlossenen Kammer heraus, ohne Spitzhacken oder ähnliches, auf maximal Stufe 3? Und warum zum Geier sollte ein eingekerkerter Vampir, der aus seinem Gefängnis befreit wurde und bestimmt miesester Laune ist, mit den SCs kooperieren wollen, wenn er einfach gasförmige Gestalt kann und an der Steintür vorbei durch die Ritzen ins Freie kommen kann? Das ist unlogisch, unsinnig und völlig an den Gesinnungsregeln von D&D vorbei. So merkt man auch an manchen Stellen sehr krass, dass der Macher des Abenteuers nicht einmal die Grundregeln beherrscht, so wird an einer Stelle geschrieben, dass die Goblins eines Raumes sofort ihre Dolche werfen und sich zeitgleich in einen Sturmangriff begeben sollen ...

 

Das ist regeltechnisch nicht möglich. Punktabzug für offenkundige Nichtkenntnis des Systems.

Über den Dungeon hinweg verteilt gibt es die Möglichkeit, mehrere Handouts zu finden, die die SCs über den Hintergrund der Mine aufklären sollen, teils auch an Stellen, die sehr abseits des Weges liegen und teils auch kaum gefunden werden, wenn man die Spieler nicht krass in eine Richtung weist. Sehr schlecht gelöst. Nebenbei: Die NSCs kämpfen IMMER bis zum Tod, sie flüchten nicht und holen eigentlich auch keine Verstärkung. Zumindest nicht "by the book". Das macht das Abenteuer zusätzlich unglaubwürdig. Zum Rest des Abenteuers könnte man noch ein paar Dinge erwähnen,

so zum Beispiel die teils sehr mittelmäßige Übersetzung mit einer recht kleinen Rate an Übersetzungsfehlern, die aber an so mancher Stelle sehr inkonsistent wirkt und die Frage aufwirft,

ob es nicht eine Fanübersetzung ist. Die Karten des Dungeons sind in schwarzweiß gehalten, die Handouts ebenso. Die im Abenteuer versprochenen Downloads auf der Ulisses-Homepage

sucht man bis heute vergeblich, selbst auf eine Nachfrage im dortigen DCC-Unterforum, ob und wann die Handouts und Karten für "Die Idyllen des Rattenkönigs" als Download auf der Homepage verfügbar gemacht würden, wurde bis heute nicht reagiert. Kundensupport sieht anders aus.

Mal davon abgesehen, dass die Karten einen falsch aufgedruckten Maßstab aufweisen und man diesen erst entdeckt, wenn man die Raumbeschreibungen liest und mit Kartenmaßen abgleicht, und ich frage mich, ob Ulisses eigentlich ihre Produkte lektoriert oder sie einfach so an die Druckerei rausschickt.

 

Das "Abenteuer" dreht sich letztlich nur darum, sämtlichen NSCs in der Mine den Garaus zu machen und unter Umständen das gestohlene Silber zurückzubringen. Die Frage nach Gerechtigkeit gegenüber den Gannus und nach der inneren Logik der Spielwelt bleibt ebenso unbeantwortet wie die Frage, was man als SL tun soll, wenn einer der Charaktere Nachforschungen über die "sauberen" Bürger von Silverton anstellt. Lawrence Gannu, der Werrattenbarde, verkommt im Verlauf des Crawls ebenso zur austauschbaren XP-Piñata wie Narzy Hilspek, der Gnommagier, der zusammen mit Lawrence und den restlichen Werratten die Silbertransporte und Minen der Umgebung überfällt.

Das Abenteuer endet eigentlich damit, dass die Endbosse sterben, wäre da nicht der Hinweis, dass

dieses Abenteuer trotz des Todes sämtlicher Antagonisten eine Fortsetzung hat ...

 

Fazit:

"Die Idyllen des Rattenkönigs" ist ein Abenteuermodul, das zwanghaft oldschoolig und retro sein will, Nostalgie, die keine ist, sondern Augenwischerei, um ein unterdurchschnittlich schlechtes Abenteuer zu verkaufen. Die Story an sich bietet Potenzial, wenn auch nur wenig, doch selbst dieses wird gnadenlos durch Inkonsistenzen in der Handlung, Logikbrüche und schlichte Schlampigkeit im Lektorat nebst miesem Abenteuerdesign mehr als zerstört. Dieses Abenteuer braucht niemand, jeder Anfänger-SL kann etwas Besseres und Stimmigeres schreiben, das mehr und besser "Oldschool" ist als dieses Modul, das zudem mit 32 Seiten und einem Preis von 9,99 Euro zudem noch immens überteuert ist. Mein Tipp: Bevor ihr dieses Abenteuer mit eurer Gruppe spielt, generiert euch lieber einen Dungeon mit Hilfe des DMG, da habt ihr mehr davon und zusätzlich noch fast 10 Euro gespart.

Ich hatte mich auf ein gutes, gut gemachtes Oldschoolabenteuer gefreut, das Sinn ergibt, gut zu leiten und stimmig ist. "Die Idyllen des Rattenkönigs" ist nichts von alledem.