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Preacher 5 - Stadt der Verdammten
Bewertung:
(4.1)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 05.06.2009
Autor:Garth Ennis, Steve Pugh, Carlos Ezquerra, Richard Case
Übersetzer:Fred Fliege & The Wild Bunch
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Preacher
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86607-778-2
Inhalt:244 Seiten, Hardcover, US-Comicformat
Preis:29,95 €
Sprache:Deutsch

Der texanische Prediger Jesse Custer verschmilzt durch einige überaus dumme Zufälle mit einer spirituellen Macht namens Genesis, die ihm besondere Kräfte und allumfassendes Wissen beschert. Mit diesen Fähigkeiten ausgestattet macht sich Custer auf die Suche nach Gott, der scheinbar seine Schöpfung im Stich gelassen hat und auf Nimmerwiedersehen verschwunden ist, um diesem hierfür „kräftig in den Arsch zu treten“. Auf seiner recht skurrilen und gewalttätigen Odyssee wird er von der schießfreudigen Tulip, sowie dem versoffenen irischen Vampir Cassidy begleitet, dessen dunkle Vergangenheit immer wieder für so manche Überraschung sorgt.

 

Dem irischen Autor Garth Ennis ist es gemeinsam mit Zeichner Steve Dillon gelungen, mit der Reihe „Preacher" einen Crossover der ganz besonderen Art stilsicher und fesselnd in Szene zu setzen: moderner Horror, zynische Gesellschaftsanalyse und Religionskritik mit dem Charme von klassischen Hollywood-Western und Roadmovies - garniert mit viel Blut und Gewalt -. Sein hervorragendes Portrait dieser verrückten amerikanischen Gegenwelt trug wesentlich zum großen Erfolg der Serie bei und nicht zu Unrecht wird Autor Garth Ennis gerne mit Quentin Tarantino verglichen.

 

Das 66 US-Hefte umfassende Neo-Western-Vampir-Epos „Preacher“ (nebst einiger Sonderbände) erschien in den Jahren zwischen 1995 bis 2000 erstmals bei DC Vertigo. Da die deutsche Ausgabe schon seit ewigen Zeiten zum Teil vergriffen ist, erscheint „Preacher“ glücklicherweise nun als Neuveröffentlichung bei Panini Comics in einer auf neun Bände angelegten Gesamtedition. Der vorliegende Sammelband enthält das Preacher Special „Cassidy: Blood & Whiskey“ und die Hefte 27 bis 33.

 

Inhalt

Während der vierte Sammelband eher eine Art „Intermezzo“ mit einigen interessanten Geschichten um einige Nebenfiguren war und mit den eigentlichen Geschehnissen rund um Custer nicht viel zu tun hatte, wird im vorliegenden fünften Band der Handlungsfaden um den desillusionierten Wanderprediger mit der mystischen Gabe wieder aufgenommen.

Allerdings scheint Ennis für den Fortgang der Geschichte eine kleine Verschnaufpause zu brauchen, da dieser Band es in Sachen Tempo nicht unbedingt mit seinen Vorgängern aufnehmen kann. Das ist aber auch nicht schlimm, gab es doch in vorhergehenden Geschichten mehr als genug Geschehnisse, deren Auswirkungen scheinbar erst einmal sortiert werden müssen.

 

In der ersten Episode (dem Preacher Special) erfährt man in einem Rückblick, wie es Cassidy durch Zufall nach New Orleans verschlägt, wo er die Witterung eines „Artgenossen“ aufgenommen hat. Die Freude und Verblüffung ist groß, nach Jahren endlich auf seinesgleichen zu stoßen. Doch stellt sich für Cassidy sehr rasch heraus, bei Eccarius auf das gelebte Vampir-Klischee aus Anne Rice-Romanen und billigen Hollywood-Verfilmungen gestoßen zu sein. Und so nimmt sich der den menschlichen Genüssen (insbesondere dem Alkohol) nicht abgeneigte Cassidy Eccarius an, um ihm die wahren Freuden des Lebens im nächtlichen New Orleans zu zeigen. Eccarius setzt sich selbst als Oberhaupt eine Gruppe von Gothic-Jugendlichen in Szene, die sich selbst „Les Enfants du Sang“ (Die Kinder des Blutes) nennen. Cassidy, den diese „Wichser“ einfach nur anekeln, sorgt im Rahmen seiner Umerziehung von Eccarius auch hier mit seiner spontanen und raubeinigen Art für einigen Wirbel.

Letztlich stellt sich aber der vermeintlich etwas tuntige und zart besaitete Charakter Eccarius als leidlich durchtrieben und hinterhältig heraus, so dass es für Cassidy nur die klassische Lösung dieses entsetzlichen Problems gibt – Sonnenlicht für einen spektakulären Abgang!

 

Die Auswirkungen dieser ersten Episode sollen später wieder zum tragen kommen, da es den Leser unversehens in die Gegenwart verschlägt.

Die Beziehung zwischen Tulip und Custer ist weiterhin ziemlich verfahren und so wundert es nicht, dass sich der Frust von Tulip auf ganz eigene Art und Weise äußert und Custer dies auch mehr als deutlich zu spüren bekommt. Zudem sorgen einige für Tulip verblüffende Aussagen von Cassidy für weiteres Gefühlschaos in dem seltsamen Trio. Ennis Geschichte gleitet hier mit ihrer stark betonten Gefühlsduselei vielleicht ein wenig aus dem Ruder, doch beinhaltet auch dieser Handlungsfaden einige recht hübsche Ideen und sorgt – wenn auch manchmal mit Längen – mit seinen Dialogen für durchaus angenehme Unterhaltung.

 

Bevor Custer sich aber weiter auf die Suche nach Gott begeben kann, gibt es ein Wiedersehen mit einigen alten Bekannten: So taucht Arschgesicht, der selbsternannte Retter der Witwen und Waisen,, der den Tod seines Vaters rächen will, ebenso wieder auf wie Herr Starr, dessen kahler Kopf nach der zurückliegenden Messerattacke von Custer nunmehr wie ein gigantischer Penis aussieht und der natürlich auf Rache sinnt. Mehr als genug Hindernisse, die es zu überwinden gilt.

 

Um mehr über das rätselhafte gottgleiche Wesen zu erfahren, das in ihm wohnt, sind Custer alle Mittel und Wege recht und so folgt er dem Vorschlag von Cassidy, sich an einen Voodoo-Priester namens Xavier in New Orleans zu wenden, der vielleicht in dieser Sache weiterhelfen kann.

In New Orleans angekommen, soll Custer im Rahmen einer Voodo-Zeremonie einiges über sein Mysterium erfahren, doch bleibt ihre Ankunft den „Les Enfants du Sang“ nicht verborgen. Diese wittern ihre große Chance, sich die Kräfte von Cassidy zu Eigen zu machen und heften sich an die Fersen des Trios.

Alles scheint zunächst gut zu laufen und die Vorbereitungen für das Ritual, welches die Geheimnisse von Genesis enthüllen soll, sind erfolgreich, bis die bereits aus der ersten Episode bekannten „Les Enfants du Sang“ auftauchen und mitten in die laufende Zeremonie platzen um sich Cassidy zu schnappen. Es kommt zum großen blutigen Showdown und wieder einmal sind in einem weiteren Preacher-Band einige Geheimnisse gelüftet aber auch einige neue Handlungsfäden gesponnen worden.

 

Qualität, Stil & Übersetzung:

Die Aufteilung der Bilder ist im Wesentlich geradezu klassisch und so gibt es nur wenige Bildfolgen in unterschiedlichen Formaten, wechselnde Umrandungen oder großflächigen Bildkompositionen, in denen die einzelnen Panels ineinander übergehen. Die Figuren sind ebenfalls klar und geradlinig gezeichnet und so liefert Dillon insgesamt eigentlich nichts Aufregendes oder sonderlich außergewöhnliches.

Von ihrer Gestaltung und dem Einfallsreichtum dürften die Zeichnungen von Dillon sicherlich nichts für schwache Gemüter oder friedliebende Zeitgenossen sein, da mit zahllosen und zum Teil äußerst brutalen Details die gewalttätigen, düsteren Ideen des Autors in Szene gesetzt werden. Nicht nur bei Auseinandersetzungen, sondern oft auch bei „normalen“ Dialogen herrscht eine derbe Wortwahl, die in ihrer Art aber nie aufgesetzt wirkt, sondern die Figuren authentisch erscheinen lässt.

Das Handlettering von Gianluca Pini möchte ich an dieser Stelle noch besonders lobend erwähnen, da alleine die Optik einfach Spaß macht! Ein weiteres großes Lob gibt es für den Nachdruck der Cover der Einzelausgaben nebst einigen Entwurfszeichnungen von Glenn Fabry, die ebenfalls Einzug in den Sammelband hielten. Einzig die Fadenheftung macht es manchmal etwas schwierig auch Texte nah am Innenrand zu lesen, ohne den Band dafür gehörig aufzuknicken – aber das ist bei Sammelbänden von ursprünglichen Heftproduktionen nichts Neues und auch hier zu verschmerzen.

 

Fazit:

Auch im fünften Band der Reihe überzeugt das Duo Ennis und Dillon und beiden gelingt es eine fesselnde Handlung zu entwickeln, die geprägt ist durch ihren beißend schwarzen Humor, dem manchmal massiven Einsatz von Gewalt und einer derben Sprache. Die geschickt entwickelten und miteinander verwobenen Handlungsfäden sorgen dabei für eine fast perfekte Mischung von Story, Text und Grafik, die allerdings nicht jugendfrei ist!

Keine Angst – ich bin kein Freund von sinnlosen Hass- und Gewaltexzessen, aber seltsamerweise besitzt genau diese oben genannte intelligent gemachte Kombination bei „Preacher“ für mich einen sehr hohen Unterhaltungswert, da trotz aller Drastik die Story durchaus mit hintergründigen und nachdenklichen Momenten aufwarten kann.

So scheut sich Ennis bei „Preacher“ nicht, mit ätzendem Humor die Scheinheiligkeit der modernen amerikanischen Religion und des American-Way-of-Life beiläufig zu thematisieren und seinen Finger in die schwelende Wunde von „Gott, Freiheit, Vaterland“ zu stecken. Mit einem Augenzwinkern werden Religion, Moral und Mythen – nicht nur des modernen Amerika – vorgeführt.

Also: wer die alten Ausgaben bislang noch nicht sein eigen nennen kann, sollte nunmehr schleunigst zugreifen. Der Preis ist zwar nicht unbedingt günstig, doch gibt es hierfür auch entsprechend hochwertige und haltbare Druckqualität mit absolut lesenswertem Inhalt. Aber Achtung: „Preacher“ ist sicherlich nichts für Leser mit einer pazifistischen Grundhaltung oder religiös veranlagte Menschen!