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Orbital 1 - Brüche
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 20.10.2009
Autor:Autor: Sylvain Runberg; Zeichner: Serge Pellé
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Graphic Novel – Science-Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-939823-49-0
Inhalt:112 Seiten, Hardcover
Preis:22,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Die Menschheit willigt im Jahre 2278 in einem großen Referendum dem Beitritt in die Konföderation ein, einer Vereinigung von Planeten, die insgesamt 781 Rassen aus dem gesamten bekannten Universum friedlich unter ihrem Schutz verbindet. Doch bereits die große Zeremonie auf der Erde endet in einem Desaster – Isolationisten, die den Anschluss an die Konföderation kategorisch ablehnen, feuern eine Thermalrakete auf die große Halle in Prag, in der die Feierlichkeiten stattfinden. Unter den zahllosen Opfern sind auch Pavel Swany und Ivanka Najman, die Eltern von Kaleb und seiner Schwester Kristina, die von einer nahe gelegenen Plattform Zeuge dieses terroristischen Anschlags werden.

 

Hier macht die Geschichte einen Sprung und wir begegnen Kaleb, der als erster Vertreter der menschlichen Rasse zum Offizier der Interweltlichen Diplomatischen Abteilung (IDA) ernannt wird. Aufgabe der IDA ist die friedliche Lösung von Konflikten auf diplomatischem Weg, so wie die Konföderation, die ohnehin grundsätzlich pazifistisch eingestellt ist.

Diese Ernennung ist allerdings nichts alltägliches, wurden die Menschen doch wegen ihres Kriegs gegen ein anderes Mitglied der Konföderation, die Sandjaren, über viele Jahre hinweg geradezu geächtet und von höheren Ämtern in der Konföderation ausgeschlossen. Doch nicht nur das – die menschliche Rasse gilt vielen Mitgliedern der Konföderation als unterentwickelt, weshalb es eine besondere Ehre und persönliche Herausforderung für Kaleb Swany ist, als erster Vertreter der Menschheit Offizier der IDA zu werden.

 

Die Mitglieder der IDA arbeiten allerdings immer zu zweit in einem Team, einem so genannten Binom. Kaleb Swany wird zu seiner großen Überraschung dazu auserkoren, mit einer Sandjarin, Mezoke, ein Binom zu bilden. Keine einfache Konstellation an Charakteren, wenn man sich den Krieg der beiden Völker ins Gedächtnis ruft, der noch vor rund 15 Jahren mit unerbittlicher Härte getobt hat und das Volk der Sandjaren fast ausgerottet hat. Bereits während des Abschlusstrainings wird das augenscheinlich ungleiche Paar auf eine harte Probe gestellt, da einigen anderen Offiziersanwärtern der IDA die Berufung eines Menschen nicht sonderlich gut gefällt.

 

Unmittelbar nach ihrer Ernennung zu Offizieren folgt der erste Einsatz, der die beiden auf einen Mond des Planeten Upsall namens Senestam führt. Hier haben sich vor etlichen Jahren Menschen angesiedelt – Isolationisten – und damit begonnen, die üppigen Vorkommen an Trellium abzubauen, einem Mineral, das zu Treibstoff verarbeitet werden kann. Doch nun kommt es zwischen den Menschen und den Jäwloden, den Bewohnern von Upsall, unverhofft zu Spannungen und in diesem Konflikt sind die Mitarbeiter der IDA gefragt. Doch scheint sich hinter dem Konflikt der Menschen und der Jäwloden weitaus mehr zu verbergen, als man auf den ersten Blick meint, und eine politische Intrige größeren Maßes nimmt hier ihren Lauf.

 

Schreibstil & Artwork:

Sylvain Runberg wurde 1971 in Tournai geboren und wuchs in Südfrankreich auf. Seinen Hunger nach Comics stillte er in seiner Kindheit mit Asterix, Batman und Spirou und nährte seine Fantasiewelt zwischendurch mit historischen Erzählungen und zahllosen anderen Romanen.

Nach seinem Abitur (das er unter anderem im Fach Bildende Kunst machte), trieb es ihn an die Universität nach Aix-en-Provence, die er mit einem Magister in Geschichte verlies. Während seiner Studienjahre unternahm er viele Reisen durch Europa und veranstaltete unter anderem Konzerte mit Rockgruppen aus dem Independent-Bereich.

Nach seinem Abschluss an der Universität arbeitet Runberg mehrere Jahre als Buchhändler, bevor er in der Verlagslandschaft Fuß fasst. Er zieht nach Paris und tritt eine Stelle bei dem Verlag „Les Humanoides Associés“ an.

 

Nach einem schweren Unfall im Jahr 2001 macht er sich ans Schreiben und stellt seine eigentliche Berufung fest. 2004 erscheint sein erstes Album „Astrid“ beim Verlag „Soleil“, das er gemeinsam mit Karim Friha realisiert. Danach folgen diverse Projekte unterschiedlicher Genres: „Les Colcataires“ entsteht in Zusammenarbeit mit Christopher beim Dupuis-Verlag, eine Serie, die an seine Studienjahre in Aix anknüpft, „Hammerfall“ mit Boris Talijanic, eine fantastisch-mittelalterliche Saga, die im 8. Jahrhundert in Skandinavien angesiedelt ist und nicht zuletzt die Science-Fiction-Serie „Orbital“, die er gemeinsam mit Serge Pellé als Zeichner realisiert.

 

Runberg wartet nicht unbedingt mit einer bombastischen und actionreichen Geschichte auf, sondern scheint den Leser zunächst einmal in eine durchaus real erscheinende Zukunftsmöglichkeit einführen zu wollen, um dann den eigentlichen Handlungsfaden aufzunehmen. Vor dem überaus komplex angelegten Hintergrund entwickelt er dann eine Geschichte, bei der nicht nur die Geschehnisse des ungleichen IDA-Teams im Vordergrund stehen, sondern auch politische Intrigen und das Ringen nach Macht.

 

Der als Comic-Zeichner einem großen Publikum sicherlich noch etwas unbekannte Serge Pellé wurde 1969 geboren und studierte an der Brassart-Schule, die er 1989 mit einem Abschluss als Werbegrafiker verließ. Danach zog es ihn nach Paris, wo er seine Karriere zunächst in der Werbebranche begann und er Rasenmäher, Waschmaschinen, Schutzhüllen für Autos und andere Dinge zeichnete ...

1993 traf er Laurent Galmont vom Vent-d´Óuest-Verlag und realisierte mehrer Auftragsalben mit Thomas Mosdi als Texter. Im Jahr 1996 zeichnete er unter dem Namen Torgnoll den ersten Band der Serie „Le Grand Chambardement“, die beim Téméraire Verlag erschien. Da dieser Verlag bedauerlicherweise schon recht bald aus finanziellen Gründen seine Tore schließen musste, endete auch die Serie vorzeitig.

In der Folgezeit hat Pellé sein vielfältiges Talent unter anderem beim Entwerfen von Bühnenbildern, beim Design von Videospielen und beim Zeichnen von Trickfilmen unter Beweis gestellt. So arbeitete er unter anderem für die Fernsehserie „Malo Korrigan“ und hat an dem Storybord für die Serie „Kaputt & Zosky“ mitgearbeitet. Seit 2005 realisiert er gemeinsam mit Sylvain Runberg die Comicserie „Orbital“, die in Frankreich beim Dupuis-Verlag erscheint.

 

In Sachen Seitenlayout gibt es von Serge Pellé keine Experimente und so muss sich der Leser mit einer geradezu klassischen Anordnung von Panels zufrieden geben. Doch dies tut der Geschichte bei weitem keinen Abbruch, liegen die zeichnerischen Stärken von Pellé doch viel eher in der glaubhaften Darstellung der Mimik und Bewegung der Charaktere. Besonders schön ist der Einfallsreichtum von Pellé in den großformatigen Zeichnungen, bei denen sich im Hintergrund so manch detailreiches Raumschiff, Fahrzeug oder sonstige Gebäude oder Gerätschaften herausnehmen sowie er insgesamt immer wieder für einen stimmigen „SF-Unterton“ der Zeichnungen sorgt, die wunderbar den Lauf der Geschichte begleiten.

 

Die Koloration von Pellé nimmt sich auf den ersten Blick etwas zu hell aus, doch dürfte gerade dieser Grundton auch seine Zeichnungen unterstützen und die Bilder insgesamt zu einer visuell recht ansprechenden Komposition machen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

In Sachen Qualität gibt es beim Splitter-Verlag von meiner Seite eigentlich so gut wie nie etwas zu bemängeln – so auch bei dem vorliegenden Band: Solides Hardcover mit haltbarer Fadenheftung und guter Druckqualität.

In Sachen Ausstattung legt der Verlag sogar erfreulicherweise noch eins drauf. So gibt es diesmal einen Anhang mit dem Titel „Ein kleiner Blick hinter die Kulissen“ am Schluss des Bandes, der mit ausführlichen Porträts des Autors und Zeichners, einer kurzen Geschichte des Universums von Orbital, einigen Skizzen und der Vorstellung der wichtigsten Protagonisten der Geschichte aufwarten kann. Eine schöne Sache, die sich vielleicht auch bei den anderen Alben des Verlages durchsetzen kann?

 

Erstaunlicherweise hat der Splitter-Verlag die ersten beiden Bände als abgeschlossene Story in einem Doppel-Album veröffentlicht. Zur Begründung hierzu hieß es seitens des Verlages, dass man zu dem Zeitpunkt, als der Verlag „Orbital“ einkaufte, nicht wusste, wie rasch die Fortsetzungen folgen würden, also entschied man sich beim ersten Band für diese Lösung. Bedauerlicherweise konnte dieses Tempo allerdings nicht beibehalten werden, so dass es im zweiten Band beim Splitter-Verlag wieder zurück zu einem Abenteuer geht, um den Leser nicht länger als nötig auf eine Fortsetzung warten zu lassen.

 

Fazit

Das Duo Runberg und Pellé liefert mit dem Auftakt der Reihe „Orbital“ bodenständige und realitätsnahe Science-Fiction, die zurzeit ihresgleichen auf dem Markt suchen dürfte. Die Nähe der Geschichte zur Reihe „Valerian und Veronique“ von Mézières und Christin lässt sich sicherlich nicht verleugnen, doch hier steht weniger der Unterhaltungsaspekt im Vordergrund als vielmehr eine sehr komplex angelegte Geschichte mit einem äußerst ungleichen „Binom“ vor der Kulisse einer durchaus denkbaren Zukunftsalternative.

 

Gemeinsam ist es Runberg und Pellé gelungen, eine überaus spannende und überzeugende Geschichte zu entwickeln, die zwar sicherlich einige bekannte und alte Klischees aus dem Bereich SF bedient, doch dies auf so wunderbare, unaufdringliche Art und Weise tut, das man dies den beiden nur allzu gerne verzeiht.

 

Für mich persönlich gehört die Reihe „Orbital“ auf jeden Fall zu den kleinen, aber feinen Neuentdeckungen dieses Jahres, auf deren Fortsetzung man auf jeden Fall gespannt sein darf. Wer es in Sachen SF-Comic lieber etwas ruhiger mag und seine Freude an einem gelungenen und stimmigen Alternativ-Universum hat, dürfte hier auf jeden Fall gut aufgehoben sein. Für mich auf jeden Fall eine Kaufempfehlung!