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Legacy of Fire 5 - The Impossible Eye
Bewertung:
(3.4)
Von: Stephan Schobloch
Alias: Talwyn
Am: 25.03.2010
Autor:Greg A. Vaughan
Typ:Abenteuer
System:d20 System v3.5
Setting:Golarion bzw. Elementarebene des Feuers / City of Brass
VerlagPaizo Publishing
ISBN/ASIN:978-1-60125-179-4
Inhalt:96 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Inhalt

(evtl. Vorsicht Spoiler!!!)

Am „Ende der Ewigkeit“ gelingt es den Helden – hoffentlich – aus dem magischen Königreich Kakishon zu fliehen, doch das Schicksal meint es nicht gut mit den Abenteurern, denn nicht in Rayhans Villa in Katapesh finden sie sich wieder, sondern in einem merkwürdigen Gewölbe, dessen Räume vollständig aus poliertem Messing zu bestehen scheinen. Drückend heiß ist es hier, und an den Wänden sind Schriftzeichen in der Sprache der Feuerwesen, Ignan, zu erkennen.

 

Wer sich in der Kosmologie von Dungeons & Dragons auskennt, der sollte an dieser Stelle zumindest schon eine Ahnung haben, wo die Helden gelandet sind – und tatsächlich: Der Schauplatz des fünften Teils des „Legacy of Fire“ Adventure Paths ist die legendäre „City of Brass“, die Messingstadt auf der Elementarebene des Feuers, die hauptsächlich von mächtigen Ifrit bewohnt wird.

 

Konkret finden sich die Abenteurer zu Beginn von „The Impossible Eye“ (TIE) im Keller der Zitadelle von Bayt al-Bazan wieder, dem Haus des Ifriti-Prinzen Jhavul, der im letzten Teil der Kampagne aus seinem Gefängnis in Kakishon entkommen ist. Eben dieser Jhavul hat sich nämlich bei seiner Ankunft in Katapesh die Schriftrolle von Kakishon geschnappt und sie seinen Dienern übergeben, damit diese sie in seiner Schatzkammer im heimatlichen Palast deponieren.

 

Dort angekommen machten die Ifriti allerdings eine unschöne Entdeckung, die nun auch die SC erwartet, die mit Hilfe der Schriftrolle in den Palast gelangt sind: In Jhavuls Abwesenheit hat dessen kleiner Bruder Al-hassan in Bayt al-Bazan den Laden geschmissen. Sein Leben lang stand Al-hassan im Schatten seines Bruders, und als er davon hörte, dass Jhavul auf der materiellen Ebene von einem Magier-Priester namens Ezer Hazzebaim versklavt worden war, da freute er sich gar niederträchtig über das Unglück seines Bruders.

 

Doch Jhavul entkam der Gefangenschaft bald wieder und Hazzebaim selbst konnte nur knapp dem Zorn des mächtigen Ifriti entgehen, so dass er noch geschwächt war, als Al-hassan ihn aufsuchte und ihm ein Bündnis anbot: Jeden Tag würde der Ifrit dem Zauberer zwei Wünsche erfüllen, wenn dieser sich bereit erklärte, sich mit dem jeweils dritten Wunsch etwas für Al-hassan zu wünschen.

 

Im Grunde ein toller Plan, und Jhavul selbst sollte wenig später die gleiche Strategie verwenden, um mit seinem Kult im Haus der Bestie die mächtige Magie zu entfesseln, die ihn in Xotani den Feuerbluter, das Gezücht des Rovagug, verwandeln sollte. Was Jhavul bis zu seiner Verbannung durch Nefeshti und ihre Helfer ganz fachmännisch durchführte, entwickelte sich bei Al-hassan bald zu einem Debakel: Ezer Hazzebaim war nämlich keineswegs ein Mensch, sondern ein sogenannter Nephilim, ein auf der materiellen Ebene heimischer Externar, dessen ehrgeiziges Ziel es war, unsterblich zu werden. Mit Al-hassans Wunschmagie hoffte er, dieses Ziel zu erreichen, doch schon bald erkannte er, dass er sich geirrt hatte.

 

Also schmiedete Ezer einen neuen Plan, der daraus bestand, Al-hassan zu überreden, ein mächtiges Artefakt aus dem Palast des Großwesirs der Ehernen Stadt zu entwenden. Bei diesem Artefakt handelte es sich um das „Unmögliche Auge“, und mit ihm, so glaubte Hazzebaim, würde er die Unsterblichkeit endlich erlangen, nach der er so lange gestrebt hatte. Natürlich kam es aber ganz anders: Der Großwesir war nämlich alles andere als erfreut über den Diebstahl seines kostbaren Artefakts, und so belegte er Ezer Hazzebaim und das Haus Bayt al-Bazan mit einem mächtigen Fluch, der den Nephilim in dem gestohlenen Artefakt und selbiges im Palast der Familie al-Bazan einschloss. Seither kann niemand, der den verfluchten Palast betritt, diesen jemals wieder verlassen, weder zu Fuß noch per Teleportation oder ähnlicher Magie – so auch die Spielercharaktere.

 

Wem bei dieser Einleitung spontan Vokabeln wie „umständlich“, „konstruiert“ und „gewollt“ in den Sinn kommen, dem geht es wie mir. Beim Schreiben von TIE stand Autor Greg Vaughan offensichtlich vor einem Problem: Vor dem großen Finale des Abenteuerpfades galt es noch eine Lücke zu füllen. Allerdings müssten die SC aufgrund der zu erwartenden Katastrophe in Katapesh konsequenter Weise schnurstracks nach Kelmarane und weiter zum Haus der Bestie eilen, um dort den mächtigen Jhavul endgültig zu besiegen, bevor dieser seinen Plan nach mehr als 800 Jahren doch noch in die Tat umsetzen kann. Damit die Abenteurer also nicht sofort per Ebenenwechsel wieder auf die materielle Ebene reisen, um dort dem Bösen Einhalt zu gebieten, werden sie abermals in einen Kerker geworfen, aus dem es nun zu entkommen gilt.

 

Dies ist meiner Meinung nach äußerst unschön, denn erstens stellt sich der abgestandene Geschmack der Wiederholung ein, zweitens wirkt die Vorgeschichte um den die Flucht verhindernden Fluch irgendwie arg an den Haaren herbeigezogen und drittens sollte man die Geduld seiner Spieler nicht überstrapazieren. Einmal in einer Kampagne mag so ein Gefängnis in Ordnung sein – besonders wenn es ein so spannendes und vielfältiges wie die Zauberwelt von Kakishon ist –, aber zweimal direkt hintereinander auf Schienen ins Verlies? Das ist dann möglicherweise doch zu viel des Guten.

 

Wie dem auch sei, wir halten fest, dass die Überleitung zu TIE allenfalls als suboptimal zu betrachten ist, wobei vor allem aufstößt, dass die verworrene Geschichte um Ezer Hazzebaim, Al-hassan und den Fluch des Großwesirs ganz offensichtlich einzig und allein dazu dient, die erneute Gefangennahme der SC zu rechtfertigen.

 

Wie aber sieht es mit dem Abenteuer aus, das die Helden in der Zitadelle von Bayt al-Bazan erwartet? Im Vorwort zu „House of the Beast“ hatte James Jacobs noch geschrieben, dass es bis dahin in den Pathfinder Adventure Paths noch keinen reinrassigen Dungeon Crawl gegeben habe – mit TIE bekommen wir nun schon das zweite Abenteuer dieses Formats innerhalb desselben Abenteuerpfades vorgesetzt. Wer meine Rezension zu „House of the Beast“ gelesen hat, der wird sich vielleicht erinnern, dass ich in Sachen Dungeon Crawl grundsätzlich skeptisch bin, und so kann man wohl behaupten, dass ich TIE mit einer recht niedrigen Erwartungshaltung gelesen habe.

 

Strukturell ist das Abenteuer wie gesagt ein Verlies, und mit seinen insgesamt 96 nummerierten Schauplätzen auf sechs Ebenen kann man es sicherlich als eher groß bezeichnen – ein wenig zu groß, was meinen persönlichen Geschmack angeht, da die Erfahrung zeigt, dass Kämpfe selten weniger als 30 Minuten, regelmäßig allerdings eine Stunde und mehr in Anspruch nehmen. Ein so großes Verlies droht daher zum sich zäh wie Kaugummi hinziehenden Mammut-Unterfangen in Sachen Durchführung am Spieltisch zu werden.

 

Glücklicherweise ist TIE kein reinrassiger Metzeldungeon, und tatsächlich könnte man zumindest für Teile des Abenteuers sagen, dass es zwar in einem Verlies spielt, aber eigentlich kein Verliesabenteuer in dem Sinne ist, dass man einen Raum nach dem anderen von seinen Bewohnern „erlöst“, um sich dann deren Besitztümer einzuverleiben. So gibt es eine ganze Reihe von NSC, die eher zu Verhandlungen denn zum Verprügeln einladen, und auch Rätsel und Hinweise auf die Geschichte des Hauses und seiner Insassen kommen nicht zu kurz.

 

Schon die erste Verliesebene ist beispielsweise auf raffinierte Weise dem Film „Cube“ entliehen: Ohne einen Hinweis auf die Gründe finden sich die Spielercharaktere in einem merkwürdigen Raum mit vier Ausgängen wieder. Dieser Raum ist Teil eines mit tödlichen Fallen gespickten Labyrinths, durch das ein einziger sicherer Pfad führt, welcher durch ein mathematisches Rätsel beschildert ist. Tatsächlich ist das Rätsel relativ simpel, die Fallen hingegen sind wirklich tödlich – möglicherweise ein wenig zu tödlich.

 

Weiter oben in Jhavuls Palast treffen die Abenteurer auf eine ebenso gefangene Marid-Prinzessin, die sich als potenzielle Verbündete anbietet, einen Kult wahnsinniger Feuerelementare, eine Diebesgilde, die den Palast als Versteck nutzt, einen Stamm von Echsenmenschen, Feuerriesen, Pyrohydras und viele weitere Herausforderungen und Überraschungen, die es zu entdecken gilt. An manchen Stellen fragt man sich zwar, was z.B. auf Feuer basierende Fallen in einem Palast auf der Elementarebene des Feuers zu suchen haben, wo man doch davon ausgehen sollte, dass Eindringlinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit über Feuerimmunität oder zumindest über hohe Resistenzen verfügen, doch dabei handelt es sich um Details, die man erstens als Spielleiter leicht ändern kann und die außerdem den Spielspaß nicht wirklich beeinträchtigen sollten.

 

Insgesamt kann man sagen, dass das Design des Verlieses und der sich darin ereignenden Begegnungen weitgehend hervorragend und äußerst originell ist. Auch der vergleichsweise hohe Anteil an Begegnungen, die nicht kämpferisch gelöst werden, müssen ist sehr angenehm und nimmt dem Abenteuer etwas vom Schrecken der sich über viele Spielabende hinziehenden Schlachtplatte – gerade im direkten Vergleich zu „House of the Beast“ sollten die Helden in TIE mit deutlich weniger Kämpfen ans Ziel kommen.

 

Selbiges besteht übrigens darin, das „Unmögliche Auge“ zu finden, ein größeres Artefakt, in dem Ezer Hazzebaim eingeschlossen ist. Sobald das Artefakt zerstört oder an seinen rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben wurde, können die Helden Bayt al-Bazan und die Eherne Stadt verlassen, um für den letzten Teil des Abenteuerpfades nach Katapesh zurückzukehren. Vorher müssen sie aber natürlich Hazzebaim besiegen, und auch eine Begegnung mit einem ausgewachsenen roten Drachen steht auf dem Programm.

 

Was die restlichen Einträge in diesem Abenteuer angeht, so ist vor allen Dingen ein ausführlicher Artikel aus der Feder von Wolfgang Baur mit dem vielsagenden Titel „The City of Brass“ lobend zu erwähnen, denn diese planare Metropole ist ein spannender und seit Jahrzehnten äußerst populärer Bestandteil der Kosmologie von D&D – eine Bearbeitung von einem so renommierten Autor wie Baur ist deswegen ein ganz besonderes Zuckerl, dass sicherlich jeder gerne mitnimmt –, auch wenn der Aufsatz letztlich nur ein grober Überblick über diesen epischen Abenteuerschauplatz bleiben kann.

 

Dieser Artikel ist sicherlich nützlich, rechtfertigt aber auch mit den anderen Bestandteilen des Buches – nämlich Set Piece, einem Artikel über Rovagug und dem allseits beliebten Bestiary – trotzdem natürlich nicht allein den Kaufpreis des Buches. Dennoch ist mir beim Schreiben dieser Rezension ein ganz anderer Gedanke gekommen: Unabhängig vom „Legacy of Fire“ Adventure Path nämlich kann man TIE als ein grandioses Standalone-Abenteuer in der legendären Messingstadt verwenden. Man nehme einfach eine Gruppe von Abenteurern geeigneter Stufe, die – mit einer entsprechenden Motivation ausgestattet – in vollem Bewusstsein über den Fluch des Großwesirs freiwillig die Zitadelle von Bayt al-Bazan betreten, um dort ein anderes Ziel verfolgen. Für eine solche Verwendung des Abenteuers kann man aus den Bewohnern des Palastes eine ganze Menge Aufhänger zusammenbasteln, und keiner davon wirkt auch nur halb so plump wie die Implementierung des Abenteuers in die Kampagne.

 

 

Fazit:

Im Grunde ist TIE ein sehr gutes Abenteuer mit einer Vielzahl origineller Ideen, interessanter NSC und spannender Herausforderungen. Selbst die Größe des Verlieses wäre dank der vielen kampflos zu überwindenden Begegnungen kein Grund für eine starke Abwertung.

Äußerst problematisch ist hingegen die Tatsache, dass die Helden schon wieder in Gefangenschaft geraten, und vor allem, dass die Gefangennahme diesmal wirklich übles und frustrierendes Railroading ist. Die ganze Vorgeschichte des Abenteuers ist vollkommen abstrus zusammengesponnen, unglaubwürdig und konstruiert, und das stößt mir dann doch bitter auf. Leider kann man diese Probleme auch nicht durch ein paar „Hausaufgaben“ aus der Welt schaffen, da sie, so wie das Abenteuer in die Geschichte implementiert ist, unlösbar sind: Man kann eigentlich nicht auf das Gefängnis verzichten, da die SC sonst schnurstracks per Ebenenwechsel verschwinden werden, und damit steht man ja vor genau dem Problem, das die Konstruktion der erwähnten Hintergrundchimäre erst notwendig machte. Hier sind also schon einige Zugeständnisse von SL und Spielern zu machen – man muss in einen ziemlich sauren Apfel beißen, um das folgende, eigentlich sehr ordentliche, Abenteuer genießen zu können.

Interessant ist, dass TIE ohne den umschließenden Abenteuerpfad besser funktioniert als bei Implementierung in denselben. In der Bewertung spiegelt sich dies allerdings nicht wieder, da das Abenteuer eben zunächst mal als Teil einer Kampagne verkauft wird – und als solcher nur leidlich gut funktioniert.