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Forgotten Realms: Underdark
Bewertung:
(4.0)
Von: Moritz Mehlem
Alias: Glgnfz
Am: 30.04.2010
Autor:Rob Heinsoo
Typ:Quellenband
System:D&D 4
Setting:generisch
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0-7869-5387-5
Inhalt:160 Seiten, Hardcover
Sprache:Englisch

Inhalt

Beginnen wir mit dem Cover: Den Illithiden im Vordergrund finde ich nicht besonders furchterregend oder mysteriös, aber die fiesen Trolle und Oger im Hintergrund können wirklich was. Vor denen würde ich mich glatt verstecken.

Wenn dann noch eklige, schleimtriefende Pilze dazukommen, hat das Cover in meinen Augen schon gewonnen und kann gar nichts mehr falsch machen. Kaufargument Nummer 1 ist gefunden!

 

Öffnen wir das Buch und schauen nach, was mein Freund - das gewellte Blatt - zu sagen hat und wie immer – es erfreut sich seines gewellten Lebens. Und das obwohl ich nun wirklich nicht in den Subtropen lebe oder meine Rollenspielsammlung im Nebel lagere.

(Anmerkung des Rezensenten: Auch nach etwa einem Monat in meinem Bücherregal des durchschnittlich geheizten und gelüfteten Arbeitszimmers sind die Wellen nicht verschwunden.)

Für alle „Also-bei-mir-war-noch-nie-was-gewellt-Sager“ habe ich mal ein Foto beigefügt. Diese Wellen treten bei sämtlichen etwa 30 meiner D&D 4 Hardcover-Bücher auf, kommt mir also nicht mit Statistiken.

 

Diese Wellung stört mich persönlich absolut nicht, ich wollte es nur mal dokumentiert haben, und ich werde sie bei künftigen Rezensionen auch nicht mehr erwähnen.

 

Was also bietet uns dieser Band?

 

Es gibt ein allgemeines Kapitel, das uns einen groben Überblick über das Unterreich bietet, danach folgen Kapitel zu speziellen Regionen/Abschnitten: The Shallows, The Deeps, The Feydark, The Shadowdark sowie 12 neuer Monster.

 

Das entspricht nicht ganz dem, was ich erwartet hatte und aus bisherigen Publikationen der verschiedensten Systeme und D&D-Editionen gewöhnt bin. So gibt es kein gewaltiges Unterreich mit großer Karte und wenig Informationen, die der Spielleiter selber leisten kann/muss (je nach Betrachtungsweise). Es gibt keine allgemeinen Hinweise für das Entwerfen und Spielen unterirdischer Abenteuer und keine Zufallstabellen oder ähnliche Planungshilfen für längere unterirdische Kampagnen.

 

Verabschiede ich mich also von riesigen Landkarten und Spielleitertipps und lasse ich mich auf das ein, was hier geboten wird.

 

Systematisch, ja fast sogar schematisch, wie wir es von der aktuellen Edition gewöhnt sind, wird jedes Kapitel von einer Doppelseite eingeleitet, die aus einem Viertel einleitendem Text und aus drei Vierteln einstimmender Illustration besteht.

Kapitel 1 schildert die Entstehung des „Underdark“, das von Torog, dem Gott der Gefangenschaft, beherrscht wird. Für Interessierte: Die Werte von Torog finden sich im Anhang des Buches, überlegt euch schon mal, wie ihr ihm seine 1232 Trefferpunkte runter kloppen könnt.

Neben Torog gibt es noch zwei Machtfaktoren: die „Drow“ und die „Aberrants“, über deren Geschichte wir auch noch etwas erfahren.

Autsch! Auf Seite 11 finde ich schon den ersten umrahmten Text, der sich an den Spielleiter richtet und dessen Anschauung genau das widerspiegelt, was für mich als alten Sack so problematisch am neuen D&D ist: Der SL erhält hier nämlich im Kasten „Reality versus Fun“ den Tipp, den tödlichen Charakter des unterirdischen Reiches nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen, sondern eher noch als Vorhang zu nehmen, gegen den sich die unglaubliche Macht der Charaktere noch mehr abhebt. Das Ziel: „Do it in a way that highlights how tough and clever the adventurers are. They’re triumphing over impossible conditions, not being ground down by them.“

 

Ein dreiseitiger Abschnitt zu „Underdark Phenomena“ entschädigt mich dann wieder etwas, und es wird auf Dunkelheit und Lichtquellen wie auch verschiedene Gesteine und das unterirdische Reisen eingegangen. Ich habe mir natürlich in den letzten 26 Jahren darüber so meine Gedanken gemacht, aber der Einsteiger in die 4. Edition wird da doch einige Hilfestellungen brauchen, hier bekommt er wenigstens ein paar Grundzüge erklärt.

 

Eine unscheinbare Box auf Seite 19 lässt mein Herz jubeln, denn ein gewisser Matthew Sernett schildert die großartige Idee, den Abenteurern Monster vorzusetzen, die sie nicht zwangsläufig besiegen können, wie Drachen von Machtstufen deutlich über der der Charaktere. Er verwässert sie etwas, indem er dafür plädiert, die Charaktere entkommen zu lassen, sobald sie einsehen, dass der Kampf nicht gewonnen werden kann, aber endlich spricht sich mal einer gegen das permanente „Sich-nach-den-Charakteren-Richten“ aus. Hut ab, Matt!

 

Bevor wir nun zu den einzelnen Regionen kommen, gibt es noch ein paar nützliche Ideen, die ich mir auch mal durch den Kopf gehen lassen muss. Man bekommt drei „Campaign Arcs“ vorgeschlagen, die sich mit den Drow, den Aberrants und Torog befassen, sowie Anpassungen an die verschiedenen „Macht-Tiers“: Epic, Heroic und Paragon.

Diese „Arcs“ schildern knapp den Verlauf einer ganzen Kampagne mit jeweils einem Ziel. Wie der SL oder die Spieler nun zu diesem Ziel gelangen, ist nicht festgelegt und muss vom Spielleiter genauer ausgearbeitet werden.

Ich sehe immer wieder gerne Kampagnenvorschläge, die ich meiner Gruppe und meinem bevorzugten Spiel anpassen kann. Gefällt mir gut!

 

Die 4 Kapitel zu den Regionen sind immer gleich aufgebaut: typische Monster, eine typische, komplett ausgearbeitete Begegnung, Besonderheiten der Region und spezielle Orte in dieser Region. Am Ende jedes Kapitels findet sich ein kleiner, komplett ausgearbeiteter Dungeon Delve mit drei Begegnungen, den der Spielleiter sofort auf seine Gruppe loslassen kann.

Hier sammeln bei mir besonders die speziellen Orte Pluspunkte, denn sie reißen kurz die Örtlichkeit und ihre Geschichte und Bewohner an, überlassen es aber dem Spielleiter das Ganze mit Leben zu füllen. Das wird vermutlich bei vielen neueren Spielleitern nicht gut ankommen, da es mit erheblichem Aufwand verbunden ist, aber vielleicht lockt es ja Kreativität aus dem einen oder anderen hervor, die er selber nie für möglich hielt.

Völlig verschüttet wird eigene Kreativität in den kleinen Delves, wo alles vorgekaut wird, bis hin zu der Positionierung der Gegner auf der Battlemap und der Strategie der Gegner. Das mag hilfreich sein, unterstützt aber das Schreiben eigener Abenteuer nicht gerade.

Unabhängig davon, dass mir das Format der Delves nicht gefällt, sind diese wirklich gut erarbeitet und lassen sich komplett ohne Vorbereitung direkt aus dem Buch spielen.

 

Das Monsterkapitel ist dann wieder ganz nach meinem Geschmack – auch wenn sich, wie fast immer, trefflich über die Illustrationen streiten ließe. Es beginnt mit einer Liste typischer, unterirdischer Monster und dem Hinweis, wo man ihre Werte findet. Das ist doch mal eine konkrete Hilfe für Spielleiter, die unterirdische Abenteuer schreiben wollen. Unter den neuen Monstern sind einige absolut verpflichtende Monstertypen – gerade auf höheren Stufen möchte ich als Spielleiter doch nicht auf Grimlocks, Kuo-Toa, Mind Flayers oder Myconiden verzichten. Mir, als Pilz-Fan, sind natürlich Letztere besonders nah.

Die Monstereinträge bieten dann eine weitere Hilfe für geplagte Spielleiter, die an der Bestückung ihrer unterirdischen Komplexe hängen – man findet sowohl Strategien der Monster (was dann im Abenteuer hilft) als auch „Encounter groups“, also Vorschläge für Begegnungen mit diesen Monstern und ihren Verbündeten jeweils mit angegebenem „Encounter level“. Praktisch!

 

Fazit:

Wie immer, wenn ich D&D 4 Artikel in der Hand halte oder rezensiere, denke ich: „Nicht das, was du selber erwartest oder wie du es für dein Spiel gerne hättest, aber immerhin ziehen sie ihr Ding konsequent durch!“

„Ihr Ding“ – das ist das Servieren von Informationen in kleinen, leicht verdaulichen Häppchen, die schnell im Spiel eingesetzt werden können.

„Konsequent“ bedeutet, dass man sich bei jeder Veröffentlichung, auch dieser hier, absolut darauf verlassen kann, dass Details, wie die Farbwahl der einzelnen Bücher, oder die Übersichtlichkeit des Inhalts immer gegeben sind und man sich sofort zu Hause fühlt und nicht lange nach den gewünschten Informationen suchen muss..

 

„Underdark“ macht also das, was es will, zielsicher richtig. Wer gerne viele informative Hintergrundtexte und detailliert ausgearbeitete Kurzabenteuer sucht, ist hier goldrichtig.

Erwartet ihr aber gewaltige unterirdische Komplexe, die eure Gruppe an den Rand ihrer Möglichkeiten treiben oder Hinweise zum Leiten einer komplett unterirdischen Kampagne, so ist dies nicht euer Quellenbuch.

 

… und um die Frage aus dem News-Text auch noch abschließend zu beantworten: Man kann Underdark mit keinem der genannten Produkte vergleichen, da ein völlig anderer Ansatz hinter dem Band steht. Der Band will keine Tipps geben, wie man unterirdische Abenteuer schreibt oder sie leitet, er will Spielern keine Tipps geben, wie sie sich unterirdisch verhalten können, um ihr Überleben zu sichern, er stellt keinen riesigen Dungeon vor und bietet keine riesigen Karten, auf denen ein Spielleiter sich austoben kann, Underdark stellt ein bestimmtes, in mehrere Regionen untergliedertes, Unterreich vor, gibt viele Anregungen, was dort für Abenteuer erlebt werden können, arbeitet exemplarisch einige dieser Abenteuer ganz präzise heraus und gibt dem Spielleiter Rüstzeug an die Hand, ähnliche, auf kurze Begegnungen herunter gebrochene Abenteuer zu erstellen.