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Das Grüne Sigill
Bewertung:
(3.0)
Von: Nico Kevin Bracht
Alias: Cut
Am: 02.05.2010
Autor:Gerd Hupperich
Typ:Abenteuerband (2 Abenteuer)
System:MIDGARD (M4)
Setting:MIDGARD
VerlagVFSF / Midgard Press
ISBN/ASIN:978-3-924714-91-8
Inhalt:Softcover mit 75 Seiten
Preis:13,95 EUR
Sprache:Deutsch

Das Produkt:

Das Grüne Sigill ist ein Abenteuerband für das MIDGARD-Fantasy-Rollenspiel.

Auf 75 Seiten enthält dieses Softcoverheft zwei Abenteuer für 5 - 7 Spielerfiguren der Grade 3 - 4. Auch eine Altersempfehlung gibt Autor Gerd Hupperich an und beziffert das Mindestalter für Spieler auf 16 Jahre.

Die beiden in Das Grüne Sigill enthaltenen Abenteuer nennen sich „Die Frau ohne Schatten“ und „Der Pfeil des Jägers“. Beide sind vom Aufbau und ihrer Ausstattung her in etwa gleich lang und machen jeweils knapp 25 Seiten des Buches aus.

Den Rest des Buches füllen eine Spielleitereinführung und ein Anhang, in dem sich neue Zauber und die Spielwerte der Nichtspielerfiguren finden, auf.

Im Optimalfall sollten die beiden Abenteuer in der durch das Buch vorgegebenen Reihenfolge gespielt werden, da ein loser Zusammenhang zwischen ihnen besteht.

Es ist aber auch ohne größere Umbauten möglich, die Abenteuer in umgekehrter Reihenfolge zu spielen oder zwischen die beiden Abenteuer noch eigene Herausforderungen an die Spielergruppe zu platzieren.

Das Heft:

Wie bei MIDGARD-Abenteuern gewohnt, bekommt man ein gut gearbeitetes Softcoverheft für sein Geld. Dieses Mal umfasst der Band 75 Seiten. Damit ist das Buch etwas dicker als sein Vorgängerabenteuer Band „Geister der Vergangenheit“. Das Heft kostet 13,95 und kommt mit schlichtem, aber angenehm klaren Druckbild in schwarz-weiß daher und ist mit den für MIDGARD-Produkte typischen Zierborten am Kopfe einer jeden Seite versehen.

 

Das Titelbild ist (wie immer) vollfarbig und zeigt dieses mal wieder eine nackte Frau. Anders als bei „Geister der Vergangenheit“ wird die Frau dieses mal von vorne und nicht von hinten gezeigt. Bei der rothaarige Nackten dürfte es sich um eine Hexe handeln, die, in einer Höhle kniend, dabei ist, eine rituelle Handlung zu begehen. Auch bei diesem Band hat das Titelbild einen losen Bezug zu einer Szene aus den enthaltenen Abenteuern. Hier wohl zu „Der Pfeil des Jägers“.

Die Abenteuer in Das Grüne Sigill:

Abenteuer 1: „Die Frau ohne Schatten“

Die Abenteurer werden in Thame, einer albischen Stadt, die bereits in den letzten MIDGARD-Publikationen eine große Rolle gespielt hat, von einer verzweifelten Frau um Hilfe ersucht, die die wundersame Geschichte vorträgt, ihren eigenen Schatten durch gut gemeinte Magie zum Leben erweckt zu haben. Dieser verfolge sie, die Hexe Udele NiRathgar, nunmehr und trachte ihr nach dem Leben. Also bittet sie Abenteurer um Schutz vor ihrem eigenen Schatten ... Lassen sich die Abenteurer auf diesen Auftrag ein, so kann es ihnen passieren, dass sie sich in einem Spinnennetz eines von Udele perfide angelegten Intrigenspiels verfangen, in dessen Mitte keine Spinne, sondern eine Anklage wegen Mordes auf sie wartet ...

 

 

Das erste Abenteuer konfrontiert Spieler und Spielleiter zu gleichen Teilen mit einer ungewöhnlichen Herausforderung: Die Aufgabe besteht darin, einen beseelten Schatten daran zu hindern, seine Erschafferin zu töten. Was zunächst wie ein interessanter Ansatz klingt, krankt für mich aber daran, dass die Geschichte, die der Spielleiter in Person von Udele den Spielern auftischt, nicht sehr glaubwürdig ist.

Die Gefahr ist groß, dass eine Gruppe von erfahrenen Spielern schnell durchschaut, dass das Abenteuer im Prinzip sehr gradlinig und wenig überraschend angelegt ist. Einzig eine Gruppe, die erstmals Spielerfiguren auf den 3. - 4. Grad geführt hat, wird hier wahrscheinlich den Vorgaben des Spielleiters bedenkenlos folgen. Dazu kommt, dass das Abenteuer, um seine eigene Note zu entfalten, ganz dringend einen erfahrenen Spielleiter hinter dem Schirm braucht.

Gut gemeistert kann das Abenteuer gerade durch seine Einfachheit eine besondere von den Spielern ausgehende Atmosphäre verliehen bekommen. Dazu muss der Spielleiter jedoch eine Erzählweise finden, die seine Spieler zunächst an die etwas hinkende Geschichte glauben lässt und es dann noch schaffen, die Phantasie der Spieler auf besonders intensive Weise anzuregen, so dass die Gruppe wild zu spekulieren anfängt und in die einfachsten Umstände die wildesten Ideen hineinzudenken beginnt.

Gelingt diese Gratwanderung, die insbesondere für einen unerfahrenen Spielleiter eine zu große Herausforderung darstellen könnte, kann „Die Frau ohne Schatten“ zu einem detektivisch ausgeprägten Rollenspielabenteuer fast ohne eine echte Kampfbegegnung werden. Lassen sich die Spieler auf die Situation ein und verfolgen sie konsequent einen rollenspielerischen Ansatz, verfügt das Abenteuer über das Potential, sehr lohnend zu sein. Genau so gut kann es aber auch sein, dass eine Gruppe kampfeshungriger Neu-Rollenspieler unter einem nicht so erfahrenen Meister keine Freude am Abenteuer haben wird.

 

Positiv fällt auf, dass der Autor einige dieser Probleme erkannt und im Abenteuertext angesprochen hat. So bietet Hupperich mehrere alternative Ausgänge für die Handlung an und hält einige Tipps bereit, wie man bei zweifelnden Spielerfiguren verfahren kann, um die Geschichte um den verlorenen Schatten nicht aus dem Auge zu verlieren. Hilfestellungen sind also geboten, um dieses Abenteuer spielbarer zu machen.

Abenteuer 2: „Der Pfeil des Jägers“

Das zweite Abenteuer ist nicht auf eine pure rollenspielerische Lösung ausgelegt und enthält neben einigen gelungenen Rollenspielmomenten deutlich mehr Aktionssequenzen. Insgesamt lässt sich das Abenteuer sicherlich leichter leiten (und spielen) als „Die Frau ohne Schatten“.

 

Die Handlung spielt einige Zeit nach den Ereignissen aus „Die Frau ohne Schatten“ und ist dieses Mal nicht auf die Stadt Thame beschränkt, sondern bezieht auch die nahegelegenen Wälder und Täler mit ein.

 

Die Spielerfiguren verdingen sich in irgendeiner Form in einer Jagdgesellschaft, als sie eines Nachts Zeuge einer dämonischen Pfeilweihe werden. Bei diesem schwarzmagischen Ritual werden sieben Pfeile durch einen Hexenzirkel unter Anrufung des Dämonen Samael einem bestimmten Ziel geweiht und sieben Schützen übergeben.

(Anmerkung: Diese „geweihte Pfeile“ stellen eine direkte Verbindung zu „Die Frau ohne Schatten" her ...)

Den Abenteurern stehen ab dem Moment, in dem sie Zeuge des Rituals werden, diverse Handlungswege offenen. Die beiden wahrscheinlichsten sind wohl entweder ein extrem offensiver Einsatz, in dem man den Hexenzirkel direkt mit Waffengewalt angeht, oder ein sehr defensiver Ansatz, in dem die Gruppe versucht, heimlich alles an Informationen zu sammeln, was möglich ist, und dieses Wissen dann zu nutzen, um die Mordversuche mittels der Pfeile zu vereiteln. Leider ist es so, dass, unabhängig davon, welche Herangehensweise die Spieler wählen, der weitere Verlauf des Abenteuers davon unberührt bleibt: In jedem Falle werden die Pfeile ihren Opfern geweiht.

 

Für die Spieler beginnt damit ein Wettlauf gegen die Zeit. Ihnen bleiben nur drei volle Tage, um die sechs Opfer, von denen sie vermutlich zunächst nur wissen, vor den für sie bestimmten Pfeilen und damit dem sicheren Tod zu bewahren. Außerdem müssen sie erkennen, dass es einen siebten Pfeil gibt, dessen „Empfänger“ eine besondere Persönlichkeit der Region darstellt. Nun muss die Gruppe durch Raten, Puzzlen, Rollenspielen und Kombinieren herausfinden, wer das Ziel des siebten Pfeils ist und wie sie dessen Rettung zu Wege bringen. Da vielleicht durch die Ereignisse aus „Die Frau ohne Schatten“ der Ruf der Abenteurer in Thame und Umgebung arg gelitten haben könnte, wäre ein solches Husarenstück wie die Rettung eines hohen Würdenträgers ein Meilenstein auf dem Wege ihrer Rehabilitation.

 

Da einige zentrale Figuren aus dem vorangegangenen Abenteuer je nach dessen Verlauf vielleicht nicht mehr zur Verfügung stehen und da das Abenteuer an einigen Punkten deutlich unterschiedliche Lösungsstrategien unterstützt, hat Gerd Hupperich auch hier den Abenteuertext mit einigen Hinweisen und Tipps sowie Ergänzungen durchsetzt, die dem Spielleiter als Hilfestellung fungieren sollen, egal welchen Spielstil seine Gruppe bevorzugt und welchen Handlungsweg sie gewählt hat.

Das Fazit:

Beide Abenteuer um den Hexenzirkel des „Grünen Sigill“ erreichen für mich nicht das Niveau der letzten MIDGARD-Abenteuer.

 

Zwar besticht „Die Frau ohne Schatten“ damit, dass man es fast komplett rollenspielerisch und ohne Kampfhandlung lösen kann, doch lassen sich manche Schwächen der Hintergrundgeschichte einfach nur schwer glaubwürdig überspielen.

Außerdem ist dieses Abenteuer in meinen Augen für einen unerfahrenen Spielleiter extrem schwer stimmig zu leiten.

 

„Der Pfeil des Jägers“ hingegen bietet im Vergleich zu „Die Frau ohne Schatten“ eine etwas ausgewogenere Kost und dürfte dem Spielstil einer größeren Anzahl von Gruppen entgegenkommen.

Zwar spielen auch hier wieder detektivische Elemente eine verhältnismäßig große Rolle. Das Abenteuer bietet neben viel Interaktion mit der Umwelt und ihren Bewohnern aber auch die Möglichkeit für diverse Kämpfe und hat einige spannende, weil unheilsschwangere Momente zu bieten.

 

Was mich persönlich an beiden Abenteuern am meisten gestört hat, sind die vorgefertigten Endsequenzen, die bei halbwegs normalem Verlauf zweimal zu ähnlichen Szenen führen: Nämlich einer Gerichtsverhandlung und einer Urteilsvollstreckung.

Vermutlich würde ich die Schlussszenen beider beider Abenteuer umgestalten; in jedem Fall aber das Ende von „Der Pfeil des Jägers“, da mir überhaupt nichts daran liegt, eine Hinrichtungsszene in ein Rollenspielabenteuer einzubauen.

 

Alles in allem bekommt man mit dem Abenteuerheftchen „Das Grüne Sigill“ solide Hausmannskost aus der Feder des MIDGARD-Veteranen Gerd Hupperich geboten. Um im Bild zu bleiben: Diese Hausmannskost ist zwar durchaus genießbar, aber nicht sehr aufregend, so dass man, wenn man noch das eine oder andere Filetstück (z. B. aus eigener Feder) in der Hinterhand hat, gut zu etwas anderem greifen kann, ohne etwas verpasst zu haben.

 

Ich bewerte das Heft „Das Grüne Sigill“ mit durchschnittlichen 3,0 Punkten.