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Manara Werkausgabe 3 - Der Duft des Unsichtbaren
Bewertung:
(3.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 11.07.2010
Autor:Autor und Zeichner: Milo Manara
Übersetzer:Michael Leimer
Typ:Manara – Werkausgabe
VerlagPanini Comics
ISBN/ASIN:978-3-86607-978-6
Inhalt:164 Seiten, Hardcover mit SU
Preis:24,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Der Duft des Unsichtbaren (Teil 1)

Eine fantastische Creme erfüllt einen der wohl ältesten und geheimsten Wünsche der Menschheit: Sie macht unsichtbar. Aber ihr schüchterner Erfinder strebt weder nach Macht noch nach Reichtum, er will nur die Frau für sich gewinnen, die er seit seiner Kindheit innig liebt und aus der mittlerweile eine weltberühmte Tänzerin geworden ist. Die Ballerina verbirgt jedoch hinter einer Maske aus Spießbürgertum ihren herrischen und geradezu grausamen Charakter. Doch zum Glück trifft der Erfinder zunächst auf die Sekretärin der Ballerina, Honey, die sich – konfrontiert mit dem Unsichtbaren – für verrückt hält, dann aber doch langsam Gefallen an dem schüchternen und zurückhaltenden Unsichtbaren findet und es einige erotische Abenteuer zu bestehen gibt, bevor es ein sehr denkwürdiges Happy End gibt.

 

Der Duft des Unsichtbaren (Teil 2)

Im zweiten Abenteuer gerät unser schüchterner Erfinder zwischen Bruna, ein ziemlich skrupelloses Mädchen, das aus der magischen Lotion Geld machen will, und eine Gruppe Terroristen, die mithilfe der Creme ein Attentat auf einen hochrangigen Politiker planen. Doch auch hier wendet sich nach einigen Irrungen und Wirrungen augenzwinkernd das Schicksal gegen Schluss, und es gibt es nach ein paar erotischen (und zum Teil auch gefährlichen) Entgleisungen ein wunderbares Schlussbild in einem Meer von Blüten...

 

Schreibstil & Artwork:

Milo (eigentlich: Maurilio) Manara wurde am 12.09.1945 in Lüsen, einem Ort nahe Bozen in Südtirol, geboren und gehört heute unumstritten zu den renommiertesten Comic-Künstlern weltweit.

Als Zeichner für Comics trat Manara erst in den späten 60er Jahren in Erscheinung. Mit regelmäßigen Zeichnungen für zwei in Italien sehr populäre, zum Teil pornografische Comicmagazine des Genre „fumetti neri“ (ital.; zu deutsch „schwarze Comics“) finanzierte er zwischen 1968 und 1971 sein Architekturstudium an der Universität in Venedig, wo er unter anderem aber auch Plakate für ein maoistisches Künstlerkollektiv mit dem Namen „Miraculo“ anfertigte. Sein Erstlingswerk „Genius“ aus dem Jahr 1969 ist der erste Schritt in eine außergewöhnliche Comic-Karriere. Zwischen 1971 und 1973 zeichnete er die billig produzierte erotische Piratenstory „Jolanda de Almaviva“ und fertigte etliche Comicstrips für die italienischen Magazine „Telerompo“ und „Corriere dei Ragazzi“.

 

Der Durchbruch gelang Manara 1978 mit seiner Comicadaption des chinesischen Literaturklassikers „Der Affenkönig“, dem in der Zeit von 1978 bis 1987 die nach den Vorlagen von Hugo Pratt und Federico Fellini geschaffene Reihe um die Figur des Giuseppe Bergmann folgte. Sein besonderes Faible für Erotik (gemischt mit gediegenem Humor) führte Manara 1983 in der Reihe „Click!“ fort. Weitere internationale Erfolge stellten sich allerdings auch ein – so erschienen beispielsweise „„Mann aus Papier“, „Der Schneemensch“, „Candid Camera“ oder aber Ende der 90er Jahre „Kamasutra“. Zu den Höhepunkten seines Schaffens im Bereich des anspruchsvollen erotischen Comics dürften zweifelsohne „Außer Kontrolle“ („Il gioco“), veröffentlicht 1983, und „Der Duft des Unsichtbaren“ („Il profumo dell'invisibile“) gehören.

 

In den 80er-Jahren begann Manara damit, verstärkt mit anderen großen Künstlern wie Hugo Pratt, Federico Fellini oder aber auch Luc Besson zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit Pratt schuf er die beiden Bände „Ein indianischer Sommer“ und „El Gaucho“, mit Fellini entstanden „Die Reise nach Tulum“ und „Die Reise des G. Mastorna“ (beide Geschichten sind als Band 1 der Werkausgabe von Panini erschienen). Doch Manara zeigt sich auch in anderen Genres recht umtriebig – so schuf er mit dem französischen Regisseur Luc Besson zwei Werbespots für die Parfum-Marke „Chanel No. 5“, arbeitete an der Visualisierung verschiedener Spots für Autofirmen mit oder schuf CD-Cover für diverse Interpreten. Derzeit arbeitet Milo Manara unter anderem gemeinsam mit dem Szenaristen Alexandro Jodorowsky an der historischen Comic-Reihe „Die Borgia“.

 

Der Zeichenstil von Manara in „Der Duft des Unsichtbaren“ dürfte sicherlich etwas dem Zeitgeist der 80er Jahre geschuldet sein und dem heutigen Betrachter in seiner Formgebung etwas antiquiert erscheinen. Dennoch besitzen seine Charaktere (insbesondere natürlich die weiblichen) einen durchaus realistischen Stil, der mit gekonnt schwungvollem und präzisem Strich zu Papier gebracht wurde.

Was Manara natürlich wiederum zugute kommen dürfte, ist sein ehemaliges Architekturstudium bei dem spanischen Bildhauer Miguel Ortíz Berrocal. Hier hat er viel über die plastische Darstellung des menschlichen Körpers gelernt – was sich natürlich auch in seiner hervorragenden Darstellung der Anatomie seiner Figuren äußert.

 

Die zum Teil offen zur Schau gestellte Erotik ist in ihrer Darstellung manchmal etwas grenzwertig, kippt aber nie in den pornografischen Bereich um, vielmehr ist einiges der Fantasie des Lesers überlassen. Wenn auch die Comic-Industrie lange Zeit von Männern dominiert wurde, die der Meinung waren, dass weibliche Charaktere in erotischen Comics lediglich in Form von Pin-up-Girls dargestellt werden müssten (inklusive überdimensionierter Brüste und einem ausgeprägten Hintern nebst langen Beinen), sind es gerade die Frauen, die bei Manara als starke und selbstbewusste Persönlichkeiten erscheinen, die er in ihrer vollen Weiblichkeit darstellt, ohne sie dabei zum bloßen Sexobjekt zu degradieren. Zudem kommen die Männer bei Manara selten sonderlich gut davon – wie man es zum Teil auch in diesem Comic erleben kann.

 

Die Geschichte, welche die beiden Episoden erzählen, ist schon fast ein wenig nebensächlich. Manara war begeistert von der 1897 veröffentlichten Geschichte „Der Unsichtbare“ von H.G. Wells und adaptierte sie. Seine zugegebenermaßen äußerst freie Interpretation des Themas dürfte sicherlich auch geprägt sein durch seine langjährige Tätigkeit als Zeichner im Bereich des italienischen „Fumetti-Neri“.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Insgesamt 164 Seiten als gebundene Hardcoverausgabe mit Schutzumschlag zu einem überaus erschwinglichen Preis machen diesen Band der Manara-Werkausgabe nicht nur inhaltlich zu einem Schmuckstück. Unter dem Schutzumschlag, den eine wunderschön passende Skizze zu dem Comic ziert, verbirgt sich ein gänzlich in rot gestalteter Hochglanzeinband, den auf der Vorder- und Rückseite jeweils eine leicht bekleidete Frau „schmückt“, wie man sie aus dem opulenten Schaffenswerk von Manara kennt.

Worüber man sich bei der vorliegenden Ausgabe sicherlich vortrefflich streiten kann, dürfte die nachträgliche Kolorierung dieses ursprünglich als Schwarzweiß erschienenen Comics sein. Die Farbgebung ist zwar gelungen, doch wer die alte Ausgabe kennt, wird unter Umständen die Nase über diesen fast schon blasphemischen Vorgang rümpfen.

 

In Sachen Ausstattung gibt es als Extra ein sehr lesenswertes Vorwort, welches sich intensiv mit den Hintergründen zur Entstehung der beiden Geschichten auseinandersetzt. Doch XXX spielt sich weniger als trockener Chronist auf, sondern weiß den Leser mit seinem kurzweiligen Vorwort und einigen eingestreuten Anekdoten über Manara durchaus auf den bevorstehenden Lesegenuss einzustimmen. Zudem gibt es noch 22 Seiten aus dem „Casanova“-Portfolio, deren erste Edition bei Bfb Éditions mit 450 signierten und nummerierten Exemplaren erschien.

 

Fazit

Zunächst einmal dürfte man den vorliegenden Band im Kontext seiner Zeit sehen, da zu Beginn der 80er Jahre sicherlich noch ein anderes Frauenbild verbreitet war, wie wir es heute kennen. Das gleiche dürfte ohne Weiteres auch für die seiner Zeit herrschenden Moralvorstellungen gelten. Insofern dürfte es sicherlich auch interessant sein, ob es sich aus heutiger Sicht bei diesem Comic um erotische Kunst oder um platte Pornographie handelt – vorausgesetzt, Pornographie ist alles, was sexuelle Handlungen in einer etwas spekulativen und mitunter entwürdigenden Weise zeigt.

 

Eins kann man Manara allerdings nicht vorwerfen: Seine weiblichen Charaktere sind voller Stärke und Leidenschaft und wirken dabei äußerst lebendig und kraftvoll, fast als wollten sie die engen Begrenzungen der Comicbilder sprengen. Kurzgesagt: Manaras (erotische) Werke sind irgendwo schon eine zeichnerische Liebeserklärung an die Frauen, die keine platten Erotik- oder Sex-Comic-Klischees mit ihren typischen Frauenbildern und vermeintlichen Traumkörpern bedienen. Die Männer hingegen geben bei Manara eine eher schwache Figur ab, und so ist man immer wieder sehr amüsiert über die Situationskomik, die sich in so mancher Unsicherheit des vermeintlich starken Geschlechtes widerspiegelt.

 

Insgesamt ein weiterer, sehr schöner Band der Werkausgabe von Milo Manara, dessen Inhalt sicherlich nicht unbedingt zu seinen Glanzstücken zählt, der aber qualitativ als auch inhaltlich zu überzeugen weiß. Deshalb von mir erneut ein großes Lob für diese erschwingliche Ausgabe eines unterhaltsamen und kurzweiligen Werkes von Manara.