Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Planwagen des Thespis 2 - Der Schwarze Indianer
Bewertung:
(3.4)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.09.2010
Autor:Christian Rossi
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Western
VerlagPiredda Verlag
ISBN/ASIN:978-3-941279-54-4
Inhalt:48 Seiten, Album Großformat (Hardcover)
Preis:14,50 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Herbst 1865 – Die Hermes Company führt in dem kleinen, verschlafenen Nest Red River Station ihr Stück „The young lady“ auf und wie so oft, endet auch dieser Auftritt in einem Fiasko, da das Publikum von Red River Station ihren Unmut über die allzu dramatische Handlung und ihre künstlerische Darstellung lieber mit Fäusten, denn mit Buhrufen austrägt. Unter solchen Bedingungen heißt es erneut für Drustan, Hermes und ihren Begleiter Joe Adam eilig abreisen und sich weiter in Richtung Washita River aufzumachen, wo sie sich in Medicine Lodge einen neuen Auftritt versprechen.

 

Dauerregen, Matsch und Hunger setzen den Reisenden allerdings ziemlich zu und so sind sie erfreut, als sie unverhofft auf die Fährte einer großen Bisonherde stoßen, die wenigstens für Fleisch sorgen könnte. Bei der Jagd treffen die Gefährten auf andere Männer, die als professionelle Bisonjäger die Herde verfolgen und die Vorposten und das Militär mit Fleisch versorgen. Hermes und seine Begleiter sind froh über die Einladung der Männer in ihr Lager und über eine warme Mahlzeit.

 

In den ziemlich hitzigen Gesprächen mit den Jägern dreht sich das Thema auch um Indianer. Die örtlichen Kiowa wurden mittlerweile in ein Reservat verdrängt und so sprechen die Jäger von der Zivilisation, die nicht mehr aufzuhalten ist. Nach dieser kurzen Begegnung trennen sich ihre Wege wieder und die Hermes Company zieht weiter in Richtung Washita River.

 

Nach einer guten Tagesreise treffen sie auf Indianer, die ihren Wagen verfolgen und sich einen Spaß daraus machen so zu tun, als wollten sie die Gruppe überfallen. Die wilde Verfolgung endet allerdings ebenso abrupt, wie sie begonnen hat und die Gefährten sehen vor sich einen riesigen Tross von Indianern, der sich scheinbar auf den Weg in sein Winterquartier macht. Diese Situation ist nicht sonderlich erfreulich, da die Indianer auf der gleichen Strecke unterwegs sind wie die Hermes Company und keiner weiß, wie die Indianer weiterhin reagieren werden. Also beschließt Hermes das Beste aus der Situation zu machen und ihnen in angemessenem Abstand zu folgen.

 

Die nächtliche Rast in der Nähe der Indianer ist beunruhigend und tatsächlich scheint sich jemand an die Gruppe heranzuschleichen. Zum großen Erstaunen von Drustan handelt es sich allerdings um Methusalem. Dieser hat aus einigem Abstand Drustan gesehen und wollte sicher sein, dass es sich wirklich um den jungen Mann handelt, mit dem er geflohen ist. Nachdem sich die Situation beruhigt hat, erzählt Methusalem den Anwesenden von seiner weiteren Flucht, dem Dienst in der Armee und der Sinnlosigkeit des Krieges. Nach der Schlacht um Massachusetts gelang ihm die Fahnenflucht, da man ihn für Tod hielt. Doch wohin sollte er fliehen? Im Süden war er ein Sklave und im Norden würde man ihn als Deserteur verfolgen. Wochenlang führte ihn seine Reise durch das Land, bis er von den Kiowas aufgegriffen wurde. Ihre Begegnung mit dem schwarzen Mann sahen sie als Fügung der Götter und so nahmen sie ihn in ihren Stamm auf.

 

Aber das Glück sollte für Methusalem nur von kurzer Dauer sein. Häuptling Little Mountain hat sich nach schweren Kämpfen vor kurzem Colonel Leavenworth gebeugt und die Indianer machen sich nun auf den Weg in ihr neu zugewiesenes Land an der Mündung des Wishita River, wo man sie zusammenpferchen will. Einzig die (\\ist zwar richtig, nach Wiki, liest sich aber grätzig, lieber „Comanche“) leisten dem Militär und den weißen Siedlern noch Widerstand.

 

Drustan ist neugierig auf die Indianer geworden und möchte diese kennen lernen. So begleitet er, sehr zum Unmut von Hermes, Methusalem zurück zu dessen Lager. Doch so einfach gibt Hermes nicht auf, schließlich steht Drustan bei ihm unter „Vertrag“. Gemeinsam mit Joe Adam macht er sich ebenfalls auf den Weg in das Lager der Indianer. Doch die Lage wird auf einmal sehr brenzlig, da die Bisonjäger auftauchen und Rache für einen Überfall von Indianern auf ihren Trupp fordern.

 

Schreibstil & Artwork:

Christian Rossi wurde am 31.12.1954 in Saint-Denis geboren und studierte Zeichnen an der Kunsthochschule in Estienne, wo er während dieser Zeit einiges über das Zeichnen von Comics von Jijé lernte. 1973 veröffentlichte er seine ersten Seiten in dem Magazin „Formule 1“, allerdings sollte es noch vier Jahre dauern, bis er Didier Convard traf und für den Verlag „Twin Cam“ zu arbeiten begann. Ab 1980 begann er für den Verlag „Fleurus“ zu arbeiten und illustrierte „'Valvidia le Conquistador“ und „Les Aventures de Claire“.

 

1981 startete er mit „Der Planwagen des Thespis“ seine erste Albenserie, wobei einige der Texte von Philippe Bonifay stammen. Ab 1985 folgte „Die Verwirrung des Julius Antoine“ nach einem Szenario von Serge Le Tendre und ab 1990 - nach Texten von Pierre Makyo – „Der Zyklus der zwei Horizonte“. Die seinerzeit von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud kreierte Westernreihe „Jim Cutlass“ setzte Rossi 1991 fort, wobei sich Giraud nunmehr vornehmlich auf die Szenarios für diese Reihe konzentrierte. Gemeinsam mit dem Szenaristen Makyo entstand zur gleichen Zeit „Jordan“ für den Verlag Delcourt.

 

Mitte der 90er Jahre arbeitete er mit Serge Le Tendre an den Reihen „La Gloire d’Héra“ und an der 2001 erschienen Reihe „Tirésias“. Für den Verlag Albin Michel entstand mit dem Szenaristen Enrique Sanchez Abuli ein Einzelband mit Kurzgeschichten mit dem Titel „Capitaine La Guibole“. 2003 begann er mit den Szenaristen Xavier Dorison und Fabien Nury die Serie „W.E.S.T.“, deren erste zwei Bände in der Ehapa Comic Collection verlegt wurden und die nunmehr bei Piredda erscheint.

 

Scheinbar hegte Rossi schon recht früh ein Faible für des Western-Genre, da seine erste eigene Reihe mit „Der Planwagen des Thespis“ begann. Verwundern tut dies sicherlich nicht, gehörte doch Jijé, der Schöpfer von „Jerry Spring“, mehr oder weniger zu seinen Lehrmeistern.Die spätere Zusammenarbeit mit Giraud, dem Zeichner von „Leutnant Blueberry“, sollte ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf ihn haben, auch wenn Rossi insgesamt sehr rasch seinen eigenen Stil fand.

 

Rossi verfolgt mit seiner Figur des reisenden Theaterdirektors Hermes kein klassisches Western-Klischee von glorreichen Helden und finsteren Schurken, sondern nimmt den Leser mit in die ungestüme und wilde Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, um diese als Ausgangsbasis für seine ausgefallene Erzählung zu nutzen. Nach dem Ende des Sezessionskrieges zwischen den Nord- und Südstaaten (1861–1865) suchten viele durch den Krieg gescheiterte, teilweise verrohte Menschen einen neuen Anfang im Westen. Glücksritter und Abenteurer fanden in den relativ unerschlossenen Gebieten der USA oft einen gesetzlichen Freiraum vor. Und so präsentiert uns Rossi die Figur des Hermes als undurchsichtigen Glücksjäger, Hasardeur und – auf den ersten Blick zumindest – recht gebildeten Mann, der sich anschickt mit allerlei windigen Geschäften, Glückspiel und seinem Theater ein Auskommen zu finden.

 

Nach Beendigung des amerikanischen Bürgerkrieges, nahm der Druck der US-Armee auf die Kiowa erneut zu. So bleibt Rossi in seiner Geschichte historisch korrekt, wenn er Colonel Leavenworth beschreibt, der nach schweren Kämpfen die Kiowa von ihrem Land vertrieb und sie vermeintlich in ihre Schranken wies. Allerdings sollte es noch bis 1867 dauern, bis die Kiowa zusammen mit ihren Verbündeten, den Comanche und Southern Cheyenne, bereit waren, den Vertrag von Medicine Lodge zu unterschreiben, der die Umsiedlung der Plains-Indianer in ein Reservat bei Fort Sill vorsah.

 

Den besonderen Reiz in dieser Geschichte macht sicherlich die Geschichte von Methusalem („Matt“) aus, der als ehemaliger Sklave nicht weiß, zu welcher Welt er nun eigentlich gehört, ausgerechnet bei den nunmehr landlosen und unterdrückten Indianern eine neue Zukunft findet und somit auch für den Titel dieses zweiten Bandes sorgt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Die erste deutsche Auflage des zweiten Bandes durch den Reiner Feest Verlag liegt nunmehr schon 20 Jahre zurück und war dann auch das vorläufige Ende dieser Reihe für das deutsche Publikum. So ist es nunmehr mehr als erfreulich, dass sich der Piredda Verlag dieser zu Unrecht vergessenen Reihe annimmt, die sich – trotz ihres Alters – recht wohltuend und entspannend aus der Masse der Western-Comics hervorhebt.

 

Auch der zweite Hardcover-Album der Reihe liegt – vollständig neu übersetzt von Marcus Schweizer und mit einem neuen Lettering von Mirko Piredda – in einer tadellosen Qualität im Großformat vor. Leider gibt es in Sachen Ausstattung keine Extras.

 

Fazit:

Die Reihe „Der Planwagen des Thespis“ wurde glücklicherweise vom Piredda Verlag wiederentdeckt und mit seinen insgesamt vier Bänden neu aufgelegt. Auch wenn die Geschichte um den charismatischen Hermes, den gänzlich unbedarften Drustan und den knorrigen Joe Adam mit ihrer Dramaturgie fast gänzlich aus dem Rahmen des klassischen Western-Klischees fällt, so präsentiert uns Rossi dennoch eine gut durchdachte und geschickt aufgebaute Handlung, die den Leser dazu einlädt, auch nach dem Lesen, vielleicht auf eigene Faust, einen kritischen Blick auf die vermeintlich glorreiche amerikanische Vergangenheit nach dem Ende des Bürgerkrieges zu werfen.

Der Schluss der Geschichte – hier möchte ich allerdings dem Leser die Spannung nicht nehmen – ist für mich persönlich etwas zu pathetisch in seiner Ausführung. Ansonsten kann ich Rossi nur großen Respekt für die Figur des Methusalem zollen, der als ehemaliger Sklave und fahnenflüchtiger Soldat in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten auf der Suche nach seiner eigenen Identität ist.

 

Und so gelingt es Rossi – wenn auch mit einigen Abstrichen - auf elegante Art und Weise den vermeintlichen Mythos des „Wilden Westen“ mit seiner Ansammlung von Feiglingen, Verlierern und Hasardeuren in ein neues Licht zu tauchen, wobei er unangenehme Themen wie den Umgang mit den Ureinwohnern oder den ehemaligen Sklaven nicht ausspart. Gepaart mit dem zum Teil beißenden Spot von Hermes oder aber auch den Lebensansichten von Joe Adam erwarten den Leser einige sehr gelungene Szenen und Dialoge.

 

Insgesamt für mich ein kurzweiliges, wenn auch manchmal ernstes Lesevergnügen, welches ich eingefleischten Freunden des Western-Genres gerne empfehle – vielleicht gerade, weil es hier an Revolverhelden mangelt und Auseinandersetzungen mit Worten ausgetragen werden.