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Thorinth 4 – Die vertikale Kaiserin
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Am: 30.09.2010
Autor:Autor und Zeichner: Nicolas Fructus
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Graphic Novel – Dark Future
Setting:Phantastik
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-035-4
Inhalt:56 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Der Narr hat Madalis gefangen genommen und will von ihr erfahren, wie ihre weiteren Pläne aussehen. Allerdings sind die Mauern des Gefängnises für Madalis kein nennenswertes Problem, da sie über das Krelp gebietet und dieses beschwört, damit sie wieder freikommt. Durch den massiven Angriff des Krelp zwingt sie den vertikalen Kaiser zum Abdanken, während dem Narr die Flucht gelingt. Um ihre Macht zu demonstrieren, kommt ihr sogar der Narrenwärter zur Hilfe, womit dem Volk bewusst wird, dass der Kaiser nicht mehr in der Gunst des Turmes steht. Aber es scheint, als würden der vertikale Kaiser und der Narr nach diesen turbulenten Geschehnissen in den Katakomben des Palastes wieder zusammenfinden und gemeinsam fliehen sie aus dem Palast.

 

Vei-Din möchte nicht der Gatte der neuen Kaiserin sein und bittet Madalis den Turm mit ihm zu verlassen. Madalis hingegen hat andere Pläne, da ihr Experiment, den Menschen ewiges Leben zu bringen, kurz vor der Vollendung steht. Mit Esiaths Hilfe möchte sie eine Kettenreaktion auslösen, die alle Zellen miteinander verschmelzen lässt, so dass ein neues, unsterbliches Ganzes mit einem allumfassenden Bewusstsein entsteht. Vei-Din muss nach diesen Ausführungen erkennen, dass seine Frau wahnsinnig ist und lässt sie zurück.

 

Es scheint aber eine Rettung zu geben, welche die Pläne von Madalis vereiteln kann. Amodef plant, gemeinsam mit den Schnuffels, Vei-Din für die Zerstörung Thorinths einzusetzen, damit der Alptraum ein Ende hat. Die Schnuffel informieren Vei-Din darüber, wie man die Pläne von Madalis durchkreuzen kann – aber hierfür bedarf es einem Maximum an Sogrom. So müssen sie sich auf den Weg zu den Sogromzüchtern machen.

 

Unterdessen zeichnet sich ab, welche Gefühle Lank-Milo für Elide entwickelt hat, die diese noch nicht richtig zu deuten weiß. Lank-Milo steht als Spion in den Diensten von Madalis und kümmert sich, Dank seiner Gabe, darum, das noch verbliebene Netzwerk des Narren mit seinen Anhängern zu zerstören. Er ist entsetzt, als er von den Plänen von Vei-Din erfährt, Madalis zu stoppen. Aber es gelingt Vei-Din ihn in einem gemeinsamen Gespräch davon zu überzeugen, welch wahnsinnigen Plan sie verfolgt und so schließt er sich den Gefährten an, um Vei-Din zu helfen. Allerdings steht noch das Versprechen von Madalis ihm gegenüber aus, ihm wieder zu seinem alten Gesicht zu verhelfen.

 

Vei-Din und seine Gefährten wollen zunächst zum Grab von Amodef und von dort aus weiter zu den Sogromzüchtern. Allerdings bleibt ihre Reise auch dem Narren nicht verborgen, der seine Chance sieht Rache zu nehmen. Mit einigen Vertrauten schafft es der Narr, die Gefährten aus einem Hinterhalt anzugreifen, wobei Vei-Din im Kampf mit dem Narren abstürzt und mit den Schnuffels, für die Begegnung mit den Sogromzüchtern, auf sich alleine gestellt ist. Lank-Milo und Elide hingegen geraten allerdings in die Gewalt des Narren und seine Rachgier scheint nicht aufzuhalten zu sein.

 

Schreibstil & Artwork:

Nicolas Fructus studierte an der renommierten Kunsthochschule Emile Cohl in Lyon und bewies nebenbei auch sein kreatives Talent im Design von Videospielen oder im Bereich der Filmanimation. Seit 1997 ist er künstlerischer Direktor der Firma „Arxel Tribe“, die neben der Entwicklung von Adventuregames zur Zeit ein weiteres Standbein im Rollenspielbereich aufbaut.

 

Nicolas Fructus selbst dürfte zu den talentiertesten „Infographisten“ unserer Zeit zählen: Er hat eine Fülle von Illustrationen für Presse- und andere Printmedien entworfen, mit namhaften Künstlern, wie z.B. Moebius, bei der Umsetzung des PC-Games „Pilgrim“ oder mit Druillet bei „Ring“ zusammengearbeitet, das Colouring des Comics „Bouncer“ an der Seite von François Boucq übernommen oder aber auch die Mitarbeit beim Bühnenbild und dem Figurendesign des Films „Arthur und die Minimoys“ übernommen.

 

Neben seinen zahlreichen beruflichen Verpflichtungen ist es Fructus nunmehr gelungen sowohl als Autor als auch als Zeichner mit seiner Schöpfung „Thorinth“ endlich auch in Deutschland in Erscheinung zu treten. Er selbst hat sich mit diesem ambitionierten Erstlingswerk, dessen erster Band bereits 2002 in Frankreich erschienen ist, viel vorgenommen, wobei ihm die erste Herausforderung in Frankreich bereits gelungen ist, da der hoch geschätzte Verlag „Les Humanoides Associes“ diese Reihe verlegt hat. Die auf insgesamt fünf Bände ausgelegte Reihe liegt im Mutterland der frankobelgischen Comics bereits komplett vor und wird in Deutschland vom Splitter Verlag in einer hochwertigen Ausführung veröffentlicht.

 

Fast scheint es, als benötige Fructus vor seinem großen Finale im letzten Band noch einmal eine Verschnaufpause für seine Charaktere, die sich im vierten Band anschicken, das Tempo etwas zu drosseln. Dabei bekommt diese Langsamkeit der Geschichte sehr gut, da es bei den Protagonisten neue Facetten und Entwicklungen zu beobachten gibt, die in der bisherigen Geschichte vielleicht etwas zu kurz kamen und einige Handlungsfäden ein wenig entwirrt werden. Wer jetzt allerdings meint, dies würde dem fast schon philosophischen Tiefgang dieser Serie schaden, den muss ich enttäuschen – auch weiterhin sind die Charaktere in ihren Handlungen verwirrend und es fällt einem manchmal schwer ihre Entscheidungen oder Handlungen nachzuvollziehen, aber man befindet sich schließlich auch im Narrenturm.Fructus bleibt also seinem surrealen Stil treu.

 

Ansonsten begeistert Fructus auch im vierten Band der Reihe immer noch mit neuen und extravaganten Ideen, die sich in seinen hervorragenden Illustrationen äußern, wohingegen die Anordnung seiner Panels fast schon wieder als bieder zu bezeichnen ist und er sich nur wenige Experimente mit deren Anordnung und Gestaltung erlaubt. Allerdings ist er manchmal etwas nachlässig mit seinen Figuren, da hier und da einige Gesichtszüge nicht deutlich genug gearbeitet sind. Hervorzuheben sei an dieser Stelle aber erneut die wunderbar gelungene Kolorierung, die mit ihrer Mischung aus sanft-hellen und kräftig-dunklen Farbtönen die surreale Welt von „Thorinth“ wunderbar unterstreicht.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Der Splitter Verlag präsentiert seinen Lesern in Sachen Optik und Verarbeitung auch mit dem vierten Band die gewohnt gute Qualität, an der es nichts zu bemängeln gibt. Die gelungene Übersetzung stammt wiederum von Tanja Krämling und ist in Verbindung mit dem Lettering sehr angenehm zu lesen. Einzig in Sachen Ausstattung oder Extras geizt dieser Band leider wieder, wobei ich, gerade bei diesen extravaganten Illustrationen, gerne einen Blick über die Schulter des Künstlers und in den Skizzenblock werfen würde – hier muss ich leider wieder ein wenig quengeln.

 

Fazit

Wie bereits in den ersten drei Bänden wird Zeichner und Autor Nicolas Fructus nicht müde, den Leser mit immer neuen Bildern zu überraschen, während seine Geschichte allerdings etwas ins Stocken gerät. Doch hier dürften wahrscheinlich lediglich die Protagonisten für den letzten Band in Stellung gebracht werden, da dieser – geht man vom bisherigen Verlauf aus – sicherlich mit einem fulminanten und hoffentlich atemberaubenden Schluss aufwarten wird.

 

Die Reihe „Thorinth“ dürfte sicherlich in erster Linie Geschmackssache sein, da die Geschichte an die Grenzen der Darstellungsmöglichkeiten eines Comics geht. Der Handlungsfaden ist alles andere als leichte Kost, da die Geschichte überaus komplex in ihrem Aufbau ist und die zahlreichen Bewohner des Turms es dem Leser nicht unbedingt leicht machen, manche Handlung zu verstehen. Doch gerade in diesem Punkt liegt die große Stärke dieser Reihe, die ich mit großem Genuss nach der Veröffentlichung des letzten Bandes sicherlich nicht nur einmal komplett lesen werde – eine skurrile und phantastische Geschichte, die mit beeindruckenden Illustrationen den Leser in ihren Bann zieht und deren Ende auch jetzt noch nicht abzusehen ist.

 

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, so möchte ich doch noch einmal zum Ausdruck bringen, dass der Splitter Verlag mit der Reihe „Thorinth“ einen Comic vorgelegt habt, der seine Leserschaft sicherlich wieder einmal polarisieren wird: Entweder ist man verstört und erschlagen von der Bildgewaltigkeit und der abstrusen Erzählung dieser Reihe oder man gibt sich dieser seltsamen Suche des Protagonisten hin und lässt sich von dem alptraumhaften Zauber des Narrenturms zu einem Lesegenuss der ganz besonderen Art einfangen.

 

Für mich ist diese Reihe auf jeden Fall ein wunderbares Debüt des kreativen Autors und Zeichners Nicolas Fructus, welche ich Freunden der „anspruchsvollen“ Phantastik nur wärmstens empfehlen kann.