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Absolute Zero 1 - Mission Sibirien
Bewertung:
(3.2)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 31.10.2011
Autor:Richard Marazano (Autor), Christophe Bec (Zeichner)
Übersetzer:Monja Reichert
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-324-9
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Eine Kommandoeinheit von Marineinfanteristen unter Begleitung eines Söldners und einer Ingenieurin erwacht an Bord eines Raumschiffes aus ihren kyrogenischen Schlafkammern. Erst jetzt erhalten die Männer und Frauen ihren Befehl, der letztlich darin besteht eine Forschungsstation auf dem Planeten Siberia aufzusuchen und zu kontrollieren. Oberste Prämisse für diesen als „Code Red“ deklarierten Auftrag: Menschliche Verluste sind erlaubt – Schäden an der Forschungseinrichtung sind zu verhindern. Mit einem Shuttle geht es auf die Oberfläche des gänzlich mit Schnee und Eis bedeckten Planeten, wo sich ein Vorauskommando mit einem gepanzertem Fahrzeug auf den Weg zur Station macht, wo der Trupp insgesamt 24 Stunden Zeit hat sich ein Bild über die Lage zu machen.

 

Die riesige Station scheint allerdings verlassen zu sein und es gibt keinerlei Hinweise auf den Verbleib der Mannschaft. So erkunden die Charaktere zunächst die Unterkünfte und weiteren Räumlichkeiten, bis sie auf eine Leiche stoßen, die wohl zur Mannschaft der Station gehört. Es gibt aber auch andere Probleme zu lösen: So muss so schnell wie möglich die Energieversorgung der Station wieder hochgefahren werden, da man sich ansonsten ohne Schutzanzüge bei den Temperaturen, die sich auf dem eisigen Planeten bei Minus 273 Grad Celsius bewegen, nicht lange aufhalten kann.

 

Allerdings stellt sich rasch nach ihrer Ankunft in der Station eine seltsam und nur schwer zu erklärende Spannung unter den Mitgliedern der Einheit heraus, die sich immer mehr zu steigern scheint und noch weiter angeheizt wird, da zumindest einer aus ihrer Gruppe auch ohne funktionsfähigen Schutzanzug gegen die tödliche Kälte des Planeten immun zu sein scheint. Und auch ein seltsames Signal auf ihren Scannern sorgt für Angst und Schrecken.

 

Biografisches der Autoren und Zeichner:

Der 1971 in Fontenay-aux-roses geborene Zeichner und Szenarist Richard Marazano widmete sich zunächst einem naturwissenschaftlich geprägten Studium mit den Schwerpunkten in Astrophysik und Wissenschaftsgeschichte, bevor er nach einigem Zögern seine eigentliche Karriere begann. Er arbeitete geraume Zeit im Atelier Sanzot, bevor er seinen großen Durchbruch 2004 hatte, als er mit dem Band “Cuervos“ in Angoulème für einen Preis nominiert wurde. Bekanntheit in Deutschland erlangte er insbesondere als Zeichner der erfolgreichen Reihe „Der Schimpansen-Komplex“, aber auch mit der Reihe „Eco Warriors“.

 

Der französische Zeichner und Szenarist Christophe Bec wurde am 24.04.1969 in der südfranzösischen Stadt Rodez geboren. Seit frühester Kindheit war Christophe Bec von Comics begeistert und so entstand in seiner Jugend das Fanzine „Esquiss“ mit einer bescheidenen Auflage, welches er in seiner Heimatstadt an den Mann zu bringen versuchte. Der Erfolg dieses kleinen Fanzine sollte sich allerdings erst 1990 einstellen, als es für den „Alp´art“ in der Kategorie „Bestes Fanzine“ auf dem Comic-Festival in Angoulême nominiert wurde. Noch im gleichen Jahr bestand er die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule in Angoulême und traf dort einige andere talentierte junge Künstler, so zum Beispiel Eric Hübsch, Servain, David Prudhomme und Aristophane, die zum Teil entscheidenden Einfluss auf seinen eigenen Stil hatten.

 

Als erfolgversprechender Nachwuchskünstler unterzeichnete er 1992 nach seinem Studium einen Vertrag für den Verlag „Soleil“, bei dem auch 1993 der Band “Dragan - Les Geôles D'Avade“ erschien, der auf einem Szenario des überaus produktiven Autors Eric Corbeyran basierte. 1997 erschien in Zusammenarbeit mit Richard Marazano der erste Band von „Zéro Absolu“ und mit dem Szenaristen Xavier Dorison entstand 2001 der erste Band der Reihe „Santuaire“ („Heiligtum“) für den Verlag „Humanoïdes Associés“, der sich zu einem Bestseller entwickelte.

 

Im Jahr 2004 entstand der One-Shot „Anna“, nach einem Szenario von Stéphane Betbeder, den Christophe Bec bei dem kleinen Verleger „La Boîte à Bulles“ veröffentlichte. In 2006 folgte der apokalyptische Western-Reihe „Le Temps des Loups“ und in erneuter Zusammenarbeit mit Stéphane Betbeder der Militärthriller „Bunker“ für „Humanoïdes Associés“, dem 2007 die Reihe „Carthago“ und 2008 die Reihe „Prometheus“ folgte.

 

Artwork & Schreibstil:

Erzählerisch scheint es auf den ersten Seiten, als wolle Marazano uns die üblichen stereotypen Marines präsentieren, die vor beeindruckenden Kulissen auf ihren Einsatz warten, um sich dann zu verhalten, als seien sie auf den Schlachtfeldern von Vietnam unterwegs. So gibt es die üblichen flotten Sprüche, Charaktere, welche den Clown spielen und ähnliches mehr. Allerdings wechselt dieser Eindruck bald und Marazano versucht einen intensiven und subtilen Spannungsbogen aufzubauen. Dieser ist allerdings sehr langatmig ausgefallen, so dass mehr die Bilder die Geschichte tragen, denn umgekehrt.

 

So wird aber insgesamt aus diesem vermeintlich vorhersehbaren Szenario plötzlich geradezu ein Kammerspiel, in dem die Akteure nicht mehr mit Waffengewalt vorankommen können, sondern sich sogar Gedanken über die körperlichen Eigenschaften ihre eigenen Kameraden machen müssen.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Roman „Der Meister und Magarita“ des russischen Autors Bulgakow, den Marazano in sein Szenario einbindet, den einer der Soldaten liest und dessen Hauptmotiv, der Teufel, in dem Szenario in abgewandelter Form übernommen wird. Eines der großen Themen dieses Romans ist die Auseinandersetzung mit den menschlichen Werten wie Gut und Böse, Gott und Teufel, Leben und Tod. Dabei steht die Erlösung aller Beteiligten, deren freiwilliges Werkzeug auch der Teufel ist, im Mittelpunkt. Inwiefern Marazano dieses Motiv für sein Szenario nutzt ist noch offen – aber es ist eine überaus interessante Idee.

 

 

Mit zum Teil gelungenen visuellen und effektvollen Panels setzt Bec das manchmal etwas belanglose und aus einigen Hollywoodklischees zusammengeflickte Szenario und dessen aufgesetzte Metaphorik von Bulgakows Roman „Der Meister und Magarita“ in Szene. Man merkt ihm in seinem recht frühen Werk schon den Hang zum fast schon fotorealistischen Stil an, den er in späteren Arbeiten noch vertiefen sollte und heute fast bis zur Perfektion treibt. So sind seine Figuren, wie auch die komplette Darstellung der Technik und der Ausrüstung absolut überzeugend dargestellt, doch immer wieder scheint den Figuren aber auch ein wenig Lebendigkeit zu fehlen, wirken sie trotz aller zeichnerischer Anstrengung immer leicht hölzern.

 

Was Bec überaus gut gelingt, ist sein Spiel mit unterschiedlichen Perspektiven und Einstellungen in der Konzeption seiner Panels. Immer wieder wechselt er zwischen normalen Ansichten hin zur Perspektive aus Überwachungs- oder Kontrollkameras, deren Bilder grün oder rot eingefärbt sind. Aus halbnahen Einstellungen vertieft er sich in Details, die dem Leser aus dem Hintergrund manches Panels in riesiger Vergrößerung vor Augen stehen. So entsteht für den Leser ein sich langsam einsetzendes Maß an „Suspense“, die sehr geschickt inszeniert ist. Auch nutzt er die verschiedenen Farbgebungen geschickt aus, um eine jeweils unterschiedliche Atmosphäre zu erzeugen, die an Bedrohlichkeit stets zunimmt.

 

Ein ganz besonderes Highlight dürfte sicherlich der zeichnerische Einschub mit Texten aus dem Roman von Bulgakow sein, der durch seine filigrane Eleganz besticht und gänzlich auf Farben verzichtet.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Der Splitter Verlag bietet dem Käufer mit seinem großformatigen Hardcoverband eine qualitativ hochwertige Verarbeitung, die durch ihre solide Verarbeitung überzeugt. Hier stimmen die Farben, die Druckqualität und die Bindung.

Auf der Innenseite gibt es zu Beginn eine Zusammenstellung der Akteure der Einheit, die einem Ausdruck aus Akten nachempfunden ist, so dass man sich bei den handelnden Personen als Leser besser zu recht findet. Ansonsten wird in diesem Band auf weitere Extras verzichtet. Die Übersetzung aus dem französischen stammt wiederum von Resel Rebiersch und lässt sich angenehm lesen.

 

Fazit:

Handwerklich gibt sich dieser erste Band der Reihe sicherlich makellos, entwickelt er doch einen sehr ruhigen, charakterbetonten Anfang, dem man sich dank der gelungenen Bilder von Bec nur schwerlich entziehen kann. Allerdings liegt hierin auch eine Schwäche dieses Auftaktbandes, da zwar eine bedrohliche Atmosphäre mit einer düsteren und beklemmenden Grundstimmung aufgebaut wird, man es aber vergessen hat irgendwann den Schwung zu berücksichtigen, der den Leser mitreißt. Und so trifft man hier trotz der Anwesenheit von gestandenen Marines auf einer gefährlichen Mission auf einen üppigen Action-Overkill mit rasantem Erzählfluss, sondern erst einmal auf ein psychologisch recht geschickt inszeniertes Szenario.

 

Man muss sich als Leser auf diesen Band einlassen und ihn unter Umständen vielleicht auch mehrfach lesen. Nicht das er voller versteckter Hinweise und einer tieferen Bedeutung sein, aber das erzählerische Geschick von Richard Marazano bedarf einiger Zeit um sich zu entfalten. Insbesondere bin ich mir noch nicht sicher, welche Bedeutung der bekannteste Roman des russischen Schriftstellers Michail Bulgakow und ein Klassiker der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts in diesem Szenario hat. So bin ich trotz dieses teilweise enttäuschenden Bandes dennoch auf die Fortsetzung gespannt und hoffe meine Meinung noch ändern zu können, da die Grundlagen des Szenarios eigentlich zu stimmen scheinen und neugierig auf die weitere Entwicklung machen.