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Die Straße zur Hölle
Bewertung:
(2.3)
Von: Moritz Mehlem
Alias: Glgnfz
Am: 20.01.2012
Autor:Isolde und Harald Popp
Typ:Abenteuer
System:Midgard
Setting:Midgard
VerlagVFSF / Dorifer
ISBN/ASIN:978-3-924714-35-2
Inhalt:63 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

Inhalt

(Vorsicht Spoiler!!!)

Das Cover gefällt mir spontan. Im Hintergrund haben wir eine leicht asiatisch geprägte Abenteurergruppe vor einer beeindruckenden Bergkulisse, die in ein orange-farbenes Licht getaucht ist. Für sie unsichtbar, aber für den Betrachter im Vordergrund stehend, erkennt man einen richtig fiesen Ork, der sein Krummschwert schon in Vorfreude darauf zu streicheln scheint, die Menschen mal so richtig zu zerfleischen. Gut, so stelle ich mir den Weg zur Hölle vor.

 

Den ersten „Zusammenstoß“ mit einem „interessanten“ Humor hatte ich dann direkt auf der Seite mit den Danksagungen, denn man soll „Die Straße zur Hölle“ am besten mit der Musik von „EhSiDiSi“ genießen. Okaaaaaay. Das ist schon „velly witzy“. (Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass „Road to Hell“ von Chris Rea ist und das Abenteuer nicht „Autobahn in die Hölle“ heißt...

 

Auf ebendieser Seite findet sich dann noch die Inspiration für das Abenteuer - „“Die Räuber vom Lang Schan Moor“. Das hört sich schick an, aber bisher muss ich noch ein wirklich gutes Abenteuer sehen, das auf einem Stück Prosa basiert – zu oft fällt da den Autoren nicht viel mehr ein, als die Eisenbahnmethode, um die schöne Geschichte auch in all ihrer Pracht erzählen zu können.

 

Der AC/DC Gag zieht sich dann leider durch den ganzen Abenteuerband, die Schläger AuWei und GauDi, sowie die Anführerin der Banditen GeiEWaLi stehen nur stellvertretend für etliche potentiell witzige Anspielungen in den „verasiatischten“ Namen.

 

Ich als Old-School-Sack bin aber dann spätestens mit dem schnörkellosen Zweispaltenlayout und den dezenten, aber passenden Karten und Illustrationen versöhnt. Doch warte! Ist das da eine weibliche Brustwarze auf S. 38?!? Ich bin schockiert? Midgard, DAS hätte ich nun nicht von dir gedacht.

 

Genug gelästert – kommen wir zum Inhalt. Nun, der ist schnell zusammengefasst (leider viel zu kurz zu Beginn des Abenteuers, wo eine gröbere Übersicht wichtig gewesen wäre): Die Helden verdingen sich für die Transporteurgilde und bringen eine Kiste der Witwe Wu XiWangMu von PadKuChung nach KuenKung.

 

Nach der Anwerbung werden die Abenteurer mit Hilfe eines wahren par force-Ritts durch ein interessantes Setting mit interessanten Charakteren und Begegnungen gepeitscht. Auch auf Prosa-Ebene liest sich das Werk wirklich gut. Der lineare Aufbau erlaubt es nämlich problemlos, das Abenteuer wie einen Roman von vorne bis hinten durchzulesen.

Spielergruppen, denen das Ausspielen ihrer Charaktere, interessante, teils fast schon abgefahrene Begegnungen und Settingtourismus mehr liegen, als die Freiheit, das Leben ihrer Figuren selbst zu bestimmen, werden dieses Abenteuer schätzen und viel Spaß haben, aber der geneigte Rezensisonenleser dürfte ja wissen, was ich davon halte, den Abenteuerochsen am Nasenring durch das Leben zu zerren.

 

So gibt es einige Merkwürdigkeiten, die mich neben dem linearen Aufbau etwas stören – beispielsweise wird dem Leser (also dem Spielleiter) der Eindruck vermittelt, als würde im Laufe des Abenteuers die Zeit knapp. Es gibt allerdings keine Regeln wie schnell die Reise vonstattengehen könnte und an keiner Stelle haben irgendwelche Entscheidungen einen Einfluss darauf, ob es pünktlich zum Showdown kommt, oder nicht. Schade, denn ein knackiger Zeitdruck, der regelmechanisch umgesetzt wird, wäre hier ein eindeutiger Gewinn gewesen.

Sehr nervig (aus Spielleitersicht) finde ich vorzulesende Dialoge oder Gespräche. Das nervt immer unfassbar und ist fast genauso unnötig wie Abenteuerelemente, in denen sich Spielleiterfiguren unterhalten ohne dass die Spielerfiguren eingreifen können.

Wo wir schon bei Vorlesetexten sind – hier gibt es sogar einen mit einem Klammertext. Prima. Wie – bitte sehr – lese ich denn eine Klammer vor? Geniale Idee.

Auch gibt es an vielen Stellen kleinere Lücken, wo das Abenteuer völlig (selbst im Rahmen des Geschilderten) anders weiterlaufen könnte, aber es gibt keine Informationen dazu, wie sich der Spielleiter dann zu verhalten hat. Exemplarisch sei hier genannt, dass die Gruppe mit dem ihnen „zugelaufenen“ Buchhalter – später selbst ernannter Räuberanwärter – SuSchen in Gasthäusern eincheckt und dieser am nächsten Tag immer für eine Person mehr bezahlen muss, was er auf seine Schusseligkeit schiebt. Jede Abenteurergruppe, die auch nur halbwegs ambitioniert ist, wird doch herausfinden wollen, wer sich ihnen da unauffällig anschließt und vermutlich eine Falle stellen oder Ähnliches, hier aber wird einfach später aufgeklärt was da los war und wer die Gruppe verfolgte.

Auch bin ich auf zwei klassische „deus ex machina“-Stellen gestoßen. Einmal sollen laut Plan alle Figuren vergiftet werden, aber kurz bevor es ihnen ans Leder geht, kommt die strahlende Heldin und errettet sie aus größter Not. Schnarch!

 

Für mich persönlich ist es ein No-Go, aber hier funktioniert es recht gut – Nebenfiguren werden permanent mit der Gruppe geschickt und sorgen sowohl dafür, dass die Handlung vorangetrieben wird und spielen komische und mysteriöse Sidekicks.

Da hätten wir zuerst das Maultier LuTse, mit dem es mehr auf sich hat, als man auf den ersten Blick denkt, den Buchhalter-Schrägstrich-Räuberanwärter SuSchen und die geheimnisvolle KenTsenFen.

 

… aber ich bin fast noch gar nicht auf die eigentliche Handlung eingegangen.

Nun, wie schon gesagt, ist die Ausgangsposition, dass die Abenteurer einen scheinbar simplen Job der Transporteursgilde annehmen. So geht es per Schiff zum Turnier von ChuLongMen, wo es fast schon obligatorisch ist, dass eine der Figuren das Schwertkampfturnier gewinnen muss, was ein Jahr lang den Titel „Schneidteufel“ einbringt und im weiteren Verlauf des Abenteuers immer wieder Türen öffnet. Den Palast des Fürsten QiLingHu muss man dann überstürzt verlassen, aber es zeigt sich immer mehr, dass der Auftrag nicht so einfach ist, wie er zu Beginn erschien. Über Umwege geht es von den Räubern zur Sumpfhexe und zur Gruft der Tsching. Von der schon angesprochenen Räuberhauptfrau Geierwally geht es dann in die Purpurgoldhöhle, wo endlich auch die titelgebende Hölle auf uns wartet.

Der Showdown ist aus meiner persönlichen Sicht auch ein ziemlicher Reinfall. Klar, man kann ihn sicher toll erzählen und es gibt sicher so manch denkwürdigen Moment, aber das entschuldigt nicht, dass es etliche Aktionen oder „Nicht-Aktionen“ der Spielerfiguren gibt, die das Abenteuer sofort ohne Erfolg beenden.

 

Fazit:

Besonders viel Positives lässt sich nicht hervorheben. Die Begegnungen des Abenteuers folgen wie auf der Perlenkette aufgereiht ohne die Möglichkeit, ihnen zu entgehen. Ebenso wie der eigentliche Held des Abenteuers (das vermeintliche Prunkschwert der Witwe Wu XiWangMu) ist auch der Humor des Autorenpaars ein eher zweischneidiges Schwert und es schleicht sich doch so manche Merkwürdigkeit ein. Auf der Haben-Seite finden sich interessante, aber leider größtenteils komplett durchgescriptete, Begegnungen, die auch für höhergradige Figuren interessant sind und oft eher rollenspielerisch als mit wüstem Geschnetzel „gelöst“ werden können.

Steht man also auf System und Setting, mag das Abenteuer interessant sein, Steht man aber auf die Freiheit seine Figur tun zu lassen, was auch immer sie tun möchte, wird man schon beim Vorbereiten des Abenteuers oft die Haare raufen.