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Spherechild 2.0 - Grundregelwerk
Bewertung:
(4.7)
Von: Sven Lange
Am: 27.05.2012
Autor:Alexander Hartung
Typ:Grundregelwerk
System:Spherechild, 2. Edition
VerlagSpherechild Verlag
ISBN/ASIN:290 Seiten, Hardcover
Inhalt:290 Seiten, Hardcover
Preis:39,90 EUR
Sprache:Deutsch

 

Vor etwa 5 Jahren habe ich die erste Edition von Spherechild rezensiert. Schon damals begeisterte mich die Idee, dass man Abenteuer über mehrere Welten hinweg spielen kann. Die erste Version hatte aber noch ein paar Haken und Lästigkeiten. Auch das Layout und die Auswahl der Zeichnungen waren nicht immer gut. Soweit vorweg, die zweite Edition hat einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Was da in knapp 300 Seiten reingepackt wurde, ist beeindruckend. Aber der Reihe nach.

 

Layout

Das Titelbild von Mia Steingräber gefällt mir gut. Die weißen Bücher der ersten Ausgabe waren auch hübsch, aber dafür findet man auf der Rückseite des Buchs ein paar Hinweise, was einen erwartet. Das wurde damals kritisiert. Das Innen-Layout des Hardcovers ist gelungen. Einige Zeichnungen wurden noch aus der ersten Ausgabe übernommen, aber man hat viele schlechte der 1. Edition, z.B. die vergrößerten Länder Valcreons, weggelassen und um ein paar neue, ausschließlich hervorragende Zeichnungen ergänzt. Das Seitendesign ist stimmig und erfüllt die Ansprüche, die ich an ein modernes RPG-Produkt habe. Grobe Fehler beim Layout, fehlende Tabellen oder falsch kopierte Abschnitte gibt es keine. Alles in allem sehr stimmig.

 

Kapitel 1 – Regeln

Schon in der ersten Edition waren die Regeln mit unter 100 Seiten angenehm kurz. Das hat sich auch in der zweiten Edition nicht geändert, nur wurden die Regeln spürbar verbessert. Kaum ein Bereich wurde nicht angefasst und ausschließlich zum Vorteil. Ein paar Beispiele:

* Die Fertigkeiten wurden deutlich verkürzt. Die Trennung allgemein und sphärenspezifisch wurde aufgehoben. Nerviges Blättern entfällt.

* Es gibt viel weniger Tabellen, ohne dass man etwas vermisst.

* Die Waffenmanöver wurden erweitert und verbessert. Musste man früher noch kompliziert rumrechnen, so beherrscht man jetzt ein Manöver, wenn man es gelernt hat und Schluss. Kombinations- und waffenunabhängige Manöver ermöglichen viele Arten des Kampfs. Schon beim ersten Lesen sind mir zig Kampfstil-Ideen für meinen Dieb gekommen. Daumen hoch dafür.

* Bei einem der stärksten Kapitel von Spherechild, der freien Magie, wurde nur wenig angefasst, aber ein wenig Balancing bei den Werten betrieben, was gerade bei den Schadenszaubern wichtig war.

* Soziale Konflikte (Diskutieren, Handeln etc.) wurden mit aufgenommen.

 

Die Proben sind denkbar einfach und bekannt. Man würfelt 1W20+Fertigkeitswert, entweder gegen einen Zielwert (Mindestprobe) oder den Wert einer anderen Person (vergleichende Probe). 1 ist ein schwerer Fehler, 20 ein besonderer Erfolg. Das wird einigen alten Hasen ein müdes Gähnen hervorlocken, aber Spherechild setzt diese Regeln sehr gut ein. Alles geht schnell und leicht von der Hand.

Dinge wie „Routine“ (der Charakter kann einfache Dinge, ohne dass er würfeln muss), Ausprägungen (eine Art Spezialisierung) und Meisterausprägungen (würfeln mit 2W20 und das besserer Ergebnis zählt), bereichern das Spiel.

Positiv will ich da die Waffenausprägungen nennen, die das Individuelle einer Waffe herausstellen. Diese unterstützen jeden Kampfstil – die Waffe, die den höchsten Schaden macht, muss nicht die wirkungsvollste sein, wenn man seinen Kampfstab oder den waffenlosen Kampf richtig einzusetzen weiß.

 

Kapitel 2 – Sphärenkinder

Das kurze Kapitel beschreibt das Schicksal der Charaktere, ihr Schicksal als Verteidiger der Sphäre, auf der sie leben. Hierzu gehören die Kräfte der Sphärenkinder (und die Nutzung der Kraftpunkte), eben jene Talente, die sie von den Normalsterblichen abheben.

Gelungen sind die Gruppenkräfte, ein Talent, das die ganze Gruppe zusammen beherrscht. Hierzu gehört bspw. das Tauschen von Aussehen innerhalb der Charaktere oder die Gruppentelepathie.

In Kapitel 2 wird erklärt, wie die Sphärenkinder miteinander kommunizieren können und was sie von ihren „Geschwistern“ wissen.

 

Kapitel 3 – Valcreon

Die Fantasywelt Valcreon besticht durch die Abwesenheit von Elfen, Zwergen und Orks, ohne das Fantasy-Flair zu verlieren. Magie ist ein wesentlicher Teil des Lebens und zahlreiche Rassen tummeln sich auf dem Hauptkontinent. Es gibt genug Konflikte, Mysterien und unerforschte Gebiete für Abenteuerideen.

Die Beschreibung Valcreons ist vollständig. Es gibt einen Überblick über die Geschichte, eine Übersicht der Länder und eine Vielzahl an Rassenbeschreibungen. Fünf Rassen wurden zu Spielerrassen ausgearbeitet. Diese können mit 10 Professionen kombiniert werden, die recht allgemein gehalten sind aber spezialisiert werden können. Es gibt zum Beispiel bei den Magiern Kampfmagier, Illusionisten, Bewahrer oder Späher. Bei den Priestern ist die Wahl des Gottes prägend.

Den Professionen folgt ein ausführliches, abwechslungsreiches Bestiarium mit Gegnern unterschiedlichster Stärke. Nach der Götterwelt führt das erste Szenario die Gruppe in ein von Unglücken heimgesuchtes Dorf, welches sich aber als perfide Verschwörung herausstellen wird.

 

Kapitel 4 – Icros

Während die Fantasy-Welt Valcreon noch einige bekannte Elemente enthält, gerät man bei Icros in eine völlig neue Welt. Von der Entwicklungsstufe etwa in unserem Jahrhundert angesiedelt, ist jeder Charakter eine sogenannter Wandler, ein durch Genmanipulation veränderter Mensch.

Die ganze Geschichte:

Etwa zur Zeit der industriellen Revolution kamen die außerirdischen Ekla nach Icros. Sie versklavten die Bevölkerung und zwangen sie zum Rohstoffabbau. Da die Ekla mit der Atmosphäre des Planeten Probleme hatten, vollzogen sie genetische Experimenten an der Bevölkerung. Es entstanden fünf „Wandler“, Kreaturen, die eine andere Form annehmen konnten, die sie zu Überwesen machte. Unverwandelt waren sie aber nicht von den anderen Menschen zu unterscheiden. Irgendwann schlugen die Bewohner zurück und vertrieben die Ekla. Zurück blieben die Wandler, die jetzt plötzlich die Gejagten waren.

Heute, mehr als 150 Jahre später, gibt es immer noch viele Wandler. Sie müssen sich immer vorsichtig bewegen und genau überlegen, wann sie ihre Kräfte einsetzten, aber sie haben sich gut organisiert und mit ihrer Situation arrangiert. Eigentlich stehen die Zeichen auf Versöhnung, aber es mehren sich die Anzeichen, dass die Ekla zurück nach Icros kommen wollen und die Wandler zu ihren Lakaien machen.

Icros ist erfrischend neu und bietet genug Möglichkeiten für einzelne Abenteuer, wie auch einen Metaplot, der keine Wünsche offen lässt.

Auch hier ist die Welt vollständig, mit Geschichte, Weltbeschreibung, Rassen, Professionen, Bestiarium und einführendem Abenteuer.

 

Kapitel 5 - Sphären, Sphärenkinder und Vhoort

Das Kapitel bietet Hintergrund zu den Sphären und deren Verbindung zu ihren Kindern sowie deren Erzfeinde den Vhoort. Hier findet man eine der Perlen von Spherechild, die Echos. Greift ein Vhoort auf die Geschehnisse einer Sphäre ein, so kann sich dieser Eingriff auch auf andere Sphären auswirken. Je mehr der Vhoort wütet, umso schlimmer sind die Auswirkungen. Die Erklärung ist ausführlich und hat mich schon beim ersten Mal das Prinzip verstehen lassen. Echos sind eine Methode, wie man welten-/sphärenübergreifende Abenteuer erschafft. Die Tipps zur Abenteuererschaffung werden im Beispielabenteuer „Selbstmordattentate“ gleich angewendet.

 

Kapitel 6 – Die Saat

Die Saat ist ein Hintergrundkapitel.

Die Vhoort haben sich irgendwann entschlossen, die Sphären nicht mehr direkt anzugreifen, sondern die dunklen Kräfte auf den Sphären zu unterstützen. Auf Valcreon gaben sie den Kelgharen (Jünger eines Chaosgottes) übermächtige Artefakte. Auf Icros stärkten sie die EN7 mit Super-High-Tech. EN7 sind von den Ekla genetisch veränderte Menschen, die (ebenfalls bei der Flucht der Ekla zurückgelassen) alles tun, um die Ekla wieder zurück auf Icros zu holen. Im Gegensatz zu den Wandlern können sie keine andere Gestalt annehmen, aber dafür sind sie superintelligent und einflussreich.

Kapitel 6 wird jedem Kampagnenplaner die Freudentränen in die Augen treiben. Es ist ein wesentlicher Vorschritt zur ersten Edition. Das Schema der Abenteuer damals war zu ähnlich. Ein Vhoort kam auf eine Sphäre, machte Ärger und wenn die Sphärenkinder seine Pläne durchkreuzt haben, war Schluss. Dieses Kapitel bringt Langfristigkeit hinein und ermöglicht somit auch das längere Spielen auf einer Sphäre ohne die Story aus zu hebeln.

 

Kapitel 7 – Charaktererschaffung

Die Charaktererschaffung ist übersichtlich und unspektakulär, aber sehr durchdacht. Es gibt eine kurze Version für erfahrene SL’s (ungefähr 20 Zeilen) und eine ausführliche für Spherechild-Anfänger (2 Seiten). Hierin integriert sind auch einige wenige Tabellen und eine Fertigkeits-Übersicht, die viel Blättern vermeiden. Ein paar Tipps zur Charakterbeschreibung und zur Schaffung erfahrenerer Charaktere schließen das Kapitel ab.

 

Kapitel 8 – Anhang

Der Anhang macht Vorschläge, wie man Spherechild leitet, vorbereitet und wie man eigene Sphären in das Universum integriert. Ein ausführliches Stichwortverzeichnis, ein Spielleiter-Notizbogen und der Charakterbogen schließen das Buch ab. Wer kopieren lästig findet, kann die Dokumente auch von der Homepage laden.

 

Fazit

Klare Kaufempfehlung. Im großen Markt der Rollenspiele hat Spherechild noch eine unbesetzte Nische gefunden. Manche mögen Rifts, TORG oder TRI rufen, aber Spherechild hat die Idee der Multi-Universen konsequent (und besser) weiterentwickelt und so eine einzigartige Möglichkeit geschaffen, Welten zu kombinieren und Abenteuer über Weltengrenzen hinweg zu spielen.

Die Regeln taugen als Universalregeln, so dass Addons (vor allem neue Welten) nichts im Weg steht.

Der ersten Edition habe ich die Note 4,7 gegeben. Damals bewertete ich Spherechild als Fanprodukt. Der Großteil der Punkte war für die neue Idee. Die zweite Edition messe ich nach Profi-Maßstäben, aber meine Wertung bleibt unverändert - 4,7 ist verdient. Spherechild ist kein vierfarbiges Hochglanzwerk hat aber ein sauberes lesbares Layout. Inhaltlich ist das Buch erste Sahne und eine Bereicherung. Ich freue mich schon auf den ersten Kampagnenband, der für den Oktober angekündigt ist.

 

 

 

Die Spherechild-Website bietet einige Infos zum Spiel und zu kommenden Veröffentlichungen. Wer neugierig geworden ist, sollte sich das Introheft in der reichhaltigen download-Sektion ansehen.