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Steam Noir 2 - Das Kupferherz
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 21.11.2012
Autor:Verena Klinke (Autor) und Felix Mertikat (Zeichner)
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Steam Noir
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-038-5
Inhalt:64 Seiten, Hardcover
Preis:16,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Eine verschwundene Kinderleiche, der undurchsichtige Chirurg Dr. Presteau, der sich der Erforschung mechanischer Organe verschrieben hat, eine wiedergekehrte Seele, die sich seit Jahren der Festsetzung entzieht, und ein Herz aus Kupfer, das im Zentrum aller Geheimnisse zu stehen scheint - ein Fall, der den Januskoogener Bizarromanten Heinrich Lerchenwald und sein Leonardsbund-Team, den beseelten Maschinenmenschen Richard Hirschmann und die Tatortermittlerin Frau D, in ein Geflecht aus Lügen, Intrigen und Manipulationen reißt.

 

Zu Beginn des zweiten Bandes gibt es für den Leser ein wahrlich überraschendes Wiedersehen mit dem Protagonisten Landsberg. Aber das Rätsel um diesen Auftritt wird nicht gelöst und der Leser auf die Geschehnisse einige Tage zuvor vertröstet.

 

Im Haus des Dr. Presteau stoßen Heinrich Lerchenwald und Frau D auf Leander, eine Seele, die sie scheinbar verfolgt und beobachtet. Doch der beherzte Versuch von Frau D Leander zu verfolgen und zu stellen führt geradewegs ins Nichts und lediglich zu einem zerrissenen Abendkleid und zu einer anderen neuen Bekanntschaft. Insgesamt führt die scheinbar vermeintliche Spur zu Dr. Presteau auch zu keinen neuen Erkenntnissen, aber die Geschehnisse der folgenden Tage machen Lerchenwald deutlich, bei seinen Ermittlungen auf etwas sehr ungewöhnliches gestoßen zu sein. Nicht nur der Fund eines Geheimlabors und eines entstellten Mensch-Maschine-Hybriden, der wiederum in Beziehung zu Dr. Presteau steht gehören dazu, sondern auch die eigene Bedrängnis, die Heinrich Lerchenwald durch den Leonardsbund erfahren muss, der seine von ihm entwickelte Waffe für ihre eigenen Zwecke und nicht für Forschungszwecke einzusetzen beginnt. Eine Intrige von ungeheurem Ausmaß scheint das Ermittlerteam immer mehr zu umfangen, aber Lerchenwald lässt nicht locker und macht schließlich eine weitere bestürzende Entdeckung.

 

Schreibstil & Artwork:

In der Reihe „Steam Noir“ hat sich einiges getan, da Benjamin Schreuder als Autor und Szenarist ausgestiegen ist. Diese Position hat nunmehr Verena Klinke eingenommen. Eigentlich wollte Verena Klinke nach ihrem Abitur 2009 Regisseurin werden, merkte bei einem einjährigen Praktikum an der Filmakademie Baden-Württemberg aber ziemlich schnell, dass ihr Herz eher für das Schreiben von Geschichten schlägt. Weil ihr ein begonnenes Studium der Germanistik und Anglistik zu theoretisch war, arbeitet sie als freie Autorin. In „Steam Noir“, ihrem ersten Comicprojekt, hat sie gleichzeitig ein Herzensprojekt gefunden. Von Beginn an begleitet sie „Steam Noir“ und betreute es zeitweilig redaktionell als Lektorin beim Cross-Cult-Verlag.

 

Wer also meint, hier habe man einen unbedarften Nachfolger eingesetzt, den muss ich enttäuschen. Da Verena Klinke bereits sehr früh in den Entstehungsprozess des gesamten Szenarios eingebunden war, ist für den Leser kein Bruch in der Konzeption der Geschichte oder der Personen zu spüren. Da das komplette Konzept mit Felix Mertikat gemeinsam entwickelt wurde, steht der grobe Handlungsrahmen, der von Verena Klinke hervorragend mit Leben gefüllt und zum Teil auch überzeugend weiterentwickelt wird. Und so gibt es in diesem Band ein noch weitaus höheres Maß an detaillierter Ausarbeitung und Formsprache der Protagonisten.

 

Der Zeichenkünstler und Maler Felix Mertikat wurde 1983 in Esslingen bei Stuttgart geboren. Nach dem Abitur hat er sich erst einmal als Biologie-Student versucht, sich jedoch dann nach einem einjährigen Praktikum in einer Werbeagentur dafür entschieden, an der Filmakademie Baden-Württemberg sein Glück zu versuchen. Während seiner Studienzeit hat er als Illustrator für verschiedene Projekte und Verlage gezeichnet (Call of Cthulhu, Shadowrun, DSA, Snickers, etc.) und 2008 sein eigenes Rollenspiel „Opus Anima“ auf den Markt gebracht. „Jakob“ war seine erste Comic-Veröffentlichung. Derzeit baut er zusammen mit Autorenkollegen Benjamin Schreuder und weiteren kreativen Partnern die Crossmedia-Agentur „ZEITLAND“ auf, für die er weitere Graphic-Novel-Projekte in Planung hat.

 

Konnte schon der erste Band der Reihe durch seinen modernen und zum Teil recht innovativen Bildaufbau, der niemals aufdringlich wirkt überzeugen, so scheint es, als habe Mertikat in diesem Band noch einmal in seiner Ausführung nachgelegt. Die Panels sind zwar weiterhin modern aufgeteilt, aber die Führung durch den Seitenaufbau ist nunmehr absolut intuitiv und nur selten muss man überlegen, wo man weiterlesen soll. Ähnliches gilt für die Anordnung der Texte, die sich nicht nur in reinen Sprechblasen erschöpfen, sondern in kompletten Dialogen, für die normalerweise weitaus mehr Einstellungen notwendig gewesen wären. Hier wird geschickt mit den Möglichkeiten jongliert, die technischen Errungenschaften der Welt in wunderbar ausgearbeiteten Bildern fast beiläufig präsentiert und auch die Kolorierung wirkt jetzt wesentlich ausgeglichener und stimmiger.

 

Um die Arbeit an der Reihe zu beschleunigen und um mehr Zeit für seine eigentliche Arbeit zu haben, nahm Mertikat für die Kolorierung die Dienste des Künstlers und Illustrator Jakob Eirich in Anspruch. Geboren 1985, lebt und arbeitet Jakob Eirich in Salzgitter. Schon früh begann er sich fürs Malen und Zeichnen zu begeistern und wuchs mit amerikanischen, französischen und japanischen Cartoons und Comics der 1990er sowie dem Wunsch auf, beruflich in diese Richtung zu gehen. Mit diesem Ziel vor Augen und einer darauf ausgerichteten Ausbildung erlangte er 2009 schließlich einen Abschluss in Grafik Design an der Hochschule für angewandte Wissenschaften und Kunst (HAWK) in Hildesheim. Danach machte er sich selbstständig. Seitdem arbeitete er für verschiedene Firmen in den Bereichen Werbung und Computerspiele. Darunter an Projekten wie „Siedler 7“, „Anno 2070“ und fast im Alleingang, was Illustration und 2D-Art angeht, an dem Piratenspiel „Pirates of Black Cove", sowie an vielen anderen kleineren Produktionen.

 

Nunmehr ein Teil des Teams um „Steam Noir“ versucht er die phantastische Welt von Felix Mertikat mit seiner Koloration ein kleines Stück lebendiger und aufregender zu gestalten, als sie eh schon ist. Vorherrschende Farbtöne sind dabei gedecktes Braun und Grüntöne, welche trotz aller phantastischen Elemente das Gefühl von Landleben und heiler Welt vermitteln. Allerdings gibt es noch viel mehr zu entdecken, als nur eine gelungene Farbkomposition der Hintergrundbilder. So spielen Farben in den Panels immer eine wichtige Rolle – egal ob es sich um das betont rote Kleid von Frau D handelt oder das unterschwellig komponierte schwarz-rot-gold, welches dem Leser das Gefühl vermittelt, es nicht nur mit deutschen Namen zu tun zu haben, sondern auch mit einer Handlung, die in Deutschland angesiedelt ist.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Sachen Qualität kann sich auch der zweite Band dieser Reihe von Cross Cult auf jeden Fall sehen lassen, besticht er ebenfalls durch seine schon äußerlich überaus ansprechende Umschlaggestaltung und einen Klappentext auf der Rückseite, der seinem Namen alle Ehre macht. Neben der einwandfreien Verarbeitung erwartet den Leser ein kurzes Porträt des Autoren- und Zeichnerteams im Vorsatz, als auch durch ein einwandfreies Druckbild auf hochwertigem Papier.

 

In Sachen Ausstattung bekommt man in diesem Band einiges geboten. In den „Appendices“ bekommt man einen Einblick in die Gestaltung der Kleidung und Outfits von „Steam Noir“ durch Sammy the Scissors, der Designerin des Labels „Redcat 7“, ein Interview von Tobias Wengert (dem Initiator und Leiter des Dragon-Days-Fantastik-Festivals in Stuttgart) mit Verena Klinke, die Entstehung einer Seite vom Drehbuchtext, über das Storyboard bis hin zur fertigen Seite, als auch noch eine Galerie mit Illustrationen von Jakob Eirich, David Boller, Tobi Dahmen und Naomi Fearn zum Thema „Steam Noir“

 

Fazit:

Nicht ganz zu Unrecht schreibt das Rolling Stone Magazine, Felix Mertikat sei ein Hoffnungsträger der deutschen Comicszene. Hat er mit der Veröffentlichung von „Jakob“ einen beträchtlichen Achtungserfolg in der Szene hingelegt, so scheint es, als wolle er nunmehr mit der Reihe „Steam Noir“ eine weitere sorgfältig inszenierte, aber auch gezeichnete Geschichte abliefern, die sein handwerkliches Können unterstreicht.

 

Insgesamt kann man auch den zweiten Band der Reihe nur uneingeschränkt empfehlen, bietet er doch ein düsteres und stimmungsvolles Bild einer alternativen Steam-Punk-Welt, die nicht nur mit skurrilen Ideen und phantastischen Bildern aufwarten kann, sondern auch mit einem sehr gut konzipierten Szenario, welches über dem Durchschnitt liegt und mit wirklich neuen und unverbrauchten Ideen aufwarten kann. Ich bin sehr gespannt, wie das Szenario sich weiterentwickelt und war zugleich verblüfft als auch erfreut zu hören, dass die Reihe nunmehr auf insgesamt vier Bände konzipiert wurde. So gibt es auf jeden Fall noch mehr Lesevergnügen und für den Rollenspieler, der die Welt von „Opus Anima“ kennt, noch etliches an Inspiration.