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Black Sails over Freeport
Bewertung:
(4.7)
Von: Alex Lorenz
Am: 13.02.2004
Autor:Brian E. Kirby, Robert Lawson, William Simoni und Robert J. Toth
Typ:
System:D20 v3.5
Setting:Freeport
VerlagGreen Ronin Publishing
ISBN/ASIN:1-932442-07-3
Inhalt:256 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

Black Sails over Freeport

Mit „Black Sails Over Freeport“ (im Folgenden kurz „BSOF“) geht eines der beliebtesten Kampagnensettings der letzten Jahre in eine neue Runde. Die Piratenstadt Freeport war schon Schauplatz mehrerer Abenteuer und Quellenbücher aus dem Hause Green Ronin, die überwiegend von sehr guter Qualität sind.

BSOF soll nun gleich mehrere Probleme in der Produktreihe beheben. Zum einen schließt dieses Mega-Abenteuer die (Stufen-) Lücke zwischen der Freeport-Trilogie und deren Nachfolger „Hell in Freeport“. Zum anderen gab es noch nie ein größeres Freeport-Abenteuer, in dem es hauptsächlich um Piraten ging – eigentlich eine Schande. Doch all das soll nun Geschichte sein, denn BSOF ist da.

BSOF ist ein 256-Seiten-Softcover und somit immerhin dicker als vergleichbare Mega-Abenteuer aus dem Hause Wizards of the Coast. Das Titelbild ist von Wayne Reynolds und ist tatsächlich eher irreführend, was die Handlung anbelangt. Gut aussehen tut es allemal, und das alleine zählt. Innen erwarten uns zahlreiche Illustrationen in schwarzweiß, die qualitativ allesamt doch sehr ordentlich daherkommen. An den Karten gibt es nichts auszusetzen, und die enthaltenen Handouts erfüllen ihren Job.

Strukturell ist BSOF in drei Akte unterteilt, die jeweils nach Handlungsabschnitten und Örtlichkeiten weiter aufgeteilt sind. Am Ende eines jeden Abschnitts finden sich übrigens Anregungen für handlungsbasierte Erfahrungspunkt-Boni und –Abzüge. Diese sind jedoch meiner Meinung nach mit Vorsicht zu genießen, da teilweise der Eindruck entsteht, dass die Spieler für bestimmtes, im Prinzip zulässiges Verhalten bestraft werden sollen.

Das wahre Highlight ist jedoch der Schreibstil des Abenteuers. Passend zur Thematik und in bester Freeport-Tradition sprüht der Text vor trockenem Humor und Insiderwitzen in Form von Filmzitaten und ähnlichem, so dass die Lektüre dieses Abenteuers schon ein Vergnügen für sich ist.

BSOF folgt den überarbeiteten Regeln der 3.5E und ist für vier Charaktere der sechsten Stufe entworfen.

Zur Handlung: Im Mittelpunkt von BSOF stehen die Bemühungen eines Kultes, den schrecklichen Piraten-Halbgott Yarash aus seinem Exil zu befreien. Ganz recht, sowas hatten wir schon mal (man denke an die Freeport-Trilogie oder auch RttToEE). Dennoch gelingt es den Autoren, BSOF ein eigenes Leben einzuhauchen, was auch an den einzelnen Subplots liegt: die Orks von Freeport begehren unter einem starken Führer auf, Elfen und Barbaren überziehen die Gegend mit Krieg, und eine überaus hartnäckige Piratin macht der Gruppe das Leben schwer. Business as usual in Freeport also.

Alles beginnt mit einem Gnom, der den Charakteren eine mysteriöse Seekarte in die Hand drückt. Von hier an entfalten sich die Geschehnisse mit halsbrecherischem Tempo: Straßenschlachten, mordlüsterne Kultisten,  Drogenhöhlen, fiese Piraten, rätselhafte Geheimnisse, ein Angriff auf einen Tempel, ein grausamer Mord, ein pistolenschwingender Chefkultist mit Inhalationsgerät, ein Besuch auf den Gefängnisschiffen, eine mörderische Verfolgungsjagd durch die Straßen von Freeport, ein geheimer Tempel und ein gewaltiger Sturm – und das alles im ersten Akt!

Danach finden sich die Helden im Hell's Triangle wieder, wo vier mysteriöse Inseln der Untersuchung harren. In diesem Hauptteil des Abenteuers müssen die Charaktere einige Artefakte von diesen Inseln bergen, um den Kultisten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Allerdings ist jede der vier Inseln unter der Kontrolle von je einem besonders mächtigen (und inzwischen untoten) Diener von Yarash.

Hier kommt der Punkt, an dem sich möglicherweise die Geister scheiden werden: Nach dem durchgehend grandiosen ersten Akt wirkt der Zweite eher statisch; zudem wurden einige der Inseln bewusst albern und parodistisch gestaltet; überdeutliche Referenzen zu „Planet der Affen“, „Fluch der Karibik“, „Die Insel des Dr. Moreau“ und „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ inklusive. BSOF nimmt sich selbst in diesem zweiten Akt noch weniger ernst als es für ein Freeport-Abenteuer normal wäre, und das dürfte nicht jedermanns Sache sein.

Andererseits finden sich auch hier wieder großartige Ideen und Szenen: Ob die Charaktere nun aus einem einstürzenden Komplex flüchten müssen oder die Gedankenwelt eines egozentrischen Freibeuters erforschen – nichts hier ist 08/15. Und am Ende wartet die Mutter aller Piratenschätze auf die Überlebenden...

Im dritten Akt schließlich spitzen die Ereignisse sich standesgemäß zu: Offener Krieg herrscht in den Straßen und im Hafen von Freeport, und mittendrin erscheint (trotz aller Bemühungen der Helden) der Avatar von Yarash und will besiegt werden. Viel Arbeit also für die Charaktere, und die Betonung in diesem dritten Akt liegt auf „Action“, „Hektik“, und, ähm, „Action“. In den Händen eines fähigen Spielleiters hat der dritte Akt von BSOF das Zeug zum Meilenstein einer jeden Kampagne.

 

Fazit:

BSOF ist eine bunte Wundertüte von einem Abenteuer, und der kurze Abriss der Handlung im Rahmen dieser Rezension wird den vielen Wendungen, Handlungssträngen und Komplikationen von BSOF nicht ansatzweise gerecht. Zudem hat es, wie alle Abenteuer der Reihe, eine gesunde Mischung aus Interaktion, Mysterien und natürlich bester „Swashbuckling Action“ zu bieten und ist somit deutlich im Vorteil gegenüber den WotC-Schlachtplatten „Return to the Temple of Elemental Evil“ und „City of the Spider Queen“ (dürfte dafür aber auch in kürzerer Zeit durchgespielt sein). Für den etwas zähen, etwas schrägen zweiten Akt gibt es einen leichten Punktabzug, aber unterm Strich ist BSOF ein gigantischer Spaß für jeden Freeport-Fan, jeden, der Piraten mag, und auch für jeden, der mal wieder ein richtig gutes Abenteuer spielen will. Yarrrr!