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Die Janus-Gesellschaft
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 02.05.2013
Autor:Stefan Droste, Peer Kröger, Christoph Maser, Daniel Neugebauer und Sebastian Weitkamp
Typ:Quellen- und Abenteuerband
System:H.P. Lovecrafts Cthulhu
Setting:Geheimgesellschaft
VerlagPegasus Spiele
ISBN/ASIN:978-3-941976-52-8
Inhalt:206 Seiten, Hardcover
Preis:34,95 EUR
Sprache:Deutsch

Der äußere Eindruck

Die Umschlag-Konzeption bzw. das Design des vorliegenden Band des neuen Bandes stammt von Ralf Berszuck und Francois Launet. Etwas ungewohnt für treue Leser und Spieler, die sich über viele Jahre hinweg an das düster-innovative Design von Manfred Escher gewohnt hatten und nunmehr eine recht blasse und nicht unbedingt ansprechende Aufmachung serviert bekommen, wie man sie vielleicht von Produkten kennt, die in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts auf der Höhe der Zeit waren. Außer dem gewohnten Schriftzug „Cthulhu“ ist eigentlich nichts von dem bisherigen Flair übrig geblieben. Doch sollte man ein Buch niemals nach seinem Umschlag beurteilen, da mir ein schicker Einband als Spielleiter auch nicht weiterhilft.

 

Das Innenleben des Bandes von rund 200 Seiten gestaltet sich in gewohnter und erwarteter Manier in Schwarz-Weiß. Ein Blick auf die Innenseite bietet sowohl im vorderen als auch im hinteren Vorsatzblatt jeweils eine Weltkarte mit den Standorten der einzelnen Fakultäten der Janus-Gesellschaft. Die Texte im Band sind durchgehend zweispaltig im Aufbau und mit sinnvoll hervorgehobenen Überschriften versehen. Symbolisierte Reiter auf der linken Seite geben beim Blättern einen schnellen Überblick, welche im Quellenteil nicht unbedingt hilfreich sind, bei den Abenteuern aber gute Dienste leisten.

 

Ergänzt werden die Texte durch zeitgenössische Fotografien, zusätzliche Informationskästen mit Werten von Nichtspielercharakteren und natürlich Karten von Örtlichkeiten als auch Handouts. Dabei sind die Illustrationen von Thorsten Hübner insgesamt passend auf die Texte abgestimmt, auch wenn die Grundrisse von Gebäuden zum Teil ziemlich nüchtern in ihrer Aufmachung sind. Die optische Qualität der Handouts, die Marc Hermann gestaltet hat, kann sich sehen lassen. Auch hier werden den Spielern möglichst authentisch gestaltete Hinweise geboten. Einen Index am Ende des Bandes vermisse ich ein wenig, hier hilft alleine das gut strukturierte und ziemlich umfangreiche Inhaltsverzeichnis bei der Suche.

 

Zu meiner großen Freude handelt es sich bei dem Inhalt dieses Band um eine ausschließlich deutsche Eigenproduktion, zu deren Autoren einige bekannte Namen des Genres gehören: Stefan Droste, der von mir hochgeschätzte Peer Kröger, Christoph Maser, Daniel Neugebauer und Sebastian Weitkam, der zudem für die redaktionelle Abwicklung zuständig war. Die Qualität der Texte ist gut und sie lassen sich allesamt ziemlich flüssig und nachvollziehbar lesen. Zudem hat das Lektorat gute Arbeit geleistet, so dass es von mir keine groben Schnitzer im Text zu vermelden gibt. Hier zeigt sich wieder einmal deutlich: Es müssen nicht immer Übersetzungsarbeiten amerikanischer Produkte sein.

 

Der Inhalt

Ein Vorwort von Sebastian Weitkamp gibt dem Leser als erstes einen Überblick über den Inhalt und die Verwendung des Bandes, ist die Janus-Gesellschaft doch weitaus mehr als eine Ansammlung von verrückten Esoterikern, die sich nebenbei vielleicht auch dem Cthulhu-Mythos widmen. Mit der Janus-Gesellschaft bietet sich die Möglichkeit eine Geheimgesellschaft für die eigene Runde zu nutzen, deren Mitglieder sich sowohl der Wissenschaft als auch der Erforschung des Okkultismus in all seinen Formen verschrieben haben. Die Janobiten und ihr Aufbau mit den weltweit verstreuten Fakultäten dienen dabei als wiederkehrender Bezugspunkt für die Spieler, die selbst Mitglied dieser Gemeinschaft sind und sich somit Motivationsprobleme für Charaktere mit gänzlich unterschiedlichen sozialen Hintergründen einfacher lösen lassen, da die „Janus-Gesellschaft“ als verbindendes Element diese Charaktere unweigerlich mit einem logischen und plausiblen Hintergrund zusammenführt. Unter dieser Prämisse sollte zumindest der Quellenteil gesehen werden, bei dem es letztlich auch die Vorlieben des Spielleiters sind, wie viel die Charaktere über den inneren Aufbau der „Janus-Gesellschaft“ wissen oder ob sie einfach nur das aktive Clubleben genießen und Freundschaften zu gleichgesinnten Mitgliedern pflegen. Zudem gibt es einen kurzen Überblick, über die drei im Band enthaltenen Abenteuer.

 

Kapitel 1 – Die Geschichte der Janus-Gesellschaft von den Anfängen bis in die 1920er Jahre

Den Einstieg macht das Kapitel über die Ursprünge und die Entstehung der „Janus-Gesellschaft“, die bis in das Jahr 1683 zurückreicht, als sich osmanische Truppen anschicken, die Stadt Wien zu erobern. Hier treffen Friedrich Graf von Bredow und der junge Baron von Sternberg aufeinander, deren Schicksal von der Rettung wertvoller alten Bücher und anderen Kunstwerken handelt, die aus der belagerten Stadt herausgeschafft werden müssen. Recht umfangreich und detailliert erfährt man alles wissenswerte über die Gründung der eigentlichen „Janus-Gesellschaft“, den Aufbau der ersten Fakultäten und die beginnende Expansion der Gesellschaft, die sich anschickt ihr Wissen zu mehren und dabei auch nicht vor illegalen Mitteln zurückschreckt. Aber auch einige andere Facetten werden beleuchtet, zu denen unter anderem Baron von Sternberg gehört, der 1739 starb, dessen Geist allerdings weiterhin nicht unerheblichen Einfluss in der Gesellschaft hat. Mit dem Neuanfang der Gesellschaft in Nachkriegszeit endet der Abschnitt und man besitzt ein ziemlich umfassendes Bild über Akteure, Skandale und die Entstehung der weltweit verstreuten Fakultäten.

 

Kapitel 2 – Humanitas & Scientia

Den Gedanken der Aufklärung verpflichtet ist der Leitspruch “Humanitas & Scientia” (Menschlichkeit und Wissenschaft) das prägende Element für den Umgang der Janobiten sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Gesellschaft. Durch ihre Neugier, weiterführendes Wissen und neue Erkenntnisse zu erlangen, werden auch umstrittene Gebiete wie Psychologie, Okkultismus und Naturheilkunde erforscht. Dies spiegelt sich auch im Codex der „Janus-Gesellschaft“ wieder, deren fünf Tugenden wie folgt lauten: Rechtschaffenheit, Nächstenliebe, Gleichheit, Eintracht und Verschwiegenheit.

 

Die einzelnen Abschnitte dieses Kapitels beleuchten eine ganze Reihe von Details, die für manche Runden von wichtiger Bedeutung sein können, egal ob es sich um den Initiationsritus zur Aufnahme in die „Janus-Gesellschaft“ handelt, bestimmte äußere Erkennungszeichen, die jedem Mitglied zu eigen sind und die man kennen sollte bis hin zum Ablauf von bestimmten Zeremonien, egal ob es sich um Sitzungen, Konvente oder zur Gerichtsverhandlung kommt, wenn beispielsweise beabsichtigt wird einen Janobiten aus der Gesellschaft auszuschließen.

 

Welche unterschiedlichen Grade und Farben des Wissen es innerhalb der „Janus-Gesellschaft“ gibt erfährt man ebenso, wie welche Ämter man in den Fakultäten bekleiden kann. Und auch innerhalb der Gesellschaft gibt es zwei interne Geheimbünde, von deren Existenz nur einige wenige Mitglieder wissen und die im Hintergrund ihre Kämpfe gegeneinander führen.

 

Ausführlich vorgestellt werden die drei Hochmeister der Gesellschaft nebst spieltechnischen Werten als auch eine Reihe von Dekanen aus wichtigen größeren Fakultäten. So gibt es für den Spielleiter einige Anhaltspunkte, wie man solche Akteure in einer Runde darstellen sollte, aber auch genug Freiheit, um die „unteren“ Ränge mit eigenem Leben zu füllen.

 

Natürlich hat die „Janus-Gesellschaft“ sowohl Freunde als auch Feinde. Der gleichnamige Abschnitt gibt einen Überblick über die Freimaurer, die Ritter des Armaggedon, den Ordo Teutonis, die Thule-Gesellschaft und die Bruderschaft der fließenden Zeit. Leider ist dieser Abschnitt in seinen Ausführungen recht knapp gehalten, so das man im Zweifel selbst recherchieren muss, wenn man bestimmte Aspekte eingehender im Spiel beleuchten möchte.

 

Kapitel 3 – Fakultäten

Die Stützpunkte der „Janus-Gesellschaft“ werden Fakultäten genannt. Von diesen existieren weltweit in den 1920er Jahren fünfzehn Einrichtungen, von denen die meisten in Europa liegen. Die Fakultäten dienen vornehmlich als Verwaltungseinrichtungen, in denen alle zwei Jahre rituelle Feiern stattfinden, neue Mitglieder aufgenommen werden und sich die zusammengetragenen Bibliotheken mit meist wertvollen Inhalt befinden. Mitunter werden in den Fakultäten auch wichtige Artefakte, okkulte Gegenstände oder Waffen verwahrt. Zudem gibt es in einigen Einrichtungen gut ausgestattete Laboratorien für die unterschiedlichsten Zwecke.

 

In diesem Kapitel werden die insgesamt 15 Fakultäten vorgestellt, wobei deren Custos und der jeweilige Majordomus mit kurzen biographischen Anmerkungen versehen worden sind, man aber auf konkrete spieltechnische Werte verzichtet hat. So geht es dann Abschnitt für Abschnitt von Europa über Nord- und Südamerika nach Asien, Ozeanien bis hin nach Afrika. Interessant sind unter anderem die teilweise ausgewiesenen Feinde der jeweiligen Fakultät als auch Personen von besonderer Bedeutung, die in gesonderten Texten vorgestellt werden. Beeindruckt war ich aber auch von den Mitgliederzahlen, die in Potsdam bei 700 und sogar noch im weit entfernten Peking bei 80 Janobiten liegt.

 

Nach den rund 80 Seiten des Quellenteiles widmet sich der zweite große Teil des Bandes auf rund 120 Seiten drei recht unterschiedlich konzipierten Abenteuern, die in den 1920ern in Deutschland angesiedelt sind und ganz nach Geschmack auch zu einer kompletten Kampagne aufgebaut werden können.

 

Kaisergeburtstag

Das erste Abenteuer „Kaisergeburtstag“ von Christoph Maser führt die Charaktere im Januar 1924 nach München, wo sie ohne es zu wissen von der Janusgesellschaft rekrutiert werden und in einen Machtkampf zwischen zwei Magiern geraten. Der Einstieg ist dabei relativ offen gestaltet, wobei die Charaktere allerdings bereits über erste Erfahrungen mit dem Cthulhu-Mythos verfügen sollten.

 

Während die erste Hälfte des Abenteuers eher kriminalistische Ermittlungen erfordert, so gibt es doch eine Wendung bei den Nachforschungen der Charaktere als ihr Kontaktmann durch ein Attentat schwer verletzt wird und sie nunmehr gezwungen sind, ein Rätsel zu lösen, welches sich vor 7 Jahren in einem Mädcheninternat abspielte. Ausgestattet mit einem recht fulminanten Ende, eignet sich dieses Abenteuer sicherlich sehr gut als Einstieg der Charaktere in die verborgene Welt der „Janus-Gesellschaft“.

 

Das schreiende Haus

Das zweite Abenteuer „Das schreiende Haus“ stammt von Peer Kröger und führt die Charaktere in den Taunus. Direkt zu Beginn gibt es vom Autor eine Warnung, da neben der „Janus-Gesellschaft“ auch mehrere Mythos-Fraktionen in diesem Abenteuer auftauchen und schnell der Eindruck entstehen kann, das Abenteuer könne mit seiner Vielzahl an unerklärlichen Ereignissen und Geheimnissen schlicht und ergreifend überfrachtet wie ein typischer „Pulp“-Roman zu sein.

 

Die Suche nach einem verschwundenen Janobiten führt die Charaktere nach Wackenbrunn, wo sie schon bald auf einige dunkle Geheimnisse stoßen, seltsame Dinge geschehen und der Wahnsinn sich Bahn bricht. Zudem bekam das Abenteuer seinen Titel nicht von ungefähr und die Essenz eines einzigartigen Schoggothen, der tief verborgen unter der Erde liegen sollte, sorgt für weiteres Unheil. Wem dieses Abenteuer zu überladen sein sollte, dem werden allerdings auch einige brauchbare Hinweise gegeben, wie man den „Pulp“-Charakter reduzieren kann. Für mich mit seiner Konzeption und gerade durch den gehörigen Schuss „Pulp“ auf jeden Fall ein Leckerbissen unter den angebotenen Abenteuern.

 

Zwillingswelten

Stefan Droste und Daniel Neugebauer haben sich in dem Abenteuer „Zwillingswelten“ Burg Rieneck als Schauplatz auserkoren, wo alljährlich die deutsche Cthulhu-Convention stattfindet. Doch selbst wem dieser Ort nicht bekannt sein sollte, der dürfte mit diesem Abenteuer sicherlich seine Freude haben.

 

Die Charaktere nehmen an einem privaten Treffen der „Janus-Gesellschaft“ auf Burg Rieneck teil, wo sie insgeheim dazu missbraucht werden Teil eines Rituals zu werden, welches zwei unterschiedliche Dimensionen miteinander vereinen soll, um zwei blasphemische Wesenheiten zu vereinen. Durch einen Zauber werden alle Teilnehmer des Rituals in eine andere Dimension getauscht und befinden sich dann praktisch in einer „falschen“ Version von Rieneck wieder, die mehr einer alptraumhaften Spiegelwelt ähnelt, die von grausigen Monstrositäten bevölkert ist. Jetzt liegt es an den Charakteren die Beschwörung der beiden Wesenheiten zu vereiteln und irgendwie ihre Flucht aus der verkehrten Dimension zu bewerkstelligen.

 

Fazit:

Für Spielleiter, die sich immer wieder recht schwer damit tun höchst unterschiedliche Charaktere in ihrer Runde zu einer Gruppe zu formen, könnte sich dieser Quellenband als wahrer Glücksgriff entwickeln. Mit seinen zum Teil neutral gehaltenen Aussagen, seinen Zielen und seiner Verbundenheit dürfte es wesentlich leichter sein, deren Charaktere, die zugleich Mitglieder der Gesellschaft sind, zur Zusammenarbeit in immer wieder neuen Fällen und Ermittlungen zu bewegen. Zumal es sich ja um eine Gesellschaft handelt, die nicht in erster Linie den Geheimnissen des Cthulhu-Mythos auf der Spur ist, sondern sich unter anderem auch der Erforschung der Grenzwissenschaften widmet. Insofern ein Baukasten, aus dem man beliebig Elemente nutzen kann oder aber auch, wenn es denn notwendig ist, das komplette Innenleben der Gesellschaft vollends in sein Spiel aufnehmen kann. Puristen mag dies abschrecken, aber es dürfte sicherlich eine ganze Reihe von Runden geben, die mit der „Janus-Gesellschaft“ gut zurecht kommen dürften. Wie man die Charaktere allerdings konkret in die „Janus-Gesellschaft“ bekommt muss man ein Stück weit zwischen den Zeilen lesen – hier ist die Phantasie des Spielleiters und der Spieler gefragt.

 

Die drei Abenteuer sind durchwegs gut konzipiert und auch der etwas „pulpige“ Stil in dem Abenteuer „Das schreiende Haus“ von Peer Kröger zeigt deutlich den Mut zu Innovationen, wie man sie, wenn auch in anderer Form, in der „Der Hexer von Salem“ kennen lernen konnte. Vor dem Hintergrund einer Mitgliedschaft in der „Janus-Gesellschaft“ dürfte auch der Einstieg in das jeweilige Abenteuer nicht sonderlich schwerfallen. Wie bereits erwähnt, kann man diese zwar auch zu einer Kampagne miteinander verknüpfen, doch dies ist letztlich Geschmackssache.

 

Insgesamt also ein gelungener Quellen- und Abenteuerband, der allerdings mit seiner Konzeption nicht alle Cthulhu-Spieler ansprechen dürfte. Wer weiterhin seinen Spieler das gänzlich eigene und unerwartet kosmische Grauen bieten möchte, der dürfte mit der „Janus-Gesellschaft“ unter Umständen seine Probleme haben, gibt es doch zu viele „einfache“ Lösungen die über die „Janus-Gesellschaft“ geregelt werden können. Ansonsten auf jeden Fall eine inhaltlich überzeugende Arbeit eines deutschen Autorenteams, die wieder einmal zeigt, das man nicht immer einfach nur übersetzen muss, sondern auch den Mut besitzt, etwas eigenständiges zu präsentieren.