Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Das Erwachen der Runenherrscher
Bewertung:
(4.0)
Von: Jan Wysocki
Alias: Grashüpfer
Am: 14.07.2013
Autor:Wolfgang Baur, Stephen S. Greer, James Jacobs, Nicolas Logue, Richard Prett, Greg A. Vaughan
Übersetzer:Jan Enseling
Typ:Abenteuer
System:Pathfinder
Setting:Golarion
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-285-7
Inhalt:429 Seiten, Hardcover
Preis:59,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

(evtl. Vorsicht Spoiler!!!)

 

Rise of the Runelords war 2007 von Paizo als sechsteilige Abenteuerserie für D&D 3.5 konzipiert worden. Aber wer hätte geahnt, was Paizo für einen Erfolg mit ihrer Welt Golarion haben würden? Schon bald folgten weitere Abenteuerpfade und schließlich erschien 2009 das offizielle Grundregelwerk für das neue Pathfinder Roleplaying Game, das in vielen Kreisen D&D als beliebtestes Rollenspielsystem ablösen sollte. Und nun, nach fünf Jahren, pünktlich zum Jubiläum, kommen auch deutschsprachige Pathfinder-Runden in den Genuss einer übersetzten Ausgabe des Klassikers.

 

Diese Rezension ist dafür gedacht, einen kurzen Einblick in den Band, das Abenteuer, die Zusatzmaterialien, die deutsche Übersetzung und schließlich die Veränderungen zum originalen Abenteuerpfad zu geben. Für eine detaillierte Besprechung der Handlung der einzelnen Abenteuer möchte ich auf die Rezensionen der englischen Originale verweisen. Mir liegt die PDF-Version des Bands vor, deshalb kann ich auch keine Informationen zu Bindung und Papierqualität geben. Nach diesem Vorgeplänkel geht es auf zur Verlorenen Küste im Land Varisia und in das Dorf Sandspitze, wo alles Unheil seinen Lauf nehmen sollte…

 

 

Aufmachung

 

Das 420-seitige Buch erstrahlt in vollen, satten Farben, bietet auf fast jeder zweiten Seite eine Illustration in sehr guter Qualität und geizt nicht mit Karten von Landstrichen, Städten, Gebäuden oder den obligatorischen Dungeons. Ab und an entdeckt man sogar Briefe, Tagebucheinträge oder ähnliche Spielmaterialien, die man den Spielern kopieren und aushändigen kann, was das Mitten-drin-Gefühl des Abenteuers erhöht. Die Schrift ist zweispaltig auf jeder Seite (zwar mit etwas kleinen Buchstaben aber dennoch ganz gut lesbar) angeordnet und wird von den erwähnten Illustrationen durchbrochen. Die NSC- und Monsterwerte sind gewohnt Pathfinder-typisch in Kästen aufbereitet, die in den Fließtext integriert sind, und mit den wichtigsten Infos über Angriffe, Verteidigungen, Taktiken und sonstige Spielwerte übersichtlich versehen.

Es macht großen Spaß auch einfach nur so durch das Buch zu blättern und sich von den Bildern und Überschriften der Kapitel und Unterkapitel inspirieren zu lassen. Ein Genuss für die Augen ist es allemal. Die Lektüre ist also niemals trocken, sondern bindet den Leser gleich in das Abenteuer ein.

 

 

Abenteuer (und SPOILER!)

 

Die gesamte Kampagne ist in sechs Kapitel unterteilt, so wie der originale Abenteuerpfad in sechs Büchern daherkam.

Was Das Erwachen der Runenherrscher meisterlich beherrscht, ist die tolle Meta-Handlung, deren Hauptelemente man in jedem der sechs Abenteuer auf unterschiedliche Weisen präsentiert bekommt. So spinnt sich ein logisches Netz über den gesamten Kampagnenverlauf. Für den SL wird vieles davon schlüssig erscheinen, da im Kampagnenverlauf immer wieder auf bereits Geschehenes zurückgegriffen wird. Das wichtigste immer wiederkehrenden Motive ist natürlich die Sihedron-Rune – das Symbol des untergegangenen Reichs Thassilon. Dieses Symbol zum Hauptkennzeichen des Metaplots zu machen, ist eine sehr clevere Idee. Die SC begegnen dem Stern schon im ersten Abenteuer, ahnen aber nicht, was es damit noch auf sich haben wird. Die Helden finden dort das Symbol als Zeichen in längst verfallenen Gewölben des Thassilonischen Reichs. Dabei stellen sie eine vage Verbindung zu einer rachsüchtigen ehemaligen Bewohnerin des Städtchens Sandspitze her, die dem ersten Kapitel als Oberschurkin dient. Im nächsten Abenteuer müssen sie feststellen, dass ein Mörder seinen Opfern dieses Zeichen in die Haut ritzt. Nachdem sie in der nächstgrößeren Stadt Magnimar einem Mörderkult auf die Schliche gekommen sind, besiegen sie eine Lamia, eine manipulative Schlangenfrau, die das Symbol ebenso verwendet. Das alles spielt sich noch in einer Region ab. Wenn aber im dritten Abenteuer viele Tagesreisen vom Ursprungsschauplatz entfernt das Symbol gleichzeitig bei einem inzestuösen Ogerstamm und einem Großteil der Bevölkerung des Ortes Schildkrötenfähre auftaucht, müssten die Spieler ahnen, dass sie einem größeren Übel auf der Spur sind. Erst im vierten Abenteuer erfahren die SC, was wirklich hinter dem Ganzen steckt, wenn sie den unerwarteten Vormarsch der Riesenstämme auf das Land Varisia untersuchen wollen. Nach dem Endkampf mit dem Riesen Mokmurian eröffnet sich schließlich der ganze Plot.

Der siebenzackige Stern ist nämlich ein Symbol der Runenherrscher des untergegangenen Imperiums Thassilon. Karzoug, seines Zeichens Runenherrscher der Gier, ist nach tausenden von Jahren durch Zufall vom Steinriesen Mokmurian aus seinem magischen Schlaf geweckt worden. Der Runenherrscher machte den Riesen zu seinem Gehilfen und beauftragte ihn und andere böse Wesen sein Erwachen und seinen Aufstieg zu beschleunigen. Dazu braucht er die Seelen gieriger Individuen. So sollen seine Helfer in das Land Varisia gehen und unbedarfte Opfer finden, deren Seelen reif sind, geerntet zu werden. Um an diese gierigen Seelen zu kommen, müssen die Opfer freiwillig oder unfreiwillig mit dem Sihedron gekennzeichnet werden. Die SC müssen Karzougs Aufstieg verhindern, indem sie sich in eine alte Ruine Thassilons begeben, um ihre Waffen mit der geeigneten Macht auszurüsten, um Karzoug zu stoppen. Im letzten Kapitel finden die SC nach einiger Suche die legendäre Stadt Schin-Xalast und stellen Karzoug.

 

Über die ganzen Abenteuer hinweg bleibt es immer spannend, den Motivationen der NSC und langsam aber sicher der übergeordneten Handlung auf die Schliche zu kommen. Schon im ersten Abenteuer stolpern die Spieler nur so über verschrobene NSC, an die man sich schnell erinnert und die die Handlung mit Leben füllen. Vor allem Sandspitze ist mit Liebe zum Detail gestaltet. Die folgenden Abenteuer sind auch darauf ausgelegt, dass die Helden eine Beziehung zu Sandspitze aufbauen und es gerne immer wieder vor Goblins, untoten Mördern oder Steinriesen retten. Dabei helfen die kleinen Geschichten und schön aufbereiteten Motivationen der NSC des Städtchens. Insgesamt sind die wichtigen NSC in den meisten Kampagnenabschnitten sehr gut ausgearbeitet, was durch die gelungenen Illustrationen der Charaktere verstärkt wird.

Bei all dem Detailreichtum und der hervorragenden Ausarbeitung der Charaktere, des Plots, der besuchten Landstriche, bleibt aber die Kritik, dass es sich beim Erwachen der Runenherrscher um doch sehr klassische Fantasykost handelt. Wir haben den mächtigen erweckten Zauberer, der die Welt mit Hilfe seiner Diener unterjochen will, ein kleines zu beschützendes Städtchen und allerlei Anderes, das man schon ach so oft in anderen Kampagnen und Abenteuern gelesen hat. Außerdem muss gesagt werden, dass diese Kampagne dem vorausgesetzten Pfad des Plots doch recht strikt folgt. Das ist natürlich sehr nachvollziehbar – kaum eine Kampagne ist auf multiple Enden oder zumindest unterschiedliche Handlungsstränge ausgelegt. Aber etwas traurig stimmt es doch schon, dass man nicht wenigstens ab und zu versucht, eine Zusammenführung von dramatischer Handlung und einem Sandbox-Stil zu erreichen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau und eine eher allgemeine Kritik an Kaufbenteuern. Freunde einer klassischen und nicht gerade sehr innovativen aber auf jeden Fall spannenden und toll durchdachten Handlung werden hier aber meisterlich bedient!

 

 

Vergleich zum Original

 

An Änderungen zum Original gibt es einiges zu bemerken. Viele Illustrationen wurden durch neue ersetzt, um einen mehr oder weniger einheitlichen Stil zu wahren. Das finde ich persönlich etwas schade, da mir die ursprünglichen Bilder sehr gut gefallen haben. Die Figuren waren viel kantiger und „schräger“ gezeichnet und fielen sehr angenehm aus dem üblichen Fantasy-Rahmen. Aber was soll’s: die jetzigen (professionelleren) Bilder machen auch was her und untermalen die Handlung einen Tick besser. Die Kämpfe wurden an das Pathfinder-Regelwerk angepasst und die Gegner werden in der schon erwähnten, schön geordneten Kastenform im Fließtext präsentiert. Einige Begegnungen wurden erweitert und durch neue NSC angereichert. Die fügen sich gut in den Gesamtzusammenhang und füllen kleinere Lücken in der Story. Das sorgt dafür, dass sich die Handlung noch lebendiger anfühlt.

Schade ist, dass die Informationen aus dem Appendix um einiges beschnitten wurden. Wo man sich früher noch über das untergegangene Reich Thassilon informieren konnte (das im Verlauf der Kampagne eine große Rolle spielen wird), muss man in der neuen Ausgabe darauf verzichten. Auch die Monstereinträge sind geschrumpft – man verweist häufig auf das Pathfinder-Monsterhandbuch I und II und muss somit öfter in verschiedenen Büchern blättern, um die Monsterwerte vor sich zu haben. Die größeren Gegner haben alle eigene Statblöcke und die meisten Gegner mit Klassenstufen ebenso. Kleinere Gegner hingegen muss man in den erwähnten Monsterbüchern suchen – schade, aber verständlich. So ein Mammutwerk füllt von sich aus schon viele Seiten aus, sodass man versucht hat, Platz zu sparen. Würde man nämlich alle sechs ursprünglichen Abenteuerbände zusammenpacken, käme man auf 600 Seiten. Die eingesparten 180 Seiten müssen dann schon also irgendwoher kommen. Ebenso fallen die Kurzgeschichten, die man früher am Ende des Bandes gefunden hat, der Kürzung zum Opfer. Man sieht also, dass sich die Designer dafür entschieden haben, der Handlung und allem, was für das eigentliche Kernabenteuer wichtig ist, den Vorzug zu geben und das meiste an Zusatzinformation zu wegzulassen.

Der Übersetzung muss man ein Lob aussprechen. Der Text ist durchweg flüssig zu lesen und bietet beides: Verständlichkeit und Atmosphäre. Der SL bekommt alle wichtigen Infos sauber und klar aufbereitet und hat gleichzeitig seine Freude am Lesen der Hintergrundinformationen. Ich habe mich oft dabei wiedergefunden, wie ich von der Handlung hineingezogen wurde und bei jeder coolen Idee überrascht war.

 

 

Fazit:

Bei einem Preis von knapp 60 € muss man es sich schon zwei Mal überlegen, ob man wirklich so viel Geld für eine Kampagne bezahlen will. Das muss jede Gruppe für sich selbst entscheiden. Aber wenn man dann durch das Buch blättert und sich auf die Abenteuer vorbereitet, weiß man, dass man etwas großes in Händen hält (oder vor sich auf dem Bildschirm sieht, im Fall einer PDF). Diese Kampagne macht nicht alles perfekt: Innovativ ist was anderes und nicht jeder mag an der Hand durch eine eingleisige Kampagne geführt werden. Außerdem braucht der Metaplot einige Kapitel, um wirklich von den Spielern durchschaut zu werden. Lässt man sich aber darauf ein, bekommt man spannende, von der Atmosphäre sehr unterschiedliche Abenteuer mit gut ausgearbeiteten NSC, einer durchdachten Handlung, tollen Schauplätzen und natürlich dem Gefühl, immer größere Taten zu vollbringen.

Das Erwachen der Runenherrscher ist für mich eine Kampagne, die alles vereint, was D&D ausmacht und Altbewährtes in geschliffener Form präsentiert. Wer Innovationen und ungewohnte Ideen sucht, seine eigene Geschichte in einem Sandkasten-Setting erschaffen will und genug von ausgelutschten Fantasy-Klischees hat, lässt die Hände von diesem Band (und schaut sich die neueren Paizo-Abenteuerpfade an). Allen anderen sei das Buch aber wärmstens ans Herz gelegt.