Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Traveller - Hephaistos
Bewertung:
(4.2)
Von: Moritz Mehlem
Alias: Glgnfz
Am: 21.07.2013
Autor:Sebastian Witzmann
Typ:Abenteuer
System:Traveller
Verlag13Mann Verlag
ISBN/ASIN:978-3-941420-60-1
Inhalt:24 Seiten, Broschüre mit Hardcover-Umschlag
Preis:9,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

(Vorsicht Spoiler!!!)

Erster Eindruck: Cool! Das Cover zeigt die Silhouette eines Raumschiffs und erst auf den zweiten Blick fallen die Tentakel auf, die von ihm ausgehen. Ein Raumschiff mit Tentakeln macht schon mal Laune – das ist der Piraten-Clown-Zombie-Ninja des Space-Genres, würde ich mal sagen.

Aber nicht nur die Zeichnung macht Spaß – das Abenteuer fühlt sich auch einfach gut an. Im Stil der alten TSR-Abenteuermodule gibt es ein dünnes Heftchen, das nicht mit dem Umschlag zusammengetackert ist, sodass man es entnehmen und sinnvoll damit arbeiten kann. Anders als die Abenteuer aus den 80ern ist dieser Umschlag aber noch aus stabiler Pappe. An seiner Innenseite befinden sich alle wichtigen Bodenpläne und der Übersichtsplan über das riesige Raumschiff-Ungetüm, so dass man den Umschlag als Mini-Spielleiterschrim verwenden kann und immer alle wichtigen Informationen direkt vor Augen hat. Clever gemacht – und es fühlt sich echt gut an, denn die Pappe macht ordentlich was her und dürfte auch einen wütend geschleuderten oder gerollten W100 aufhalten können.

 

Bevor wir in medias res gehen, sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass es sich bei diesem Abenteuer um ein nativ deutsches Produkt handelt. Sebastian Witzmann hat es direkt für 13Mann geschrieben und wenn man auf dem Cover genau hinsieht, erkennt man, dass unter dem „Traveller“-Logo noch ein kleiner Schriftzug „kompatibles Produkt“ prangt, was bedeutet, dass es kein „offizielles Mongoose“-Produkt ist, sondern ein vom Lizenznehmer produziertes, das aber den Segen des Herausgebers hat.

 

So! Mit was haben wir es hier nun zu tun? Das kleine Heftchen präsentiert ein riesiges – und ich meine WIRKLICH RIESIGES Raumschiff der Andarianer, das havariert ist und nun so manchen Glücksritter anzieht, der sich hier eine goldene Nase mit dem Ausschlachten der Alien-Technologie verdienen will. Viel Glück dabei, denn das Schiff ist nicht so leer, wie es zuerst den Anschein hat.

 

Wie präsentiert der Autor uns dieses gewaltige Schiff? Zuerst gibt es einen kurzen einleitenden Text zum Leiten des Abenteuers. Hier möchte ich den Rat unterstreichen, das ganze Heft gründlich zu lesen, bevor man sich ans Leiten macht. Ich habe die ersten 3 Schiffs-Abschnitte mit meiner Gruppe gespielt und schon zu diesem frühen Zeitpunkt war es wichtig, den großen Überblick immer im Hinterkopf zu behalten.

Anschließend gibt es allgemeine Informationen zum Schiff, zu den Andarianern und ihren Technologien.

Der größte Abschnitt befasst sich mit dem Aufbau der Hephaistos. Bevor es aber an die einzelnen Abschnitte geht, werden auf drei Seiten „Kleinigkeiten“ beschrieben, die im Spiel aber tatsächlich wirklich wichtig sind, da sie den Hintergrund präzisieren, wie beispielsweise die verschiedenen Schotte, Aufzüge oder Schleusen im Schiff. Das finde ich sehr gut gelöst und um mal die Analogien zur Fantasy weiterzuführen: Vor die Beschreibung jedes guten Dungeons gehört einfach die Information wie der durchschnittliche Raum, die durchschnittliche Tür oder die durchschnittliche Wand aussieht.

Die einzelnen Segmente werden jeweils exemplarisch vorgestellt: Brücke, Astronomie, Genetik, Botanik, Wohneinheit, Quantenforschung, Hangar, Exogenetik, KI, Maschinenraum. Von jedem Segment gibt es einen Bodenplan und die wichtigsten Informationen, jeweils auch gleich mit dem Hintergrund verwoben.

Ich will hier nicht ins Detail gehen, aber wer eine „eigenwillige“ KI und frei herumrennende fleischfressende Affen erwartet, wird perfekt bedient werden…

Anschließend werden 3 potentielle Auftraggeber vorgestellt, die als Einstieg ins Abenteuer dienen können. Finde ich auch wieder elegant gelöst, denn so ist schon der Anfang des Abenteuers variabel und jede Gruppe wird anders an das Abenteuer herangehen. Ich hatte meinen Spielern den fiesen Piraten Cpt. Jack Dozer vorgesetzt und ich bin sicher, dass sie, wenn wir bei Gelegenheit mal weiterspielen, noch viel Spaß mit dem hundsgemeinen Seebären (Sagt man das im All?) haben werden.

Im Weiteren gibt es kurze Hintergründe und Spielwerte für weitere Fraktionen, die es auch auf die Hephaistos abgesehen haben, denn es geht ja bekanntlich nichts über einen gesunden Wettkampf. So können es die Charaktere mit dem Piraten Captain Montgomery oder den imperialen Kräften unter Führung von Lieutenant Charles I. Brown zu tun bekommen.

Neben diesen Konkurrenten gibt es aber auch noch Ereignisse, die der fiese Spielleiter seiner Gruppe auf den Hals hetzen kann. Dieser Abschnitt ist mir etwas zu kurz geraten, da hätte ich als SL gerne noch mehr „Ereigniskarten“ in der Hand gehalten – vielleicht sogar in Form einer mit dem W66 auswürfelbaren Zufallsereignis-Tabelle.

Anschließend werden drei Andarianer-Technologien mit Hintergrund und Werten versogt: das IMP (eine Art Smartphone-Trikorder), die KI des Schiffes, Andarianische Drogen und den Ikaros – ein hochentwickeltes Andarianerraumschiff mit Ionenantrieb, von dem man im Hangar der Hephaistos sogar noch ein funktionierendes Exemplar finden kann.

Abschließend werden wir noch mit einer halben Seite Infos zu den Andarianern versorgt, für den Fall, dass die Gruppe sich an ihnen festbeißt und weitere (Folge-)Abenteuer mit dieser Alien-Rasse erleben möchte und eine weitere halbe Seite beschreibt die geheime „Abteilung U3“ des Imperialen Kolonialamtes, die sich schon lange mit den Andarianern befasst. Die finde ich persönlich ja sehr interessant – bei Bedarf werde ich die mal weiter ausbauen und als zusätzliche Fraktion an Bord des Schiffes schicken, um den Boden unter den Füßen meiner Gruppe noch etwas heißer werden zu lassen.

 

Daran, dass ich bisher noch nicht über das Lektorat gelästert habe, kann man erkennen, dass da nicht allzu viel falsch gelaufen sein kann – mal abgesehen davon, dass die Seitenverweise „XXX“ leider noch im Text stehen und nicht umgewandelt wurden, aber dafür ist natürlich der Layouter zuständig, da ist der arme Lektor unschuldig dran. Okay, bei 24 Seiten ist das jetzt kein Beinbruch. Der Text ist insgesamt so gut gegliedert, dass man problemlos alle wichtigen Informationen mit einem kurzen Durchblättern findet.

 

Alles in allem werden meine Spieler sicher einige denkwürdige Momente mitgenommen haben – sei es ein fast schon Alien-artiger Moment im Genetiklabor oder „WAS??? Ich kann die Tentakel steuern? Ist ja geil!“

Fazit:

Ein tolles kleines Teil! Der Hintergrund ist wirklich gelungen und es macht Spaß, sich in der Hephaistos zu bewegen und ihre Geheimnisse zu enträtseln. Auch sind alle wichtigen Informationen gegeben, die man benötigt, um das Abenteuer zu leiten. Ganz persönlich habe ich aber beim Leiten das Problem gehabt, dass es mir nie gelungen ist, die unfassbare Größe des Schiffes glaubhaft rüberzubringen. Das kann aber auch einfach daran gelegen haben, dass ich keinen perfekten Abend erwischt hatte.

Übertragen auf die Fantasy haben wir es hier mit einem Mega-Dungeon zu tun, von dem nur die Grundzüge beschrieben sind, wo der Spielleiter aber noch jede Menge Arbeit investieren müsste, um es als richtig lange Kampagne zu leiten. Erinnert etwas in an die „Undermountain“-Boxen für AD&D 2, wo es jede Menge unbeschriebener Bereiche gab. Sprich: Es werden kurz und knackig unglaublich viele Informationen geliefert, aber vielleicht hätte das Mini-Setting fast noch mehr verdient gehabt, als ein 24 Seiten-Heftchen. Versteht mich nicht falsch! Gerade ich als Old-Schooler (wenn es so etwas geben mag…) bin ein Fan von gerafften, quasi als Konzentrat dargestellten Informationen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es im Jahr 2013 viele Menschen gibt, die sich keine 50 Klebezettel im Abenteuer befestigen und noch selber seitenweise Passagen ausarbeiten wollen.

Aber vermutlich ist der klassische Traveller-Spielleiter noch viel Old-Schooliger als ich und wird diesen kleinen (und eigentlich einzigen) Kritikpunkt gar nicht so spüren und bei den unbeschriebenen Stellen fröhlich drauflos improvisieren. Who knows…?