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Moebius Collection - Der Mann von der Ciguri
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 27.08.2013
Autor:Moebius (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Rossi Schreiber
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-129-0
Inhalt:Hardcover, vierfarbig, 56 Seiten,
Preis:16,00 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Die Geschichte von „Der Mann von der Ciguri“ schließt mit ihrer Handlung nahtlos an das Ende der Geschichte von „Die hermetische Garage“ an und so sieht der Leser auf der ersten Seite Major Gruber, der die Treppen einer U-Bahn-Station hochsteigt und sich darüber Gedanken macht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Garage und der momentanen Welt gibt oder ob das alles nur eine zufällige Parallele ist. Doch hat er Glück, da er in einem Antiquariat unweit der U-Bahn-Station das Buch „Zusammenfassung“ aus dem Verlag der Garage entdeckt, die von einem Autor namens John Schütze stammt. Die Probleme des mangelnden Geldes lassen sich glücklicherweise lösen und nach einem kurzen zeichnerischen Ausflug auf das Raumschiff „Ciguri“, deren Besatzung verzweifelt nach dem Verbleib von Major Gruber sucht und einem Exkurs zu Kaiser Sper Gossi, begleitet der Leser Major Gruber bei seiner Lektüre des mysteriösen Buches.

 

Allerdings scheint das Buch mehr Fragen aufzuwerfen, als das es Antworten gebe kann, zumal es die bisherige Geschichte aus „Die hermetische Garage“ erzählt. Die Suche von Gruber nach dem Autor John Schütze endet in einer skurrilen Verfolgungsjagd und bietet dem Leser ein überaus psychedelisches Vergnügen mit einzigartigen Einfällen. Natürlich dürfen auch Kaiser Sper Gossi nicht fehlen, der weiterhin auf der Spur des Majors bleibt.

 

Schreibstil & Artwork:

Der 1938 in Nogent-sur-Marne (in der Nähe von Paris) geborene Zeichner Jean Giraud, der dem Publikum eher unter seinem Künstlernamen Moebius oder auch Gir bekannt sein dürfte, veröffentlichte nach dem Studium der angewandten Kunst an der Académie des Beaux-Arts in Paris 1956 seinen ersten Comic in Magazin „Far West“. Der eigentliche Durchbruch begann allerdings erst 1963, als er für das Jugend-Magazin „Pilote" die Westernserie „Blueberry“ (dt. „Leutnant Blueberry“) nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier zeichnete. Während Jean Giraud klassische Western-Abenteuer mit „GIR" signierte, zeichnet er unter dem Pseudonym „Moebius" humoristische und extravagante Comics für Erwachsene.

 

1975 war Moebius Mitgründer des Verlages "Les Humanoïdes Associés" und des Comic-Magazins "Métal Hurlant" („Schwermetall", „Heavy Metal"). 1980 startete er die skurrile Science-Fiction-Serie John Difool (Text von Jodorowsky). Giraud und Jodorowsky lernten sich kennen, als dieser an der Vorbereitung für die Verfilmung des Romans „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert arbeitet. Auch wenn dieses Projekt an einigen recht lustigen Details scheiterte (mehr dazu im Anhang des vorliegenden ersten Bandes der Reihe), entwickelten beide 1978 gemeinsam den Comic „Die Augen der Katze“ und begannen dann zwei Jahre später für das französische Magazin „Métal Hurlant“ mit der SF-Reihe „John Difool“, die es bis 1989 letztlich auf sechs Bände brachte und rasch Kult-Status erreicht.

 

Er arbeitete auch an Filmen wie „Tron“ und „Das fünfte Element“ mit, denen er ein zum Teil ganz typisches und unverwechselbares Design gab. Daneben entstanden aber auch zahlreiche andere Comic-Stories, zu denen unter anderem „Jim Cutlass“, „Le garage hermétique“ (dt. „Die hermetische Garage“) oder aber die 6-teilige Science-Fiction-Comicserie „Le monde d'Edena“ (dt. „Die Sternenwanderer“) gehören.

 

Als Multitalent arbeitete er aber auch für die Werbebranche und zeichnete unter anderem Kampagnen für den französischen Schuhhersteller Eram, Citroën und BMW. Nach Aufenthalten in Japan und Los Angeles lebte Giraud seit der Trennung von seiner ersten Frau und der Heirat mit Isabelle Champeralle 1988 wieder in Frankreich. Am 10. März 2012 verstarb Jean Henri Gaston Giraud, genannt Moebius im Alter von 73 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.

 

Moebius setzt seine mehr oder weniger drogeninduzierte Reise seines Protagonisten mit einer wahrlich erstaunlichen Kompromisslosigkeit fort. Dieses Monstrum von Szenario entzieht sich immer wieder geschickt fast jeglicher Möglichkeit der Interpretation, da Moebius hier fast ausschließlich assoziativ gearbeitet hat und sich während des Schaffensprozesses die weitere Entwicklung des Szenarios nebst seiner graphischen Umsetzung von alleine ergeben hat. Was im ersten Moment in den Bildern und Texten unübersichtlich oder nach schierem Chaos aussieht, entpuppt sich durch die meisterhaften Bilder von Moebius als absolut stimmiges Gesamtkonzept, welches dem Betrachter nur selten Gelegenheit gibt eine Pause zu machen, um diese traumwandlerische Selbstverständlichkeit von Personen, Emotionen und Orten auf sich wirken zu lassen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Verlag Cross Cult schickt sich an, eine auf sieben Bände konzipiert Moebius-Collection auf den Markt zu bringen, die als gebundene Hardcoverausgaben in identischem Design und Format erscheinen und die einflussreichsten Episodencomics, die den Namen und Ruf von Moebius als Comicikone begründeten, nach sage und schreibe 20 Jahren erstmals wieder lieferbar machen. Wie bereits die beiden ersten Bände der Reihe, so kann sich die solide Verarbeitung als auch die Gestaltung des dritten Bandes sehen lassen. Einzig in Sachen Ausstattung lässt dieser Band ein wenig zu wünschen übrig, da ich mir zumindest einige Hintergrundinformationen über die Veröffentlichungsreihenfolge oder andere editorische Notizen gewünscht hätte. Die absolut gelungene Übersetzung stammt von der „legendären“ Rossi Schreiber und lässt sich überaus angenehm lesen.

 

Fazit:

Moebius entwarf seine seltsam verstörende Reise dieses Bandes als lose Fortsetzungsgeschichte, deren Verlauf er weder selbst kannte noch deren Ende er absehen konnte. Und so experimentierte er mit Zeichenstil und Erzähltechniken und präsentiert den Zeichenstil der Ligne Claire in einem neuen und sicheren Strich. Dabei sind die Szenarien von Moebius nichts für schlichte Gemüter, die von einem Comic einfach nur blanke Unterhaltung erwarten. Seine Szenarien sind wie ein offenes Kunstwerk und schreien geradezu nach Interpretation. Es ist nur die Frage, ob man sich als Leser auf diesen lustig-munteren Reigen einlässt und sich der Welt von Moebius öffnet.

 

Bereits an anderer Stelle habe ich geschrieben, es gebe mit Sicherheit eine ganze Reihe von Comics, die im laufe der letzten Jahrzehnte entstanden sind und von denen es heißt, man müsse sie unbedingt gelesen haben. Meines Erachtens gehören die Arbeiten von Moebius auf jeden Fall mit zu dieser Reihe, egal ob man die Szenarien mag oder nicht. Der zeichnerische Stil, wie auch der Inhalt waren nicht nur für die Entwicklung des Comics ein Meilenstein, sondern auch für viele andere Künstler im Bereich der ambitionierten visuellen Gestaltung von Science-Fiction.