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Dr. Grordbort’s glorreicher Wegweiser zum Triumph
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 20.12.2013
Autor:Greg Broadmore (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Maria Morlock
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Steampunk
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-186-3
Inhalt:Hardcover, vierfarbig, 160 Seiten
Preis:39,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

„Hört mal her, ihr kleinen Stinker. Meine Erzählungen hier sind nichts für schwache Nerven. Nur die feinste Sorte Mann und nur manch eine Frau sollte sich auf das Abenteuer einlassen. Wer Nichts mit Strahlenpistolen, Strahlengewehren, Marsianer, Venusianer, 1-Punkt-Raketenlandungen und einer guten Jagd anfangen kann, soll wieder zurück nach Hause und weiter nach den Kakerlaken in der Küche spähen!“

 

Diese einführenden Worte von Lord Cockswain, einem guten Freund von Dr. Grordbort, geben einen ungefähren Einblick in die wilde und bizarre Welt, in die sich Lord Cockswain auf seinen Reisen stürzt, stets unterstützt durch surrende Strahlenkanonen, allerlei sonstiges abstruses Gerät und Vehikel aus den imponierenden Werkstätten von Dr. Grordbort.

 

Buch I - Dr. Grordborts kontrapulsorisches Dings-Verzeichnis

Weniger ein Comic, als vielmehr ein Katalog am historischen Schnittpunkt wissenschaftlicher Entwicklungen, präsentiert Dr. E. Grordbort unter anderem seinen unfehlbaren Äther-Oszillatoren, die Wellen-Disrupter-Kanone oder aber auch weniger tödliches wie die Hilfington-Klammern, die Metallobjekte miteinander verbinden und in Bolivien als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Es gibt aber auch einen „Wandelnden Kriegswagen“ der Firma Astrodauk, um die streitlustigen Monddeppen zu ihren intergalaktischen Göttern zu bringen. Wer es etwas heimatverbundener mag, kann allerdings Vorlieb mit dem „Goliathon 800“ nehmen, der liebevoll „Mondhasser-Todesstrahl“ genannt wird und es erlaubt, es von der Erde aus dem großen, weißen Weltraumidioten (nebst seiner Bevölkerung, den bereits erwähnten Monddeppen) heimzuzahlen.

 

Lord Cockswain präsentiert sein populäres illustriertes Journal für Jungs und Mädchen über seine Heldentaten mit dem stimmungsvollen Titel „Wunderbare planetare Exkursionen“ nebst seinen Erlebnissen und Begegnungen auf der Venus, der Eiterbeule am Arsch des Sonnensystems. Hier gibt es neben launischen Kommentaren, vielen erschossenen Tieren und schönen Bildern, für den aufgeschlossenen Leser einen staunenswerten Einblick in die Heldentaten des berühmten Naturforschers und Entdeckers Lord Cockswain.

 

Buch II - Sieg – Wissenschaftliche Abenteuer-Gewalt

Ein Titel, wie er wunderbar sperriger und bekloppter für die folgenden 64 Seiten nicht sein könnte. Nach einer kurzen Einleitung von Dr. Grordbort, Empfehlungen von Lord Cockswain für Schießübungen auf hinterhältige venusianische Vagabunden oder dem Leben in den britischen Kolonial-Expeditionstruppen, gibt es „Ein Bestiarium des Kosmos: Die Wildtiere der Venus“, welches sich ausführlich mit den natürlichen Wundern unseres Sonnensystems mit gehörig viel Wissenschaft und Feuerwaffen auseinandersetzt.

 

Daneben gibt es weitere illustrierte Abenteuer von Lord Cockswain in „Venusiansische Vergeltung“ und „Der Berg der Mondbedrohung“. Weiterhin werden neue Waffen vorgestellt (insbesondere Lord Cockswains Strahlendonnerbüchse), über moderne Panzer berichtet und praktische Tipps über die sichere Nutzung von Strahlenwaffen gegeben.

 

Buch III - Triumph – Unnötige gewalttätige Berichte über wissenschaftliche Wagnisse – für Einfaltspinsel und Unselige

Zwei weitere Abenteuer von Lord Cockswain, der letzten Bastion britischen Heldenmutes, der an Bord seines „Endangerer“-Raketenschiffes durch den Raum gereist ist, Flora und Fauna studiert, verführt und erschossen hat, bilden den Hauptteil des dritten Buches. In „Absturz in die Höhle der Weltraumwichser“ muss sich Lord Cockswain nach einer Notlandung mit Kuiper Kola Industries auseinandersetzen, insbesondere was deren Herstellungsweise des gleichnamigen Getränkes betrifft. Gefährlich wird es für ihn, als ihn die Eingeborenen für die Herstellung von Fassbier missbrauchen wollen und dem überaus sanftmütigen Lord letztlich der Kragen platzt, um auf dem Planeten aufzuräumen. Etwas anders verläuft der recht intensive Dialog in „Der Psychiater“, wo sich Lord Cockswain während einer Jagdpartie mit einem Psychiater unterhält, der die verdrängten Defizite des Lords klären möchte. Als er aber auf der Pirsch einen folgenschweren Fehler begeht, endet auch die Geduld von Lord Cockswain, der dann seine unterdrückten Gefühle voller Leidenschaft auslebt.

 

Garniert wird dies alles mit weiteren wunderbar gezeichneten Waffen, Werbung für „Venus Pale Ale“, Plakaten von Filmen, die wir gerne sehen würden, wie beispielsweise „20.000 Screams under the Sea“ oder „Devil Beasts from Venus“, der nicht weniger als „creeping horror“ verspricht.

 

Schreibstil & Artwork:

Greg Broadmore wurde 1972 in Whakatane, einer Kleinstadt im Osten Neuseelands geboren, wo er auch aufwuchs. Als kleiner Junge war Broadmore verrückt nach Panzern, Explosionen, „Star Wars“, Dinosauriern und Comics. Dass dies einmal sein Beruf werden sollte, war ihm immer klar, nur der Weg dahin war nicht einfach. Zwei neuseeländische Kunsthochschulen lehnten ihn ab und so lebte Broadmore überwiegend von Sozialhilfe und nutzte die Zeit um in verschiedenen Punk-Rock und Metal Bands zu spielen. Im Jahr 2000 zog er nach Wellington, wo er recht widerwillig als Illustrator für Kinderbücher und nebenher in einem Video-Game Shop arbeitete. In dieser Zeit veröffentlichte er bereits seinen ersten eigenen Comic mit dem Titel „Killer Robots will Smash the World“.

 

Als der erste Teil des Filmes „Herr der Ringe“ in 2001 erschien, stellte er fest, dass der größte Teil des Designs von der Produktionsfirma „Weta Workshop“ in Wellington stammte. Also schickte Broadmore Arbeitsproben an Sir Richard Taylor Miteigentümer und Mastermind der Produktionsfirma. Seine Zeichnungen überzeugten Taylor, der Broadmore in 2002 umgehend als Designer und Modellbauer einstellte. Die neuseeländische Firma Weta Workshop genießt weltweites Ansehen für ihre oscarprämierte Arbeit an Blockbustern, auf deren langer Liste internationale Erfolgsfilme wie „Der Herr der Ringe“, die „Chroniken von Narnia“, „King Kong“ oder aber auch „Der Hobbit“ stehen.

 

Greg Broadmore, der sich selbst als Künstler, Schriftsteller und „Roboterfreund“ bezeichnet, sagte in einem Interview über seine Tätigkeit bei „Weta Workshop“: „Zuerst zeichnete ich zu Hause Dinosaurier und Roboter, dann tat ich dasselbe am Arbeitsplatz. Das hat mein Leben total umgekrempelt."

 

Größere Bekanntheit erlangte Greg Broadmore mit dem Universum von Dr. Grordbort, als er eine Reihe von recht abstrakten aber dennoch antik aussehenden Strahlenwaffen bastelte und sich schon sehr früh zeigte, das es zu all diesen Waffen eine Hintergrundgeschichte geben sollte und die Überlegung, wer sie zu welchem Zweck nutzt. Dies war mehr oder weniger die Geburtsstunde von Dr. Grordbort und Lord Cockswain.

 

Und so tobt sich Broadmore sowohl zeichnerisch brillant aus, wenn er detailbesessen mechanische Waffen, metallene Ungetüme oder anderes technisches Gerät für Dr. Grordbort zu Papier bringt oder aber in großflächigen farbigen Panels die Abenteuer von Lord Cockswain begleitet, von dem er hofft, das er als der vielschichtige, philantropische Held geliebt wird, der er ist und nicht nur als Kriegsverbrecher, der für so viel Elend und Leid verantwortlich ist. Ein wichtiges Element zieht sich auf jeden Fall durch alle Zeichnungen und Bilder – absoluter Realismus und eine gehörige Portion bitterbösen schwarzen Humors.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Die gesammelten Werke der neuseeländischen Steampunk-Ikone Greg Broadmore endlich auf Deutsch und das zudem noch in einem üppig aufbereiteten, wenn auch kostspieligen Sammelband (inklusive Lesebändchen). Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern haben wieder einmal keine Mühen gescheut, um nicht nur einen 160 Seiten umfassenden, wunderbaren Hardcoverband mit den fünf intergalaktischen Comics von Lord Cockswain auf den Markt zu bringen, sondern auch die gesammelten Werke von Dr. Grordbort zu präsentieren. Zudem gibt es noch eine ganze Fülle von zusätzlichem Material, welches insbesondere im dritten Band bei den Filmplakaten von anderen Künstlern beigesteuert wurde. Auch wenn natürlich die Original-Ausgaben in ihrem Wortwitz fast unschlagbar sind, so hat hier Maria Morlock hervorragend den Ton von Greg Broadmore getroffen und entsprechend übersetzt. Hierfür ein besonders dickes Lob!

 

Fazit:

Weniger Steampunk, als mehr oder weniger eine Persiflage auf klassische Pulp-Geschichten im Stile eines Edgar Rice Burroughs und dessen John Carter Romane, dürfte dieser Band unter Umständen nicht viele Leser ansprechen. Wer sich allerdings auf dieses kombinierte Artbook mit den bitterbösen Abenteuern von Lord Cockswain einlässt, sollte recht lustige Momente beim Blättern und Betrachten der Zeichnungen haben, wenn er sich die zahlreichen Wortschöpfungen und lakonischen Bemerkungen im Kleingedruckten durchliest. Da kann man eigentlich nur hoffen, das sich Broadmore zu weiteren Fortsetzungen entschließt oder aber ein findiges Unternehmen auftut, dem er die Filmrechte verkaufen kann.

 

Für mich ist dieser Band ein absolutes Unikat, welches sich nur sehr schwer mit anderen Veröffentlichungen vergleichen lässt. Hier sollte man sich auf jeden Fall die Leseprobe des Verlages anschauen und sich fragen, ob einem dieser wunderbare Humor und die genialen Zeichnungen wirklich der Preis Wert sind. Mir auf jeden Fall. Also, in diesem Sinne: „Kaufbefehl ihr feigen Tölen und dann ab in die Schlacht!“