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Moebius Collection 7 - Die Ferien des Majors
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 02.02.2014
Autor:Moebius (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Rossi Schreiber
Typ:Comic/Graphic Novel
Setting:Science-Fiction
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-128-3
Inhalt:56 Seiten, Hardcover, vierfarbig
Preis:16,00 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Im siebten Band der Moebius-Collection kann sich der Leser auf folgende Szenarien freuen: „Der Auftragskiller“, „Du bist das Ziel von so allerlei“, „Die Geheimnisse der Erotik“, „Grand Hotel "B"”, “Der Eindringling“, „Die Abenteuer von John Watercolor“, „Split“, „Knappe Mittel“, „Jagd auf Franzosen im Urlaub“, „Musik rund um die Uhr“, „Schwarzer Donnerstag“, „Schnelle Fabel“, „Fertig zum Interwjuh?“ und „Die Wunder des Universums“

 

Der Auftragskiller

In drei Episoden kann der Leser Eduardo Schwanrisner, einem Auftragskiller folgen, der seinen 1000 Auftrag erledigen soll und sich bereits darauf freut, sich danach als reicher Mann endlich zur Ruhe zu setzen. Allerdings wird er in eine Falle gelockt und von Inspektor Briggs verhaftet, der ihn hinter Gittern bringt. Eduardo gelingt jedoch die Flucht und er schwört einen groß angelegten Rachefeldzug gegen die Gesellschaft. Im Rausch der Rache lebt Eduardo nunmehr in Philadelphia unter dem Namen Ed McLynn. Mit einer Maske fühlt er sich sicher und unerkannt, bis er bei einem Spaziergang in der Palm Street auf den ehemaligen Inspektor Briggs trifft, der zwischenzeitlich den Polizeidienst quittiert hat und sich eine eigenen Import-Firma für bemalte Schachteln widmet. Und so werden aus einstigen Gegnern mehr oder weniger Freunde, da Briggs Eduardo sogar seiner Familie vorstellt und er sich unsterblich in dessen Tochter verliebt. Garniert wird diese Erzählung mit der Geschichte von Briggs über die alten Mine und einem wunderbaren Ende, in dem zwei nackte Menschen auf Pferden zu einem Wasserfall reiten möchten.

 

Du bist das Ziel von so allerlei

Eine heroische und fleischfressende Fantasie in 20.000 Episoden unter dem Meer präsentiert Moebius hier und der Leser begegnet in einer futuristisch geprägten Umgebung dem Menschen Jabavoth, der eine Startpiste für Schiffe inspiziert. Der Angriff einer aufregenden Brünetten zwingt ihn sich in Garbure umzubenennen und mit dem Magic Marker einen Superzirkel „Feuerschutz Brünett“ um sich zu zeichnen. Der kahle Geier erscheint und auf dem Rücken des gigantischen Tieres überlegt Garbure, wie er jemals seine Brezel wiedersehen wird und fliegt davon.

 

Die Geheimnisse der Erotik

Der Genuss von berauschendem Joghurt nebst seinen möglichen tödlichen Nebenwirkungen wird ebenso beleuchtet wie ungesunde Nebenwirkungen, die sich aus dem schwarzen Pakt ergeben können. Erotische Phantastereien, die mit ihren Bildern zum schmunzeln verleiten, aber auch in einigen Ausführungen drastische Darstellungen von Sexualität enthalten.

 

Grandhotel „B“

Während sich zwei ziemlich ordinäre Mutanten auf einem leichten Floss inmitten des großen Schlammes fortbewegen, ist ein Mann im Grandhotel „B“ unterwegs und trifft in den weiten der Korridore auf Rita, seine alte Liebe aus der Zeit, noch bevor das Hotel gebaut wurde. Aber auch die beiden Protagonisten auf dem Floss erreichen das Hotel, welches sich mitten in dieser Schlammlandschaft befindet.

 

Der Eindringling

Für sein wagemutiges Vorgehen gegen Eindringlinge erhält David Vincent von seinem Präsidenten zusätzlichen Urlaub und darf mit dem Privatjet des Präsidenten auf seine Kosten 14 Tage Urlaub in Paris verbringen. Allerdings hat sich während seines Fluges auf der Erde einiges geändert und Vincent weiß noch nicht, das die Erde in der Hand der Eindringlinge ist.

 

Die Abenteuer von John Watercolor, dem Schrecken der Taschendiebe und seinem tödlichen Mantel

Ein weitere One-Pager von Moebius, der sich mit dem verzweifelten Bemühen eines Taschendiebes auseinandersetzt, der John Watercolor in seinen Mantel greift und ungewöhnliches erleben muss.

 

Split – Der kleine Raumpionier

Auf dem Flug zum Planeten Bebajabass versucht sich der Raumpilot am Zusammenbau einer hübschen Androidin, die ihm die Zeit vertreiben soll. Jedoch hat der Raumpilot Pech beim Zusammenbau der Teile und die Androidin reagiert nicht mit der gewünschten und auch eingestellten „Maximalen Zärtlichkeit“.

 

Knappe Mittel

Die Idee eines TV-Autoren für eine atemberaubende SF-Serie um einen Roboter, der aus der Zukunft kommt, wird in der Produktion zu einem billigen Schauspieler in einem schäbigen Kostüm. Auch die weiteren Ideen über Verfolgungsjagden durch Labyrinthe auf der Flucht vor Zombies oder eine geniale Trapeznummer des Roboters werden durch die knappen Mittel des Produzenten zu einer wahren Verzweiflung für den Autor. Der Autor will endlich mit dem Produzenten sprechen und so machen der Autor und der Leser im letzten Panel eine interessante Entdeckung über diesen „sparsamen“ Menschen.

 

Jagd auf Franzosen im Urlaub

In mehreren Episoden schickt sich Major Grubert an, an einem einsamen Quai mitten im atlantischen Ozean Jagd auf einen F.I.U. (Franzosen in Urlaub) zu machen. Begleitet wird er von Umberto Manteca, seinem treuen und unverwüstlichen Begleiter. Das Glück ist ihnen hold, aber die Jagd nach dem F.I.U. gestaltet sich dennoch als überaus nervenaufreibende und gefährliche Angelegenheit. Wie fließend jedoch die Übergänge vom Jäger zum Gejagten sind, muss der Leser in der letzten Episode erfahren.

 

Musik rund um die Uhr

Graphisch überaus reizvoll umgesetzt sind die Bilder einer Frau, die in der Küche ihr Radio einschaltet und unterschiedlichen Musikrichtungen aus dem Äther lauscht, unschlüssig darüber, was ihr letztlich gefällt. Was ihr jedoch entgeht, ist derweil der Geigenspieler auf dem Hof vor den Hochhäusern, in dem sich auch die Küche der Frau befindet.

 

Schwarzer Donnerstag

Jerman Closer arbeitet als Botenjunge für die Götter und wird Zeuge ihres Spiels, in dem ein Mensch sein Leben verliert. Entsetzt von dem Spiel will sich Closer dafür einsetzen, mit allen Kräften dafür zu kämpfen, dem Spiel ein Ende zu bereiten. Seine Entscheidung ändert zwar nichts an dem Spiel der Götter, aber für Closer ist es die wichtigste Entscheidung seines Lebens.

 

Schnelle Fabel Nr. 317

Zwei futuristisch gekleidete Männer tauschen sich in diesem One-Pager über die Jagd nach dem Binjon aus. Die Moral dieser Geschichte mündet letztlich in einem Missgeschick des einen Mannes und so sollte man sich merken, wer ein Binjon erledigen will, darf keine Angst haben, sich die Gamaschen zu versauen.

 

Fertig zm Interwjuh?

Protagonist in diesem surrealen Interwjuh ist niemand anderes als Moebius selbst, der einem imaginären Reporter Auskunft zu seinem Leben und zu seiner Arbeit gibt. Vor wechselnden Hintergründen, in denen auch der Protagonist sich verändert, gibt es einiges lustiges und auch wissenswertes über Moebius zu erfahren.

 

Die Wunder des Universums

Ein Bild einer „Schwimmer“-Familie der frei flottierenden Art bildet den Abschluss des Bandes und zeigt eine typische „Familie“ von Luftschwimmern in ihrer Achteckformation vor den Klippen der Wehnuss-Berge.

 

Schreibstil & Artwork:

Der 1938 in Nogent-sur-Marne (in der Nähe von Paris) geborene Zeichner Jean Giraud, der dem Publikum eher unter seinem Künstlernamen Moebius oder auch Gir bekannt sein dürfte, veröffentlichte nach dem Studium der angewandten Kunst an der Académie des Beaux-Arts in Paris 1956 seinen ersten Comic in Magazin „Far West“. Der eigentliche Durchbruch begann allerdings erst 1963, als er für das Jugend-Magazin „Pilote" die Westernserie „Blueberry“ (dt. „Leutnant Blueberry“) nach einem Szenario von Jean-Michel Charlier zeichnete. Während Jean Giraud klassische Western-Abenteuer mit „GIR" signierte, zeichnet er unter dem Pseudonym „Moebius" humoristische und extravagante Comics für Erwachsene.

 

1975 war Moebius Mitgründer des Verlages "Les Humanoïdes Associés" und des Comic-Magazins "Métal Hurlant" („Schwermetall", „Heavy Metal"). 1980 startete er die skurrile Science-Fiction-Serie John Difool (Text von Jodorowsky). Giraud und Jodorowsky lernten sich kennen, als dieser an der Vorbereitung für die Verfilmung des Romans „Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert arbeitet. Auch wenn dieses Projekt an einigen recht lustigen Details scheiterte (mehr dazu im Anhang des vorliegenden ersten Bandes der Reihe), entwickelten beide 1978 gemeinsam den Comic „Die Augen der Katze“ und begannen dann zwei Jahre später für das französische Magazin „Métal Hurlant“ mit der SF-Reihe „John Difool“, die es bis 1989 letztlich auf sechs Bände brachte und rasch Kult-Status erreicht.

 

Er arbeitete auch an Filmen wie „Tron“ und „Das fünfte Element“ mit, denen er ein zum Teil ganz typisches und unverwechselbares Design gab. Daneben entstanden aber auch zahlreiche andere Comic-Stories, zu denen unter anderem „Jim Cutlass“, „Le garage hermétique“ (dt. „Die hermetische Garage“) oder aber die 6-teilige Science-Fiction-Comicserie „Le monde d'Edena“ (dt. „Die Sternenwanderer“) gehören.

 

Als Multitalent arbeitete er aber auch für die Werbebranche und zeichnete unter anderem Kampagnen für den französischen Schuhhersteller Eram, Citroën und BMW. Nach Aufenthalten in Japan und Los Angeles lebte Giraud seit der Trennung von seiner ersten Frau und der Heirat mit Isabelle Champeralle 1988 wieder in Frankreich. Am 10. März 2012 verstarb Jean Henri Gaston Giraud, genannt Moebius im Alter von 73 Jahren an Lymphdrüsenkrebs.

 

Wie bereits bei den anderen Bänden dieser Reihe gibt es ein Vorwort von Moebius, in dem sich dieser zur vorliegenden Auswahl seiner Szenarien äußert. Das ist bei manchen recht kurzweilig, aber oftmals auch recht kryptisch, da man Moebius und seine Absichten zum Teil einfach nicht versteht oder aber verstehen kann. Bei den insgesamt 14 Kurzgeschichten des Künstlers auf 56 Seiten gibt es immer wieder Überraschungen, da die vorliegenden Geschichten aus gänzlich unterschiedlichen Bereichen stammen und sich die Bereiche Fantasy, Science-Fiction, Erotik und Humor einträchtig in diesem Band versammeln. Manchmal mehrere Seiten lang, mal im Stile eines Flugblattes gibt es für den Leser einen überaus anspruchsvollen Ausflug in die unbändig kreative Welt von Moebius, darunter auch die Geschichte „Jagd auf Franzosen im Urlaub“, die hier seit ihrer ersten Veröffentlichung auf Deutsch im „Schwermetall“-Magazin vom Mai 1980 wieder abgedruckt ist.

 

Während die Surrealisten die Hintergründigkeit der Dingwelt zeigen, indem sie die traditionelle Formensprache bruchstückhaft oder verzerrt übernahmen und in einen ungewohnten Zusammenhang brachten, geht Moebius mit seinen Szenarien noch weiter und nutzt das Format Comic als Plattform, um Einzelheiten oder auch ganze Welten zu nehmen, sie umzuformen und in einer überraschenden, der sichtbaren Wirklichkeit widersprechenden Weise zusammen zusammenzufügen. Diese Aufhebung der Grenzen zwischen Mensch, Tier, Pflanze und sogar scheinbar leblosem Gegenstand, gepaart mit dem munter bunten Flair eines oftmals von Drogen berauschten Moebius, üben ungebrochen auch weiterhin eine geradezu magische Wirkung auf den heutigen Betrachter aus.

 

Mit schier unbändiger Lust am fabulieren geht auch die Freude von Moebius am Zeichnen daher und die Art und Weise, wie er seine Szenarien in Bilder umsetzt. Wie so oft bleibt er bei der geradezu klassischen Anordnung der Panels, bei denen es nur selten modern arrangierte Ausrutscher gibt und überzeugt durch die Vielfältigkeit seines Artworks in den unterschiedlichen Szenarien, egal in welchem Genre er sich gerade bewegt. Mit ebenso leichter Hand schafft er realistisch gehaltene Figuren, wie er auch Gestalten zu Papier bringt, die einem Funny allen Ehre machen können.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

Der Verlag Cross Cult schickt sich an, eine auf sieben Bände konzipiert Moebius-Collection auf den Markt zu bringen, die als gebundene Hardcoverausgaben in identischem Design und Format erscheinen und die einflussreichsten Episodencomics, die den Namen und Ruf von Moebius als Comicikone begründeten, nach sage und schreibe 20 Jahren erstmals wieder lieferbar machen.

 

Den Abschluss bildet der vorliegende siebte Band der Reihe, der in Sachen Verarbeitung als auch das Material seinen Vorgängern in nichts nachsteht. In Sachen Ausstattung gibt es ein überaus Vorwort von Moebius, in dem er den Leser an seiner Gedankenwelt teilhaben lässt, was allerdings nicht immer einfach ist, bei manchen Geschichten aber dennoch einiges zu Erklärung beiträgt. Wie bereits bei den anderen Bänden hätte ich gerne noch einige editorische Notizen zur Erstveröffentlichung der Kurzgeschichten in einem Anhang gesehen, aber da die Reihe nicht unbedingt den Anspruch auf Vollständigkeit oder sogar als Werkausgabe erhebt, ist auch nicht zwingend notwendig. Die tadellose Übersetzung des Bandes stammt von Rossi Schreiber und lässt sich mit ihren kreativen Wortschöpfungen wie immer überaus angenehm lesen.

 

Fazit:

Da ist er – der letzte Band einer großartigen Reihe eines absolut brillanten Zeichners und Autors. Auch wenn Moebius in seinen Comics manchmal nicht zu verstehen ist, so laden doch seine verschrobenen Ideen, die Farben und die Ausgestaltung seiner Bilder zu einer großartigen, wenn auch anstrengenden Reise ein. Bereits an anderer Stelle hatte ich geschrieben, die Szenarien von Moebius sind wie ein offenes Kunstwerk und schreien geradezu nach einer eigenen Interpretation. Fraglich ist nur, ob man sich auf diesen lustig-munteren Reigen einlässt und sich der Gedankenwelt von Moebius öffnet.

 

Wer bereits seine Erfahrungen mit der Lektüre von Moebius gemacht und seine Freude daran hatte, dem muss ich an dieser Stelle auf jeden Fall auch den letzten Band dieser Reihe ans Herz legen. Es sind nicht nur die längeren Szenarien, wie „Der Auftragskiller“ oder Major Gruber in „Jagd auf Franzosen im Urlaub“, welche die Qualitäten von Moebius zeigen, sondern oftmals die One-Pager, in denen er in absoluter Kürze geradezu wundersame Dinge vollbringt. Für Einsteiger dürfte die Lektüre unter Umständen etwas anstrengender werden, aber man hat mit diesem Band auf jeden Fall für lange Zeit eine ganze Menge Spaß, soviel ist Gewiss!

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