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Savage Species
Bewertung:
(3.9)
Von: Alex Lorenz
Am: 06.11.2003
Autor:David Eckelberry, Rich Redman, Jeniffer C. Wilkes
Typ:
System:Dungeons & Dragons 3E
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:0-7869-2648-1
Inhalt:228 Seiten, Hardcover
Sprache:Englisch

Savage Species

"Savage Species" (im folgenden SaSp genannt) ist ein Regelbuch für die 3. Edition von Dungeons & Dragons, welches sich mit der Erschaffung und dem Spielen monströser Charaktere beschäftigt. Es tritt damit die Nachfolge des "Complete Book of Humanoids" aus AD&D-Zeiten an, das dem Spieler eine ganze Reihe exotischer Spielerrassen anbot und dabei (wie das halt damals so war) kaum Rücksicht auf die Spielbalance nahm. SaSp tritt nun mit dem Anspruch an, alles besser zu machen und darüber hinaus auch dem Spielleiter das Werkzeug zum Erstellen eigener Rassen in die Hand zu geben. Anzumerken ist, daß SaSp bereits auf die Edition 3.5 umgestellt wurde.

SaSp ist ein 228-seitiges Hardcover im "Braunes Regelbuch"-Look, der vom Spielerhandbuch, dem Psionics Handbook und dem Epic-Level Handbook bekannt ist und der auch gleich klarstellt, daß dieses Werk (auch) für Spieler gedacht ist. Im Inneren finden wir die bereits liebgewonnenen Skizzen von Arnie Swekel wieder, ebenso wie farbiges Artwork, das generell nicht übel ist, jedoch mit Produkten wie dem ELH oder dem MotP nicht konkurrieren kann.

 

Kapitel 1: Character Creation Basics

In diesem kurzen Einstiegskapitel werden einige Grundlagen geschaffen und Begrifflichkeiten erklärt. Insbesondere wird das Verhältnis zwischen "Level Adjustment" (LA) und "Effective Character Level" (ECL) geklärt (kurz: Racial Hit Dice + LA = ECL). Der ECL ist das wichtigste Merkmal eines Monstercharakters, zeigt er doch an, um wie viel mächtiger ein solcher Charakter gegenüber den "normalen" Völkern von D&D ist. Ein Minotaurus(ECL +8)-kämpfer der 3. Stufe etwa ist also ungefähr gleichauf mit einem menschlichen Kämpfer der 11. Stufe. Somit hätte eine Gruppe mit Charakteren der 11. Stufe Platz für einen solchen Charakter. Soweit ist das nichts Neues; das Konzept des ECL existiert in seiner Urform bereits im Dungeon Master´s Guide. Dennoch ist hier bereits zu spüren, daß die Designer den Ehrgeiz haben, mit diesem Buch alle Probleme dieses Systems zu bereinigen.

 

Kapitel 2: Building Monster Characters

Hier wird Schritt für Schritt aufgezeigt, wie ein Monstercharakter erschaffen wird. Die bestehenden Monster aus dem Monster Manual werden, sofern sie überhaupt spielbar sind, mit ECL vorgestellt und in drei Kategorien (Introductory, Intermediate, Advanced) unterteilt, je nach Macht und Exotik. Auch Templates werden kurz abgehandelt. Einige der ECLs sind gegenüber älteren Quellen noch einmal überarbeitet worden. Außerdem werden nachvollziehbare Richtlinien vorgestellt, mittels derer man für andere, hier nicht enthaltene Monster das Level Adjustment bestimmen kann. Schließlich wird anhand eines einfachen Beispieles die Erschaffung eines Monstercharakters vorgeführt.

 

Kapitel 3: Monster Classes

Ein ebenso einfaches wie (in den Grundzügen) überzeugendes Prinzip wird hier eingeführt: Die Monsterklasse. Diese Mechanik soll es ermöglichen, eine gewünschte Rasse (z. B. einen Minotauren) bereits ab Stufe 1 zu spielen, obwohl dies ja nach dem ECL-System gar nicht möglich wäre. Die Lösung: man erschafft eine Klassentabelle, die den Minotauren von Stufe 1 (junger, relativ schwacher Minotaurus) bis Stufe 8 (voll ausgewachsen) beschreibt. Im Laufe dieser Stufen erlangt der Minotaurus nach und nach seine Stärke und seine Fähigkeiten. Ab Stufe 9 (und erst dann) kann der Spieler sich endlich für eine "reguläre" Charakterklasse entscheiden.

Die Monsterklassen sind eine hilfreiche Idee, wenn man die Vorstellung, ein "halbstarkes" Monster zu spielen, nicht allzu albern findet. Vor allem besonders mächtige Wesen (Celestials, Riesen etc.) werden dadurch bereits auf niedrigen Stufen spielbar. Allerdings sollte man sich bewußt sein, daß man, was Trefferwürfel, Fertigkeiten und Talente anbelangt, immer ein wenig hinterherhinken wird. Je höher das Level Adjustment, desto stärker tritt dieser Effekt auf.

 

Kapitel 4: Feats

Kein D&D-Buch ohne neue Talente. Zwei neue Kategorien von Feats werden hier vorgestellt: die "Monstrous Feats", die einen ordentlichen Anteil der hier vorgestellten (insgesamt ca. 70) Talente ausmachen und die "Background Feats". Beides sind jedoch m.E. eher überflüssige Kategorien, da sich meistens bereits aus den Anforderungen ergibt, ob man ein Monster sein bzw. wo man herkommen muß, um das Talent wählen zu dürfen.

Die Talente selbst reichen von "langweilig" bis "originell, aber schon wieder zu ausgeflippt". Dazwischen sind jedoch einige nette Sachen, mit denen man auch als Spielleiter seinen Monstern neuen Pep verleihen kann. Balancetechnisch sind diese Talente extrem schwierig zu beurteilen, wenn man sie nicht in der Praxis gesehen hat.

 

Kapitel 5: Equipment

Hier finden sich nichtmagische, alchemistische und natürlich auch magische Gegenstände jeglicher Coleur. Viele davon sind für Monster gedacht, z.B. Gegenstände für mehrarmige Benutzer. Andere Gegenstände sind auch für "normale" Charaktere nützlich. Einige Gegenstände aus älteren Quellen sind zu finden; der Löwenanteil jedoch ist neu und überwiegend recht originell. Bei einigen Sachen sollte man als SL jedoch wachsam sein.

 

Kapitel 6: Spells

Einige Dutzend neuer Zauber. Erstaunlich viele davon sind nicht monsterspezifisch. Allgemein gehaltene Zauber wie etwa "Major Resistance" schließen Lücken im System, erscheinen jedoch auch recht stark für ihren Grad. Andere, wie etwa "Lion´s Charge" sind heftig umstritten und werden vielerorts als "Broken" bezeichnet.

 

Kapitel 7: Prestige Classes

10 PrCs werden in ausufernder Breite vorgestellt. Viele davon sind wirklich sehr exotisch und originell (um nicht zu sagen: seltsam). Auch hier gibt es einige überaus starke Vertreter, wie etwa den Illithid Savant, der Fähigkeiten anderer Klassen "stehlen" kann. Mit dem "Survivor" wird außerdem erstmalig eine Klasse vorgestellt, die einfach nur einen Haufen defensiver Fähigkeiten ansammelt, ohne dabei irgendein überzeugendes Hintergrundkonzept zu bieten. Auch nicht schlecht.

Auf der positiven Seite bestechen etwa der "Emancipated Spawn" (ein Untoter, der sich von der Herrschaft seines Meisters befreit und seine Erinnerungen wiederfindet) oder der "Master of Flies" (igitt).

 

Kapitel 8: Campaigns

Der einzige Teil des Buches, der sich nicht dem Numbercrunching widmet, umfaßt ganze vier Seiten. Hier wird darauf eingegangen, welche Probleme ein Monstercharakter in der Spielwelt haben kann. Außerdem werden Alternativmodelle für die Stellung von Monstern in der Kampagnenwelt angerissen.

 

Kapitel 9: Advancing a Monster

In diesem Kapitel werden die (eigentlich bereits bekannten) Möglichkeiten, ein Monster zu verstärken, vorgestellt (Trefferwürfel & Größenkategorien, Klassenstufen, Templates). Außerdem werden aufregende Kenntnisse á la "Kämpfer ist für einen Riesen eine geeignetere Klasse als Barde" oder "Combat Reflexes ist für große Monster gut" vermittelt.

 

Kapitel 10: Templates

Hier trumpft SaSp noch einmal richtig auf: Nicht weniger als 17 fast durchweg neue Templates werden vorgestellt. Einige davon sind allerdings "nur" die Template-Versionen von Untoten wie etwa Mumien, Gruftschrecken und Schatten. Dennoch eine überaus inspirierende Ansammlung, in der jeder SL etwas Passendes finden wird. Am Ende des Kapitels finden sich außerdem Hinweise für das Anwenden mehrerer Templates bzw. deren Kompatibilität zueinander.

 

Kapitel 11: Becoming a Monster

In diesem Kapitel wird auf nützliche Art und Weise darauf eingegangen, wie ein bestehender Charakter in ein Monster verwandelt werden kann (z.B. durch Untote, Lykanthropie usw.) und was das spieltechnisch bedeutet. Außerdem (und vielleicht nicht ganz so nützlich) werden magische Rituale vorgestellt, mittels derer ein Wesen in ein anderes Wesen verwandelt werden kann.

 

Appendix 1: Sample Monster Classes

Eine der Hauptattraktionen von SaSp. Über 50 Monster in Form einer Monsterklasse (wie in Kapitel 3 präsentiert), also quasi zum "Reinspringen und Wohlfühlen". Vom Air Elemental bis zum Umber Hulk, vom Pixie bis zum Treant, vom Troll bis zum Djinni, vom Imp bis zum Astral Deva sind nun viele, viele Monster ohne weiteres ab Stufe 1 spielbar.

 

Appendix 2: Compiled Tables

Alle Monster des Buches nach ECL und noch einmal alphabetisch geordnet.

 

Appendix 3: New Creatures

Hier gibt es die "Anthropomorphic Animals" (ein Template, das Tiermenschen erschafft) sowie drei recycelte Monster aus dem Monster Manual II (Loxo, Desmodu, Thri-Kreen). Außerdem den Halb-Oger, dessen Level Adjustment von +1 ein Witz ist; nur, daß man über Witze eigentlich lachen kann.

 

Fazit:

Savage Species ist ein sehr interessantes Produkt, daß sich durch mangelnde Qualitätssicherung jedoch selbst ein Bein stellt. Die Liste der Fehler und Unklarheiten ist Legion, wie ein Besuch auf dem offiziellen Forum unter diesem Link zeigt. Patzer wie das fehlende Aquatic Template oder die Slam Attack des Treant sind genau so ärgerlich wie die lächerlichen Level Adjustments für das Feral Template oder den Halb-Oger. Außerdem könnte man den Mangel an Flair und Hintergrund beklagen. Diesen Maßstab würde ich jedoch nicht ansetzen, da SaSp auch gar nicht den Anspruch erhebt, solches zu leisten. Wem Hintergründe wichtiger sind als Regeln, dem sei das "Races of Faerun" empfohlen.

Ein weiterer Wermutstropfen ist der, daß die Hauptprobleme des ECL-Systems nicht wirklich angegangen wurden (Stichwort: Charaktere mit Templates und deren Trefferwürfel). Ein Monster mit einem ECL von +3 und aufwärts wird auch weiterhin auf niedrigen Stufen ernsthafte Probleme haben. Allerdings muß man sich fragen, ob solche Ansprüche überhaupt realistisch sind.

Abgesehen davon macht SaSp als reines Regelbuch jedoch einen sehr guten Job. Alleine der Appendix ist eine Goldgrube, und auch sonst wird das Buch dem selbst gestellten Anspruch gerecht, den SL mit Rüstzeug aller Art zu versorgen. Dies hauptsächlich deswegen, weil SaSp seine Regeln nicht nur präsentiert, sondern auch erklärt. Ein Vergleich mit dem Complete Book of Humanoids verbietet sich schon fast: SaSp leistet viel, viel mehr.

Letztenendes hängt der Nutzen von SaSp vom SL ab. Wer bereit ist, seinen Spielern Zugang zu den Inhalten dieses Buches zu verschaffen und gleichzeitig verantwortungsbewußt genug, das Spiel nicht in eine reine Freakshow zu verwandeln, der kann mit SaSp sehr glücklich werden. Wenn man exotische Charaktere interessant findet, kommt man an Savage Species nicht vorbei.