Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Aus Æonen
Bewertung:
(4.1)
Von: Markus Busse
Am: 21.09.2004
Autor:Diverse
Typ:
System:Chaosium
Setting:Call of Cthulhu
VerlagPegasus Spiele
ISBN/ASIN:3-930635-90-9
Inhalt:172 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

„Aus Æonen“ ist ein Abenteuer- und Quellenbuch aus der Cthuloide Welten Bibliothek von Pegasus Spiele und umfaßt insgesamt fünf Abenteuer und einen Quellentext. Es handelt sich bei diesem Werk um ein Softcover mit ausschließlich schwarz-weißen Illustrationen, deren Qualität sehr schwankend ist. Teilweise tragen alte Fotos und schön erstellte Zeichnungen erheblich zur düsteren Stimmung des Werkes bei, aber einige der Zeichnungen fallen doch leider negativ auf und schmälern den guten Eindruck ein wenig.

Ich mache im Vorhinein darauf aufmerksam, daß ich mit dem hier verwendeten Chaosium-Regelsystem nicht so vertraut bin wie etwa mit dem d20-System, so daß ich den regeltechnischen Teil nicht in jener Gründlichkeit untersucht habe, wie ich es schon in anderen Rezensionen getan habe. Wer aber Cthulhu kennt, wird wissen, daß der Regelanteil sowieso eher gering und für die Handlung unwichtig ist, so daß er in einer Bewertung kaum zum Tragen kommt.

 

Allgemeines zu allen Abenteuern/Quellenartikel:

Bevor ich auf die einzelnen Abschnitte in diesem Werk eingehe, möchte ich auf Grundlegendes eingehen, das bei allen Artikeln vorhanden ist.

Alle Abschnitte dieses Buches sind hervorragend gegliedert und mit sehr informativen Kästen versehen, die weitere Hintergrundinformationen für die entsprechenden Textpassagen liefern. Alle Abenteuer verfügen über sehr gut ausgearbeitete Handouts, die ich in dieser Qualität und Fülle selten gesehen habe. Der Spielleiter wird in jedem Abenteuer mit zahlreichen Hilfestellungen unterstützt, damit ein reibungsloser Spielfluß entstehen kann, auch wenn die Spieler ungewöhnliche Wege einschlagen. Alle Abenteuer sind in sich schlüssig und nachvollziehbar.

 

Die einzelnen Abenteuer/Quellenartikel:

Ich werde bei der Rezension der einzelnen Kapitel so vorgehen, daß ich erst einen kurzen Abriß über den Inhalt des Abenteuers geben werde (Achtung, Spoiler!), bevor ich dann kurz meine eigene Meinung zu den Stärken und Schwächen des Textes einbringe.

 

Der Blutsauger von Schwarzbrunn:

Dieses Abenteuer spielt im Jahre 998 in einem kleinen Dorf namens Schwarzbrunn, in dem außer ein paar Bauernhütten das Benediktiner-Kloster das einzig auffällige Bauwerk ist. In diesem Dorf sind in der letzten Zeit regelmäßig Kinder verschwunden und dann auf grausame Art und Weise ermodert aufgefunden worden. Aufgabe der Charaktere ist es, diese Mordfälle zu lösen. Es wird vermutet, daß ein Werwolf hinter den Taten steckt und es wurde auch mehrmals ein mysteriöser Mönch in roten Roben gesichtet, doch die Wahrheit ist viel schrecklicher.

Einer der Mönche hat ein uraltes Ritual entdeckt, mit dem er Kontakt zu Ghatanothoa, einem der „Großen Alten“, aufnehmen und ihn zurück auf diese Welt holen kann. Dafür entführt er regelmäßig Kinder und tötet sie, um an einem bestimmten Datum ein Portal öffnen zu können. Er ist aber nicht der Mönch in roten Roben, denn dieser ist ein Hüter dieses Portals und damit beauftragt, dieses an jenem Datum geschlossen zu halten, aber er wird im Verlauf des Abenteuers vom Übeltäter ermordet. Für die Charaktere ist es ein Wettlauf mit der Zeit, da selbst während ihrer Anwesenheit weitere Leichen von verschwundenen Kindern auftauchen und jenes Ritual immer näher rückt. Eine Hetzjagd nach Informationen und Spuren beginnt…

„Der Blutsauger von Schwarzbrunn“ ist in meinen Augen sehr gut gelungen und der Plot bzw. Hintergrund läßt sich sicherlich ohne Probleme auch in anderen Kampagnen verwenden. Das Abenteuer ist nichts für zartbesaitete Spieler, denn wenn die Beschreibungen auch nicht sehr explizit sind, so ist die Vorstellung von entführten und später geschächteten Kindern sicherlich nicht jedermanns Sache. Da das gesamte Abenteuer einen recht festen zeitlichen Ablauf hat, läßt es sich meiner Meinung nach ohne Probleme leiten und erhöht langsam aber sicher die Spannung bei den Spielern.

 

Der Garten der Lüste:

In diesem Abenteuer übernehmen die Spieler den Part von Inquisitoren im Jahre 1597. Sie sollen die wundersame Geburt eines Kindes erforschen; wundersam deshalb, weil die junge Frau noch Jungfrau war und angeblich von einem Engel geschwängert wurde. Was sie am Anfang noch nicht ahnen, ist, daß sich Shan (Insekten von Shaggai, die im Weltraum leben) in diesem Dorf eingenistet haben. Sie haben sich in den Köpfen einiger Bewohner festgesetzt und auch die Frau geschwängert, da es ihnen selbst nicht möglich ist, Nachkommen zu zeugen. Die Spieler müssen hier nicht nur hinter das Geheimnis der Shan kommen, sondern auch die Dorfbewohner von diesen befreien, was sich im Endeffekt als sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich erweist (eine Trepanation, das Aufbohren des Schädels von Menschen, senkt die Lebenserwartung des Patienten doch recht beträchtlich). Zudem werden die Spieler wohl auch noch eines der Raumschiffe der Shan entdecken, was zusätzliche Probleme bringt, da dieses mittels eines Fragments von Azathoths angetrieben wird, ebenfalls einem „Großen Alten“.

Dieses Abenteuer hat mir nicht ganz so gut gefallen, da der Plot doch relativ simpel gestaltet ist und vor allen Dingen verlangt, daß manche Spieler bestimmte Rollen erfüllen müssen, um wenigstens eine Chance zu haben, das Rätsel zu lösen. Es werden hier Charaktere mitgeliefert, die von Spielern übernommen werden können; ein Konzept, für das ich mich noch nie habe begeistern können. Trotzdem darf man es aufgrund der mitgelieferten Informationen, Bilder und Handouts auf keinen Fall als wirklich schlecht bezeichnen.

 

Die Zeit der dunklen Träume

Die Charaktere finden sich bei diesem Abenteuer im Paris des Jahres 1898 wieder, das zu dieser Zeit vom Fleckfieber heimgesucht wird. Als Prolog wird vorgeschlagen, daß man mit einem Spieler eine Einführung spielt, wo er ebenfalls mit dieser Krankheit infiziert wird und in Quarantäne kommt, wo er in seinen schrecklichen Fieberträumen eine wahnsinnige Melodie hört und im Schlaf wirre Geschichten erzählt. Ein Arzt, Dr. Moreau de Tours, kümmert sich um diesen Spieler und ist sehr interessiert an dessen Träumen und Erzählungen.

Nach der Genesung dieses Charakters erhalten alle Charaktere eine Einladung von jenem Arzt in einen mysteriösen Club der High-Society von Paris, kurz nachdem die Stadt von einem leichten Erdbeben heimgesucht wurde. Schon die Vorkommnisse im Club sind seltsam, doch danach wird es immer mysteriöser. Die Wohnung des „Träumers“ wird durchsucht, während die anderen Charaktere (seine Freunde) bedroht werden, sei es durch Briefe, Überfälle oder sonstigem. Wenn die Spieler diesen Geheimnissen auf den Grund gehen wollen, werden sie schnell feststellen, daß sie sich mit einer mächtigen Freimaurerloge angelegt haben, die sie permanent verfolgt. Tief unter Paris kommt es dann zum großen Showdown, wenn die Charaktere in die dunkle Parallelwelt dieser Großstadt eintauchen. Erst hier erfahren die Charaktere die schreckliche Wahrheit, was es mit den seltsamen Träumen auf sich hat.

Dieses Abenteuer ist wunderschön geeignet, den Charakteren die Auswirkungen eines unsichtbaren, schier übermächtigen Gegners aufzuzeigen. Die Freimaurer beobachten sie auf Schritt und Tritt und sind ihnen immer ein kleines Stück voraus. Mit diesem Abenteuer kann man Spieler sicherlich sehr faszinieren, aber auch paranoid werden lassen, weil sie sich ständig und überall beobachtet fühlen werden. Insgesamt halte ich „Die Zeit der dunklen Träume“ für gelungen, wenn auch mir das Ende nicht ganz so zugesagt hat.

 

Reise zur anderen Seite:

Dieser Quellentext bildet zusammen mit dem nachfolgenden Abenteuer „Fairy Tales“ das absolute Highlight dieses Buches. In diesem Abschnitt erhält der Leser sehr viel Einblick in die Welt der Feen und ihren Bündnissen mit den Menschen. Es wird sowohl auf ihre Geschichte eingegangen, sowie auf die Probleme der „Anderswelt“, nämlich der Kampf des Seelie Court mit dem Unseelie Court und dessen Versuch, in die Menschenwelt überzuwechseln. Die Herrscher dieser Courts werden beschrieben ebenso wie andere Lebewesen dieser Welt und auch teilweise mit verwendbaren Spielwerten versehen. Der Artikel erlaubt einen schönen Einblick in diese mythische Welt aus keltischen Sagen, so daß ich ihn nur als außerordentlich gelungen bezeichnen kann, da die in ihm enthaltenen Informationen auch wunderbar im darauffolgenden Abenteuer verwendet werden können.

 

Fairy Tales:

„Fairy Tales“ verschlägt die Spieler an die Ostküste der USA in ein kleines Dorf namens Braivil, deren Bewohner ausschließlich irischer Abstimmung sind. Wir schreiben das Jahr 1920 und die Charaktere müssen als erstes das Verschwinden eines kleinen Mädchens aufklären. Dies ist aber relativ schnell geschehen, jedoch bemerken die Spieler schnell, daß hier noch mehr lebt, als nur die Einwohner. Dieser Eindruck verstärkt sich immer mehr, als erst ein kleiner Junge von der Entführung seines Bruders erzählt, der angeblich durch ein anderes Wesen ersetzt wurde und dann ein Mord geschieht und ein mysteriöser blinder Mann, eine Art Druide in Braivil auftaucht. In Wirklichkeit ist es nämlich so, daß sich der Seelie Court momentan in einem sogenannten Elfenhügel unweit von Braivil seinen Sitz hat und der uralte Pakt der Feen mit den Menschen durch den Diebstahl eines Kessels voll Gold gebrochen worden ist. Gleichzeitig kämpfen im Dorf Anhänger zweier Kulte gegeneinander, auf der einen Seite der „Bund der Liamer“, der sich für die weiterhin guten Beziehungen zwischen Feen und Menschen einsetzt, und auf der anderen Seite der „Orden des Schattenkönigs“, der den Herrscher des Unseelie Court Amadan-na-Briona, der seinerseits von Nyarlathotep, einem Großen Alten beherrscht wird, unterstützt, um die Grenzen zwischen der Feenwelt und der menschlichen Welt einzureißen.

Die Charaktere müssen nun hinter dieses Geheimnis kommen und dies alles unter Zeitdruck, da der Zeitpunkt bis zur letztmöglichen Erneuerung des Paktes immer näher rückt. Ansonsten werden die Grenzen zwischen den Welten brechen. So beginnt eine recht aufregende Detektivgeschichte, die immer wieder Überraschungen für die Spieler bereithält, bis sie schließlich selbst in die „Anderswelt“ der Elfen überwechseln um zum Schluß Amadan-na-Briona gegenüberzustehen und mit ihm um das Leben des verschwundenen Jungens zu kämpfen.

Fairy Tales ist ein wirklich ausgezeichnetes Abenteuer, wo die Grenzen des Realen und der Mythologie auf wunderbare Art und Weise miteinander verschmelzen. Die Geschichte nimmt immer wieder neue Wendungen, die Bedrohung ist anfangs nicht faßbar und die Spieler sind genötigt, aufwendige Nachforschungen anzustellen, alles unter Zeitdruck. Ich denke, daß man dieses Abenteuer ohne Probleme in eine bestehende Kampagne einbauen oder sogar, aufgrund der hier tätigen Geheimbünde, eine komplette Kampagne hierauf aufbauen kann. Für mich ist es neben „Der Blutsauger von Schwarzbrunn“ das beste Werk dieses Buches.

 

Das Icarus-Projekt:

Dieses Abenteuer bildet den Abschluß dieses Buches und spielt in einem Raumschiff mitten im Weltall in einer fernen Zukunft. Die Charaktere erwachen an Bord ihres Schiffes, ohne zu wissen, wo sie eigentlich sind. Sie wissen nur, daß sie vor Jahren als Ersatzmannschaft für eine Rettungsmission eingefroren worden sind. Ihr Aufwachen kann also nur Bedeuten, daß etwas nicht in Ordnung ist, wie sich auch sehr schnell herausstellt. Das Raumschiff ist vollkommen verlassen und nur ab und an kündigt eine Stimme des Computers an, daß in weniger als einer Stunde der Start beginnt. Wenn die Spieler immer tiefer in das Schiff eindringen, wird ihnen die schreckliche Wahrheit immer näher gebracht:

Vor 50 Jahren hat die Hauptmannschaft mit der Rettungsaktion eines anderen Raumschiffes begonnen, nur um festzustellen, daß die Besatzung des Schiffes durch ein Fragment Azathoths dem Wahnsinn verfallen war und sich gegenseitig umgebracht hatte. Auch die Retter wurden infiziert und bei dem nachfolgendem Chaos wurde das Rettungsschiff, das halb organisch ist, schwer beschädigt. Sogenannte Naniten (Miniroboter) sind zwar zur Reparatur eingeteilt, doch es gab zwei folgenschwere Probleme: Zum einen betteten sie das Fragment in die organische Außenhülle ein, zum anderen war der Schaden so groß, daß die restliche vorhandene Biomasse im Rettungsschiff nicht ausreicht.....wenn man von der Biomasse der Körper der Charaktere absieht. Auf ihrer beklemmenden Suche im Schiff wird den Charakteren immer mehr klar, daß es für sie kein Entkommen vor dem Tod gibt. Sie können nur versuchen, daß Raumschiff auf einen anderen Weg zu lenken und so zu zerstören, um nicht in Azathoths Fänge zu gelangen.

Leider hat mir dieses Abenteuer gar nicht zugesagt. Die Gründe liegen weniger am Inhalt des Abenteuers selber, denn hier kann man sicherlich ein Feeling ähnlich der Filme „Event Horizon“ oder „Alien“ aufbauen, sondern an der Intention des Abenteuers. Ich mag einfach keine „One-Shots“, wo hinterher klar ist, daß die Charaktere auf jeden Fall sterben werden. Wer damit kein Problem hat, dem wird „Icarus-Projekt“ vielleicht gefallen.

 

Fazit:

„Aus Æonen“ bietet für Cthulhu-Spieler der unterschiedlichsten Epochen Abenteuer der gehobenen Kategorie, nur eben mit der einen Ausnahme. Wie schon vorher gesagt, ist das Beiwerk zu den Abenteuern wie etwa Handouts wirklich umfassend und detailliert, wie ich es vorher kaum gesehen habe. Natürlich sind die verschiedenen Epochen auch ein kleines Manko dieses Bandes, weil wohl kaum eine Gruppe in mehreren Zeitaltern spielen wird, so daß man hier quasi „auf Vorrat“ kauft.

Weiterhin ist mir aufgefallen, daß die Abenteuer sehr oft die Spieler einschränken, da manche Dinge einfach nicht geschafft werden sollen. Dies wird zum einen durch strenge Timelines geregelt, aber eben auch durch „Regieanweisungen“ innerhalb der Abenteuer. Für mich ist dieses Konzept neu und ich bin normalerweise bei anderen Systemen kein Freund davon, so daß ich hier schon eine Schwachstelle sehe.

Insgesamt ist das Werk aber trotzdem sehr gut und ich kann es jedem Cthulhu-Spieler nur ans Herz legen, wenn er ein paar neue Abenteuer für seine Kampagne braucht. Der Preis ist mit 16.95 Euro auch mehr als fair. Fhtagn!