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Geschichten aus der Nightside 1 - Die dunkle Seite der Nacht
Bewertung:
(3.7)
Von: Ingo Schulze
Alias: Greifenklaue
Am: 30.03.2007
Autor:Simon R. Green
Übersetzer:Oliver Hoffmann
Typ:Roman
VerlagFeder und Schwert
ISBN/ASIN:393725594X
Inhalt:201 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

"Jeder kommt in die Nightside. Mythen und Legenden, Reisende und Forscher, Besucher aus höheren oder niederen Sphären. Unsterbliche. Todwandler. Psychonauten."

 

Auf der dunklen Seite der Nacht liegt die Nightside, im Herzen Londons oder auch im Herzen einer jeglichen anderen Großstadt. Kurz, die Abgründe des menschlichen Seins, der falsche Weg aus der moralischen Zwickmühle und die finstersten Wesen aus den Traumlanden der schlimmsten Alpträume, das ist die Essenz der Nightside. Hier ist der Detektiv John Taylor groß geworden, froh darüber, ihr vor gut 5 Jahren entkommen zu sein und im Alltagslondon eine Detektei zu betreiben. Genauer gesagt ist er ein Spezialist darin, Dinge zu finden.

 

„Gott bewahre!“ „Ich würde nicht darauf wetten“, antwortete ich. “Der kümmert sich nicht einmal um wesentlich schlimmere Dinge als das hier!“

 

Doch irgendwann holt einen die Vergangenheit ein und hier setzt der Roman „Die dunkle Seite der Nacht“ an. Seiner Klientin Joanna Barrett ist die Tochter weggelaufen, vermutlich in die Nightside. Und da niemand bereit ist, dorthin zu gehen, ist ihre letzte Hoffnung John, der bereitwillig annimmt– natürlich nur, weil die Gage stimmt.

 

„Selbst die kleinsten Annehmlichkeiten des Lebens sind nur für die Stärksten da, und die Pestratten laufen aus Angst nur zu zweit herum.“

 

Und schon geht es mit der geschlossenen U-Bahn in das schwarze Herz der Stadt. Geschlossen deshalb, weil niemand so genau wissen möchte, was da von draußen die U-Bahn einbeult... Damit beginnt eine phantastische Reise durch die Nightside, in der andere Gesetze gelten als die der Straßen, Physik oder Logik. Harte Kerle, kopflose Ungeheuer, Frauen direkt aus dem Wilden Westen, Zeitanomalien; allerlei Hindernisse liegen auf dem Weg zum Ziel.

 

„Wozu braucht er eine Schußwaffe?“ – „Damit hält er den restlichen Verkehr auf Abstand!“

 

Ein Beispiel möchte ich mir aber doch rausgreifen. Da ist diese Festung, zu der die Spur führt. Dort verstecken sich von Aliens Entführte, die sich dort mit einem gewaltigen Vorrat an Waffen verschanzt haben. Allein die Hinfahrt ist obskur. Dass bei der Pferdedroschke das Pferd spricht und nicht der Kutscher, der ist nur für‘s Wechselgeld zuständig, ist vielleicht noch zu erwarten, aber eine Diskussion über Cyberarme und das Nase kratzen... Im Armyshop vor der Festung gibt es Rucksackbomben gegen Höchstgebot, was allerdings einen Haken haben muss, sonst hätten sich die Jungs aus der Festung schon längst eingedeckt... Doch John braucht so oder so keine Waffe, er hat noch nie eine getragen. Und so geht es hinein in die Festung, in der das Empfangskommando auf sich warten läßt. Kein Wunder, ist Suzie Shooter gerade vor Ort, vermutlich die einzige Person, die in etwa über ein größenmäßig gleiches Arsenal verfügt wie die Festung und von daher die Ex-Entführten gewaltig in die Defensive gedrängt hat. Doch zum Glück für alle ist John ein Spezialist im Finden – und so findet er hier recht schnell den Kompromiss zwischen beiden Parteien und kann dann mehr über Joannas Tochter erfahren.

 

„Der Zug war schon lange weg, er war davongerauscht, als sei er froh, von hier wegzukommen.“

 

Simon R. Green schafft es den typischen lockeren Detektivstil aus der Ich-Perspektive mit einem lockeren Spruch, mit absurder Phantastik und einem ordentlichen Schuß trockenem Humor zu durchmischen und den Leser auf die nächsten aberwitzigen Satzkonstruktionen hoffen zu lassen. Sein großer Pluspunkt sind die facettenreichen, ungewöhnlichen, nie gelesenen Ideen, die den Schauplatz wirklich zu einem phantastischen, nie gesehenen, nicht vorhersehbaren Ort machen. Schwächen hingegen hat der Plot, der zu sehr ein Abklappern der Informationsstationen ist und keine Wendungen bietet. Nur ein kleiner Plottwist am Ende, dies ist angesichts seiner Fähigkeiten beim Beschreiben doch eher schwach.

 

„Das Einzige, was der Blaiston Street noch helfen konnte, war ein flächendeckendes Bombardement“

 

Die Übersetzung wirkt gut gelungen, der Humor und der kurze, prägnante und trockene Stil des Autors wurden verständlich ins Deutsche übertragen. Der Umfang, mit 201 Seiten bei 10,95 Euro, ist auch für Verlagsverhältnisse eher dünn, die Umschlaggestaltung dafür auf höchstem Niveau.

 

„(...) und dann in eine Seitengasse abbiegt, die nicht immer existiert. Vor allem, glaube ich, weil sie sich schämt, mit so einer Spelunke in Verbindung gebracht zu werden.“

 

Um den Stil des Autors wiederzugeben, ist die Rezi mit kurzen, typischen Zitaten gespickt.

 

„Ich bin mir nicht einmal sicher, dass es einen Fahrer gibt. Ich kenne niemanden, der je einen gesehen hätte. Ich glaube, die Züge fahren die Strecke schon so lange, dass sie sie auswendig kennen.“

Fazit

Der Roman überrascht mit obskuren Gestalten und ungewöhnlichen Schauplätzen, weniger mit dem Plot. Wer als Kind mehr oder minder coole Detektive à la Mike Hammer mochte, wird hier sein phantastisches Äquivalent finden. Simon R. Green hat außerdem einen eigenen Stil und wartet mit zahlreichen frischen Ideen auf, so dass es Freunden von frischer Phantastik mit einer Prise trockenem Humor gut gefallen dürfte. Gerade Leser von Tanya Huff, welche im selben Verlag erscheint, dürften an der Serie auch ihre Freude haben.