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Fairwater - oder die Spiegel des Herrn Bartholomew
Bewertung:
(3.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 22.01.2008
Autor:Oliver Plaschke
Typ:Roman
Setting:Urban Fantasy, Mystik, z.T. Horror
VerlagFeder und Schwert
ISBN/ASIN:978-3-86762-011-6
Inhalt:464 Seiten, Taschenbuch
Sprache:Deutsch

Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew

Das Programm des Mannheimer Verlages Feder & Schwert ist in den vergangenen Jahren immer wieder erweitert oder ergänzt worden, beispielsweise um John Kovalics Comicreihe "Dork Tower" oder die Belletristik-Sparte, die bislang allerdings ausschließlich mit lizenzierten Reihen aufwartete. Auf der Leipziger Buchmesse 2007 präsentierte Verlagsvertreter Thomas Russow nunmehr eine Neuerung im Verlagsprogramm: In der Belletristik-Sparte sollen zukünftig eigene Produktionen unter dem Label „Origin“ erscheinen. Der Start dieser Reihe oblag Oliver Plaschka mit seinem Debut-Roman "Fairwater oder Die Spiegel des Herrn Bartholomew", der mit seiner seltsam skurrilen Fantastik und düsteren Atmosphäre den Leser in seinen Bann ziehen will.

 

Über das Buch (Keine Spoiler!)

Im Mittelpunkt dieses Romans wird von der Suche nach dem Wunderbaren im Alltäglichen erzählt, uns aber auch die Geschichte eines Verbrechens und einer unfassbaren Wahrheit im Stil der „Urban Fantasy“ näher gebracht. Die Handlung ist in den frühen Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts in dem fiktiven amerikanischen Ort Fairwater in Maryland angesiedelt, einem rätselhaften Ort mit zahllosen dunklen Flüsschen, steinernen Brücken und einer undurchsichtigen Vergangenheit, die im Verlauf der Geschichte aufgedeckt wird.

 

Anlässlich der Beerdigung eines Jugendfreundes zieht es die mittlerweile als Reporterin arbeitende Gloria aus Washington D. C. recht widerwillig in die Stadt ihrer Kindheit zurück, in der rasch ihr Interesse an dem mysteriösen Mord an dem Industriellen Cosmo van Bergen geweckt wird, dessen Lifelight-Fabriken die Gegend rings um Fairwater prägen. Als Gloria beginnt, Fragen zu stellen, wird sie tief in die Geheimnisse dieser Stadt hineingezogen und rasch von dunklen Gestalten verfolgt.

 

Neben einiger skurriler Erlebnisse und detektivischer Kleinarbeit trifft sie im Laufe ihrer Nachforschungen auf allerlei seltsame Gestalten, die Fairwater bevölkern. Sei es der Taxifahrer Jerry, den nichts aus der Ruhe zu bringen scheint, der Dichter Lysander, der in der falschen Zeit zu leben scheint, aber auch van Bergens Tochter Stella, die „schlafende Prinzessin“, die nach einem mysteriösen Unfall viele Jahre im Koma verbracht hat oder Marvin, der in einer von sprechenden Tieren bevölkerten Traumwelt lebt, um nur einige Akteure aus dem Panoptikum zu nennen.

 

Viele der Einwohner Fairwaters führen ein seltsames Dasein; sie bewahren ihre Erinnerungen an längst verlorene Zeiten und sind hoffnungslose Träumer. Jeder von ihnen hat seinen Teil zu erzählen, aber auch etwas zu verbergen, denn es gibt jemanden, der sein Wissen über die phantastische Scheinwelt der Stadt benutzt und es sich zur Aufgabe gesetzt hat, den rätselhaften Cosmo van Bergen, den Herrscher über das mysteriöse Geflecht von Fabriken, die Fairwaters kleinen Talkessel durchwuchern, von seinem Thron zu stoßen - nicht das Wissen über die Wirklichkeit, sondern über eine Welt jenseits des malerischen Kirchplatzes und der geheimnisvollen Sternwarte.

 

Mit Hilfe des Bibliothekars Carter, der im Dachgeschoss der Bibliothek von Fairwater lebt, entdeckt Gloria, dass der Mordfall nur eines von zahlreichen rätselhaften Ereignissen in der Stadt ist, in die sie sich immer weiter verstrickt. Und schon bald entwickelt sich die Ermittlung um den Tod Cosmo van Bergens zum Einstieg in die Vergangenheit Fairwaters und beleuchtet das Schicksal verschiedener Bewohner Fairwaters der vergangenen Jahrzehnte hinweg, in der es seltsame Entführungen, Voodooriten, Zaubergeiger und noch vieles mehr zu entdecken gibt.

 

Doch wer nun meint, er müsse den Rest des Buches mit den Ermittlungen und Enthüllungen der Reporterin Gloria verbringen, der täuscht sich. Die insgesamt sieben Kapitel des Romas erzählen aus verschiedenen Blickwinkeln unterschiedlicher Akteure Fairwaters die Geschichte der Stadt, ihrer Bewohner und Geheimnisse. Die einzelnen Episoden erschließen und ergänzen sich zum Teil durch die Kenntnis der anderen, wobei die Figuren mitunter die Handlungen oder Hintergründe der anderen kommentieren und so die vermeintliche Realität in Frage gestellt wird.

 

Über den Autor

Als Schriftsteller dürfte Oliver Plaschka (Jahrgang 1975) bislang einem größeren Leserkreis noch leidlich unbekannt sein, obwohl er bereits als Verfasser, Herausgeber und Übersetzer einer handvoll Kurzgeschichten in Erscheinung getreten ist. Mit seinem Debut-Roman „Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholemew” gelingt ihm nach langer und intensiver Suche nach einem Verleger nunmehr sein erster großer Auftritt und die Zeit dürfte vorbei sein, in denen er nur heimlich Romane schrieb.

 

Mit dem Manuskript zu „Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholemew” begann er bereits während eines Aufenthaltes in Kingston-upon-Hull in England. Ein Stephen King gewidmeten Schreibwettbewerb des TV-Senders „arte“, der ziemlich unbändige Wunsch selbst schreiben zu wollen sowie das englische Wetter führten letztlich als Nebenprodukt zu den ersten groben Entwürfen von „Fairwater“ und dessen zahlreichen Akteuren. Auch wenn er mit seiner Kurzgeschichte bei „arte“ nicht gewinnen konnte, so nahm er doch diesen Entwurf zum Anlass, aus den nur grob skizzierten Figuren und deren Hintergrund einen ganzen Roman zu kreieren.

 

Zur Zeit arbeitet Oliver Plaschka gemeinsam mit Ulrich Drees, manchen vielleicht als Autor der im Jahr 2000 im Heyne-Verlag erschienenen „Nordmark“-Romantrilogie und als Entwickler und Autor für die Kulturbeschreibungen verschiedener Demonworld Tabletop-Armeebücher der Firma Hobby Products bekannt, an der für März 2008 vom Brendow Verlag geplanten Veröffentlichung von "Narnia - Das Rollenspiel".

 

Fazit

Nach eigener Aussage sei es Plaschka in seinem Roman wichtig gewesen, das Übernatürliche in unserer Welt mit offenen Armen willkommen zu heißen und nicht Furcht und Schrecken zu verbreiten. Ganz der Stilrichtung "urban fantasy" verpflichtet, eifert Plaschka seinem Vorbild und Freund Peter Beagle nach, der bereits vor vielen Jahren in dem Roman „Volk der Lüfte“ eine Geschichte erschuf, in der sich Reales und Irreales in einer wunderlichen Weise miteinander vermischten.

 

Die Vorankündigung des Verlages und nicht zuletzt auch der sehr gelungene Trailer (zu sehen auf hier Youtube) haben mich neugierig gemacht - schien es doch endlich einem deutschen Autoren gelungen zu sein in Sachen „urban fantasy“ den großen Amerikanern endlich den Schneid abzukaufen. Leider wurde ich schon nach wenigen Seiten der Lektüre eines Besseren belehrt und so entwickelte sich dieses Buch für mich zu einer persönlichen Tour de Force.

 

Die erzählerische Phantasie, die der Autor an den Tag legt, bewegt sich sprachlich auf überaus hohem Niveau, ist aber nicht immer mit einer gewissen stilistischen Sicherheit gepaart und das Erzählen einer stringenten und packenden Geschichte verliert sich auf dem Weg der rund 464 Seiten manchmal im Nirgendwo. Auf Dauer etwas nervend sind die unzähligen Reminiszenzen an musikalische Vorbilder, Filme und vieles mehr, die sich überall im Roman verstecken und lediglich zu Beginn noch recht amüsant sind. Die zahlreichen verschiedenen Handlungsstränge des Buches aus der unterschiedlichen Perspektive der einzelnen Protagonisten sind manchmal weit davon entfernt, kunstvoll miteinander verwoben sein und lassen beim Leser im Rahmen der permanenten Ideenwut beim Fabulieren des Autors erhebliche Verwirrung aufkommen – es gibt scheinbar Kapitel für Kapitel immer noch eine weitere Idee, die dem Autor noch einfällt, um vielleicht Vorangegangenes an Exotik noch schlagen könnte. Hastig wie diese Ideen und der stetige Perspektivenwechsel der Erzählung dann zum Teil lieblos aufbereitet werden, hätte ich mir die Entwicklung der einen oder anderen Szene vielleicht etwas behutsamer oder ausführlicher gewünscht, schließlich sind viele dieser Ideen wirklich gut. Als hilfreich haben sich das Namensregister und die „Chronik von Fairwater“ im Anhang gezeigt, um nicht gänzlich den roten Faden der Geschichte zu verlieren.

 

Meine Bemühungen, einfach in die Geschichte einzutauchen und mich in den Geschehnissen dahintreiben zu lassen, wurde letztlich immer wieder von der permanenten Klischeepflege des Ortes mit seinen Brücken, dem Atomkraftwerk und den unsäglichen Lifelight-Fabriken getrübt. Die zum Teil selbst für einen phantastischen Roman absolut überzeichneten Charaktere bleiben vor dem Hintergrund der Geschichte Fairwaters und seiner Geheimnisse seltsam unglaubwürdig, während im Hintergrund dem Autor die Fäden seiner Geschichte aus den Händen zu gleiten scheinen.

 

Folgt man Todorov, ist das Fantastische die Unschlüssigkeit, die ein Mensch empfindet, der nur die natürlichen Gesetze kennt und sich einem Ereignis gegenübersieht, das den Augenschein des Übernatürlichen hat. Hat man es allerdings wie in diesem Roman nur mit Menschen zu tun, für die übernatürliche Geschehnisse und Erlebnisse vollkommen normal zu sein scheinen, und dies alles in einer Stadt wie Fairwater, die den rationalen Gesetzmäßigkeiten mit einem müden Lächeln spottet, so hat dann scheinbar alles insgesamt seine Richtigkeit und das eigentlich Fantastische bleibt auf der Strecke.

 

Der Autor hat es selbst schon treffend auf den Punkt gebracht: Entweder wird man dieses Buch hassen oder es aber heiß und innig lieben. Wie man meinen Zeilen entnehmen kann, zähle ich mich leider zum erstgenannten Personenkreis, wobei in diesem Buch ein nicht unbeträchtliches Potential steckt, welches aber vom Autor nicht immer auf den Punkt gebracht wurde.

 

An dieser Stelle sei aber trotz aller Kritik am Roman der Verlag Feder & Schwert noch einmal ausdrücklich gelobt, dem es nach einer langen Reihe von Übersetzungen von zum Teil recht platten englischen oder amerikanischen Serientiteln gelungen ist, einem jungen, doch insgesamt recht viel versprechenden Autor, eine geeignete Basis zu schaffen. Auch wenn der Auftakt polarisiert und man sehr geteilter Meinung über diesen Roman sein kann, darf man sicherlich auf das weitere Schaffen Oliver Plaschkas gespannt sein.

 

Im Rahmen der Fortsetzung dieser neuen Reihe kann man sicher erwartungsvoll auf das im Frühjahr 2008 bei Feder & Schwert erscheinende und in einem magischen München um die Zeit von 1860 angesiedelte und vor Elfen, Vampiren und Dämonen strotzende Abenteuer „Das Obsidianherz“ der Autorin Ju Honisch schauen.