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Der Reiseführer durch die Narnia-Welt
Bewertung:
(3.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 29.11.2008
Autor:Martha C. Sammons
Übersetzer:Christian Rendel
Typ:Sekundärliteratur
Setting:Die Welt von Narnia
VerlagBrendow Verlag
ISBN/ASIN:3-86506-110-9
Inhalt:272 Seiten, Taschenbuch
Sprache:Deutsch

Martha C. Sammons - Der Reiseführer durch die Narnia-Welt

Wer als Leser Lucy durch den Wandschrank über das Laternendickicht bis hinter den Horizont in die Welt von Narnia gefolgt ist, hat sicherlich einiges gesehen und erlebt auf seiner spannenden Reise. Ob sich da noch ein Reiseführer durch die Welt von Narnia lohnt, der nicht zuletzt verspricht, die zauberhaften Rätsel von Narnia zu lösen und leicht verständliche Interpretationen und klare Erläuterungen zu den überaus vielschichtigen Strukturen von Narnia zu bringen, sei es die Erschaffung der Welt bis hin zum letzten großen Kampf, mag sich dem Urteil der folgenden Zeilen anvertrauen.

 

Die Autorin

Martha C. Sammons ist Professorin für Anglistik und Englische Literatur an der Wright State University in Dayton (Ohio) und veröffentlichte das vorliegende Buch erstmals 1979 unter dem Titel „A guide through Narnia“. Trotz seines Alters in Bezug auf die Inhalte hat dieses Buch nichts an seiner Aktualität verloren, da es sich um mit die erste gründliche Untersuchung der siebenbändigen Reihe der „Narnia-Chroniken“ handelte. Im Jahr 1998 veröffentlichte der Brendow-Verlag die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Der Reiseführer durch Narnia“ mit rund 190 Seiten und legt nunmehr eine umfassend überarbeitete, ergänzte und illustrierte Neuausgabe dieses Klassikers in der Übersetzung von Christian Rendel mit nunmehr 272 Seiten vor. Für 2009 wurde bereits das neue Buch von Martha C. Sammons angekündigt: “War of the Fantasy Worlds: C.S. Lewis and J.R.R. Tolkien on Art and Imagination” (Praeger).

 

Der Inhalt

Als Lewis zwischen 1950 und 1956 die "Narnia-Chroniken" verfasste, begab er sich auf ungewohntes Terrain. Vielen, die bisher nur seine apologetischen Werke gelesen hatten, war der Gedanke befremdlich, dass Lewis nun auch Kinderbücher schrieb. Doch der Erfolg sollte ihm Recht geben. Mittlerweile gilt Lewis als einer der Wegbereiter der religiösen Kinderliteratur im 20. Jahrhundert, und die Narnia-Erzählungen stehen heute im englischen Sprachraum auf einer Stufe mit Klassikern wie „Alice im Wunderland“, „Der Wind in den Weiden“ oder „Der kleine Hobbit".

 

Einführung

In der kurz gehaltenen Einführung beschreibt Martha C. Sammons zunächst den Zweck ihres Buches, wonach ihr daran gelegen ist, etwas über C.S. Lewis, den Schöpfer der sieben Narnia-Bücher zu erzählen: wie er letztlich dazu kam sie zu schreiben sowie über ihren Charakter als „Märchen“ und ihre Wirkung auf die Leser.

Martha C. Sammons erklärt aber auch eingehend die Überarbeitung und Erweiterung des Buches gegenüber der Erstauflage um neue Informationen und Erkenntnisse, wie sie bearbeitet und in die Neukonzeption aufgenommen wurden.

 

1. Das Sehen von Bildern

In diesem Kapitel schildert die Autorin die Biographie von C.S. Lewis, seine Bekehrung vom Atheisten zum Christentum und wie er letztlich dazu kam, die Chroniken zu verfassen. Wer nicht mehr alle Handlungsfäden im Kopf hat, erhält eine kurze chronologische Zusammenfassung der Inhalte der einzelnen Bände. Doch auch die Veröffentlichungsreihenfolge wird ebenso beleuchtet wie die Versionen in anderen Medien oder aber die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Bücher.

 

2. Die Wahl der idealen Form

Unter dieser Überschrift werden eingehend die Narnia-Geschichten in ihrer Konzeption als „Märchen“ beschrieben. Marha C. Sammons versucht zu erklären, warum Lewis der Überzeugung war, dass diese Gattung die beste Form für seine Gedanken sei, um die Leserschaft ansprechen. Der Kerngedanke, den Lewis bei den Chroniken verfolgte, lag darin, eine andere Welt zu erschaffen, die als „Zweitwelt“ den Leser in ihren Bann ziehen kann und fast schon realer als unsere eigene Welt wirkt - ein Vorläufer des heutigen Fantasy-Genres. Dabei wird insbesondere aber auch der eher zufällige Zusammenhang zwischen Märchen und deren Bezug zu Kindern bei der Entstehung der Chroniken deutlich.

 

Weiterhin geht Sammons auf die einzelnen Merkmale des Märchens bei Lewis ein, etwa die Definition der Zweitwelt, die Erschaffung von Narnia, den Kampf zwischen Gut und Böse, Zauberei und sprechende Tiere. Eine vergleichende Chronologie stellt die Zeitrechnungen von Narnia und England gegenüber und vermittelt so eine umfassende Einordnung aller Handlungsfäden der sieben Bände. Ebenso wie der Abschnitt über die Geographie von Narnia den Leser auf einen ausgedehnten Spaziergang durch die bislang bekannte Welt von Narnia mit sich nimmt.

 

Letztlich erörtert sie auch die Methode von Lewis beim Schreiben im Stil eines Märchens, wobei sie die von Lewis gewählte Sprache für die Form des Märchens vertieft.

 

3. Der Mensch als Held

Im dritten Kapitel werden die Heldentypen, die Lewis in der Tradition des Märchens präsentiert, vorgestellt. Es stellt die wichtigsten menschlichen Figuren und die Rollen der Adamssöhne und Evastöchter in Narnia vor. Angefangen bei Digory Kirke, Polly Plummer, den Pevensie-Geschwistern bis zu Shasta und Aravis wird der Bogen quer durch alle Bücher gespannt und die Personen nebst ihrer Rolle in der jeweiligen Handlung beschrieben.

 

4.Vorbei an wachsamen Drachen

Warum Lewis das Format „Märchen“ wählte, um anzunehmen, wie Christus wohl in einer anderen Welt als Löwe erscheinen könnte, wird von Sammons in diesem Kapitel geschildert. Es beschreibt die Merkmale der religiösen Fantasy, den Unterschied zwischen Allegorie und einem Spiel mit Annahmen sowie den Charakter Aslans in den Chroniken. Außerdem stellt es die „christlichen“ Elemente in den Büchern dar: die Schöpfung, die Symbole des Baums und des Gartens, die Versuchung, Opfer und Auferstehung, Erlösung und Endzeit.

 

Sammons stößt bisweilen an die Grenzen der Interpretation, die sich C.S. Lewis bereits zu Lebzeiten verbeten hat. Dennoch weiß sie geschickt, die Balance zwischen der unbewusst vermittelten christlichen Botschaft des Autors und dem ethisch anspruchsvollen Märchen zu halten und diese dem Leser näher zu bringen, ohne dabei missionarische Überzeugungsarbeit liefern zu wollen.

 

5. Der Schritt durch die Tür

In diesem Kapitel richtet sich der Blick auf die Wirkung der Fantasy, die Sammons mit kurz und knapp als Wiederherstellung und Wunscherfüllung beim Leser beschreibt. Sie schildert die Motive der Sehnsucht, des Gegensatzes von Traum und Wirklichkeit, des Platonismus, des Wunsches, dem Tod zu entrinnen, und der Tröstung des glücklichen Endes. Ein manchmal eher sperriges Kapitel, welches dem Leser ein wenig Geduld abfordert. Nichts desto trotz in sich schlüssig und insbesondere für den passionierten Rollenspieler durchaus gelungen.

 

Die sich anschließenden Danksagungen der Autorin richten sich vornehmlich auf die Erlaubnis, Bezug auf sonstiges Material zu nehmen und das Glossar der Namen und Orte in den Chroniken von Narnia, nebst Anmerkungen zu den Namen und Kreaturen, die sich unmittelbar anschließen.

 

In der recht kurzen Bibliografie werden die Bücher genannt, auf die im Text von Sammons Bezug genommen worden ist, als auch weitere Sekundärliteratur über die Chroniken von Narnia, Hintergrundinformation über C.S. Lewis und andere Autoren, die im Text erwähnt wurden. Bedauerlicherweise beziehen sich die meisten Angaben der Autorin auf englisches oder amerikanisches Material, so dass deren Bezug nicht gänzlich ohne Probleme ist. Wer allerdings diese Lektüre nicht scheut, wird so manch interessanten Hinweis auf eine Fülle von lesenswerten Büchern rund um Narnia bzw. C.S. Lewis erhalten.

 

Fazit

Der Leser erhält mit diesem Buch fundierte Informationen, hilfreiche Zusammenfassungen und durchaus anspruchsvolle Interpretationen der Geschichten von Narnia, die oft auch auf der Grundlage von Äußerungen des Autors C. S. Lewis basieren. Manche Interpretation der Autorin mag recht frei sein und kann nicht immer durch entsprechendes Quellenmaterial belegt werden, doch nimmt dieses Buch auch nicht für sich in Anspruch, ein wissenschaftliches Werk zu sein, sondern vielmehr dem interessierten Leser die Welt von Narnia - auch auf zum Teil recht eigene Art und Weise - ein Stück weit näher zu bringen.

 

Sammons untersucht die zentrale Frage, ob die Chroniken von Narnia eine Allegorie des christlichen Glaubens sind. Dabei verfällt sie allerdings nie in einen moralisierenden oder salbadernden Ton und versucht auf offene und ehrliche Weise den Glauben und die Symbole in den Geschichten von Narnia zu untersuchen und zu hinterfragen. Da es sich insgesamt um ein durchaus lesenswertes Buch handelt, möchte ich an dieser Stelle über manch altbacken wirkende Ausführung, gelegentliche Redundanz und ein wenig Betulichkeit hinweg sehen.

 

Ich selbst habe die Chroniken von Narnia als Kind gelesen und sie als Märchen verstanden. Erst als Erwachsener, beim erneuten Lesen, sind mir die zahlreichen Anleihen aus dem christlichen Bereich aufgefallen. Insofern hatte ich großes Vergnügen mit der Einordnung und Interpretation eines der größten Klassiker der „Kinderliteratur“ und dem Ende der eigenen Vorurteile ob der vermeintlich massiv vorgebrachten christlichen Ethik von C.S. Lewis, dem es letztlich nur um die Vermittlung einer allgemein üblichen Moralvorstellung zu der damaligen Zeit ging.

 

Wer die Chroniken von Narnia gelesen hat, oder sie vielleicht lesen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen. Auf den ersten Blick scheint es kein Reiseführer durch die Welt von Narnia zu sein, doch rasch kann man feststellen, wie viel Orientierung dieses Buch in der von C.S. Lewis erschaffenen Welt bietet.