Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Grundregelwerk
Bewertung:
(0.0)
Von: Andreas Miebach
Alias: Halvar
Am: 19.12.2009
Autor:Jason Bulmahn, James Jacobs, Sean K. Reynolds, F. Wesley Schneider, Monte Cook u.a.
Übersetzer:Björn Arnold, Peter Basedau, Friederike Fuß, Tom Ganz, Patric Götz, Günther Hamp
Typ:Grundregelwerk
System:Pathfinder (Basis: 3.5e OGL)
Setting:Universell (Golarion)
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-009-9
Inhalt:576 Seiten, Hardcover
Preis:49,95 EUR
Sprache:Deutsch

D&D v.3.75 GT/E

576 Seiten, 1,8 Kilogramm, 3 Zentimeter fett - das kommt dabei heraus, wenn man einen Haufen ambitionierter Autoren auf die Entwicklung eines Nachfolgers für das "beliebteste und älteste Rollenspielsystem der Welt" (O-Ton Monte Cook & Jason Bulmahn) loslässt. Und mit diesem Rollenspielsystem ist - um allen Unkenrufen vorzubeugen, die ich hier bereits wittere - die Version 3.5e von Dungeons & Dragons gemeint.

 

Im Grunde hatte Paizo Publishing auch gar keine andere Wahl: Nachdem man sich entschlossen hatte, den Weg zur 4E von D&D nicht mitzugehen, blieb dem Verlag fast gar nichts anderes übrig als ein neues Grundregelwerk zu publizieren, da die im eigenen Haus entwickelten Abenteuer andernfalls keine käuflich erwerbbare regeltechnische Grundlage mehr gehabt hätten. Dank der OGL war dies rechtlich problemlos möglich und natürlich lag es auch nahe, dabei gleich ein paar "Verbesserungen" am System vorzunehmen, um die zwischenzeitlich aufgefallenen Schwächen an der 3.5e zu beseitigen und das System kräftig zu überarbeiten. Im Gegensatz zu Wizards of the Coast, die sich in ihren gefühlten Elfenbeinturm zurückgezogen und dann die Spielerschaft mit ihrem neuen Messias namens 4E mehr oder weniger überrumpelt haben, ist Paizo jedoch einen gänzlich anderen Weg gegangen: Zunächst wurden mehrere Alpha-Versionen der überarbeiteten Regeln zum kostenlosen Download angeboten, dann folgte mit der Beta-Version auch erstmalig die Möglichkeit, die Regeln in gedruckter Form käuflich zu erwerben. Bei all diesen Versionen wurden die Spieler angehalten, alle Aspekte des Systems gründlich zu testen und dem Verlag jedes nur erdenkliche Feedback zu geben - ein Angebot, das gewaltigen Anklang fand. Die Beta-Testphase dauerte fast ein gesamtes Jahr, bis im August 2009 endlich die Endversion - das "Pathfinder Roleplaying Game Core Rulebook" - veröffentlicht wurde, zusammen mit einer online kostenlos einsehbaren Version, dem "Pathfinder Roleplaying Game Reference Document" ( Links sind im Info-Kasten rechts zu finden).

 

Im deutschsprachigen Raum war die Situation allerdings weitaus unerfreulicher: Die 4E wurde äußerst zwiespältig aufgenommen und teilte die im Vergleich zur amerikanischen ohnehin kleine Fangemeinde in zwei Lager. Zu allem Überfluss wurde dem deutschen Herausgeber der 4E, Feder & Schwert, völlig unerwartet die Lizenz nicht verlängert, die dann Ende 2008 auslief. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden, aber die eher schlechte Akzeptanz der 4E in Deutschland dürfte ein nicht unwesentlicher Aspekt gewesen sein, der zu dieser Entscheidung geführt hat. Gebessert hat sich seitdem jedoch nichts: Ein neuer Lizenznehmer wurde bis heute (Ende 2009) nicht gefunden, so dass die deutschsprachigen D&D-Spieler bereits seit fast einem Jahr auf dem Trockenen sitzen. Diese lange Durststrecke dürfte natürlich nicht gerade dazu beigetragen haben, das Klima für einen möglichen Neustart der 4E hierzulande zu verbessern - eher im Gegenteil. Zudem ist im September 2009 - mit der für D&D-Verhältnisse extrem kurzen Frist von nur einem Monat nach dem englischen Original - das "Pathfinder Rollenspiel Grundregelwerk", welches Gegenstand dieser Rezension ist, beim Ulisses Spiele-Verlag erschienen. Gegen diese direkte Konkurrenz müsste sich eine mögliche Neuauflage der 4E also erst einmal behaupten. Die Chancen, irgendwann mal wieder ein "echtes" deutschsprachiges D&D zu sehen, sind also so gering wie nie zuvor und sinken von Tag zu Tag. Gleichzeitig ist das Pathfinder Rollenspiel momentan das einzig erhältliche D&D in deutscher Sprache. Ich denke, man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass die Zukunft des deutschen D&D aller Wahrscheinlichkeit nach "Pathfinder" heißen wird.

 

Diese Rezension soll sich vor allen Dingen an D&D-Einsteiger und Umsteiger von der 3.5e richten, also jenem Personenkreis, für den das "Pathfinder Rollenspiel Grundregelwerk" (im Folgenden "PRG" genannt), besonders interessant sein dürfte. Zu diesem Zweck werden zu jedem Kapitel des Buches zunächst ein paar allgemeine Informationen gegeben, die sich hauptsächlich an die Einsteiger richten, gefolgt von einer detaillierten Erklärung und ggf. Bewertung der Änderungen gegenüber der 3.5e, was eher für die Umsteiger von Interesse sein dürfte.

 

Aufmachung, Gestaltung und Verarbeitung

Viele Wälzer von diesem Kaliber wird kaum ein Rollenspieler in seinem Regal stehen haben und dafür gibt es auch ganz praktische Gründe: Das hohe Gewicht macht das Lesen des PRG auf Dauer zu einer recht mühseligen Angelegenheit, wenn man es nicht auf eine feste Unterlage abstützen kann, da die Hände schnell erlahmen. Und obwohl die Bindung anfangs einen sehr stabilen Eindruck macht, hat sich bei meinem Exemplar der gesamte "Block" mit den Seiten inzwischen etwa zwei Zentimeter aus dem Hardcover-Einband heraus gelöst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich dieses Problem bei den größeren Strapazen im praktischen Einsatz schnell verschärfen wird. Es empfiehlt sich also, das Buch nach Möglichkeit immer flach auf den Tisch zu legen und nicht senkrecht zu halten, um eine möglichst lange Lebensdauer zu erreichen.

 

Die gesamte Gestaltung entspricht dem, was man heutzutage von einem hochwertigen Rollenspiel-Grundregelwerk erwarten kann: durchgehender Farbdruck, kunstvolle Illustrationen und ein professionelles Layout. Die Seitenrandverzierung aus typischem "Elfengeschnörkel" erinnert zwar erschreckend an das Muster auf dem Sofabezug meiner Urgroßmutter, erzeugt aber nichtsdestotrotz durch seinen erdig-grünen Farbton eine angenehme Herr-der-Ringe-Optik, an der man sich auch nach 576 Seiten noch nicht völlig satt gesehen hat. Jedes Kapitel wird mit einer doppelseitigen Groß-Illustration eingeläutet, die fast ausschließlich actiongeladene Kampfszenen zeigen, in denen sich die ikonischen Charaktere des Pathfinder-Systems gegen genretypische Monster in die Schlacht werfen. Daneben befindet sich ein kurzer, pathetischer, die Szene beschreibender Flavor-Text. Zumindest einige dieser Illustrationen kennt man bereits aus diversen Adventure Path-Modulen. Auch innerhalb der Kapitel befindet sich noch eine erkleckliche Anzahl weiterer Illustrationen, die meistens eine halbe Seite groß sind und stilistisch in eine ähnliche Richtung gehen, wenn auch immer im Zusammenhang mit dem Thema, das auf den jeweiligen Seiten gerade behandelt wird. Hinzu kommen dann noch die vielen "kleinen" Zeichnungen der Völker, der ikonischen Charaktere bei den Grund- und Prestigeklassen sowie der Waffen, Rüstungen und anderen Ausrüstungsgegenstände, auf die ich aber in den jeweiligen Kapiteln näher eingehen möchte. Den größten Schwachpunkt stellt leider ausgerechnet das Coverbild dar, das zwar mit dem Kampf gegen einen roten Drachen ein klassisches Fantasy-Motiv zeigt, jedoch tausendmal besser auf ein Manga-Comicbuch gepasst hätte .

 

Das Seiten-Layout ist durchgehend zweispaltig gehalten, auch bei den Zauber-Beschreibungen. Als Rückschritt muss man leider das Design der zahlreichen Tabellen ansehen, da die einzelnen Zeilen nicht mehr mit abwechselnden Hintergrundfarben voneinander abgesetzt sind, wodurch man leichter in den Zeilen verrutscht. Außerdem heben sie sich allgemein schlecht vom Fließtext ab, so dass man kleinere Tabellen schnell übersieht, wenn man die Seiten nur überfliegt.

 

Insgesamt ist das PRG also keine designtechnische Meisterleistung, aber es tut auch ganz sicher nicht in den Augen weh und die Illustrationen sind handwerklich gut gemacht, auch wenn sie meinen eher klassischen Geschmack weitgehend verfehlen. Für ein modernes Rollenspiel-Grundregelwerk sind sie jedoch wahrscheinlich genau das Richtige.

 

Inhalt im Detail

Das PRG ist in eine Einleitung, 15 Kapitel, 4 Anhänge, einen Charakterbogen und einen Index gegliedert, auf deren Inhalt ich in den folgenden Abschnitten detailliert eingehen werde. Kapitel 1 bis 10 enthalten dabei jene Informationen, die man zu 3.5e-Zeiten noch im Spieler-Handbuch (im Folgenden "SHB") vorgefunden hätte, Kapitel 11 bis 15 entsprechend dem Spielleiter-Handbuch (im Folgenden "SLH"). Wenn ich mich im Text auf "3.5e" bzw. "Pathfinder" beziehe, dann ist damit ausschließlich das jeweilige Regelsystem gemeint und nicht etwa irgendeine Kampagnenwelt oder ein bestimmtes Buch. Da ich bei der Masse an Informationen nicht auf jeden noch so kleinen Einzelaspekt eingehen kann, gilt im Zweifelsfall, dass alles, was von mir nicht explizit erwähnt wird, genauso gehandhabt wird wie bei der 3.5e. Bei der Angabe der Seitenzahlen wurden die einleitenden Doppelseiten jedes Kapitels nicht mitgezählt.

 

HINWEIS:

Leser, die sich nicht für jeden Einzelaspekt interessieren und denen eine grobe Zusammenfassung der Änderungen gegenüber der 3.5e reicht, können die folgenden 17 Abschnitte überspringen und bei "Zusammenfassung und Bewertung der Änderungen" wieder einsteigen.

 

Einleitung (2 Seiten)

Dies ist keine Einleitung, sondern ein Vorwort: Monte Cook und Jason Bulmahn haben hier zwei kurze Texte verfasst, die an Langeweile kaum zu überbieten sind. Das vergessen wir mal lieber ganz schnell und wenden uns den wichtigen Dingen zu.

 

Kapitel 1: Auf geht's (10 Seiten)

Na, wenn das mal kein ermutigender Titel für das erste Kapitel ist! Hier findet man denn auch das, was man unter einer Einleitung verstehen würde: Eine kurze Erklärung, was ein Rollenspiel ist, wie es abläuft, was man zum Spielen braucht, wie die Würfel funktionieren, eine Inhaltsangabe jedes einzelnen Kapitels dieses Buchs, einen Glossar der wichtigsten Spielbegriffe, ein kurzes Spielbeispiel in Dialogform und eine Übersicht über die verschiedenen Schritte bei der Charakter-Erschaffung. Na bitte: geht doch!

 

Des Weiteren wurden in diesem Kapitel auch die Regeln für die Attribute untergebracht. Da es sich nach wie vor um die grundlegendsten Werte des gesamten Systems handelt, wäre es töricht gewesen, hier irgendwelche Änderungen vorzunehmen. Dementsprechend sind die bekannten sechs Attribute Stärke (ST), Geschicklichkeit (GE), Konstitution (KO), Intelligenz (IN), Weisheit (WE) und Charisma (CH) alle noch vorhanden.Sie sind auch noch für genau jene Aspekte des Systems zuständig wie in der 3.5e, abgesehen davon, dass bei der Geschicklichkeit vergessen wurde, die Initiative zu erwähnen, aber auch das war schon bei der 3.5e der Fall. Auch die Attributsmodifikatoren und zusätzlichen Zauber für hohe Attributswerte haben sich um kein Jota verändert.

 

Etwas spannender wird es bei den Methoden zur Ermittlung der Attributswerte: Zwar wird auch hier die klassische (3W6), Standard (4W6, niedrigster Würfel zählt nicht) und heldenhafte (2W6+6) Methode vorgestellt, aber es gibt auch ein neues Verfahren: den Würfelvorrat. Man erhält 24W6 und legt fest, wie viele davon man für jedes Attribut nehmen möchte (mindestens 3W6 je Attribut). Der Wert wird dann wie bei der Standard-Methode durch die drei höchsten Wurfergebnisse bestimmt. Im Prinzip handelt es sich also um die Standard-Methode, nur dass man die "Bonus-Würfel" frei verteilen kann. Das hört sich erst mal gut an, allerdings hat der Würfelvorrat gegenüber den anderen Methoden einen entscheidenden Nachteil: Da die Festlegung der Anzahl Würfel für jedes Attribut vor den jeweiligen Würfen erfolgt, kann man nicht vorhersagen, in welchen Attributen man letztendlich gut oder schlecht sein wird - man kann lediglich die Chancen verändern. Diese Methode ist also nur etwas für Spieler, die sich überraschen lassen möchten, auf die Effektivität ihrer Charaktere keinen besonders großen Wert legen oder sich erst aufgrund ihrer Attributswerte für eine Klasse entscheiden wollen - alle anderen werden hiermit sicherlich nicht glücklich.

 

Des Weiteren hat es endlich auch das Punktkaufsystem aus dem SLH hierher geschafft, was dessen allgemeiner Beliebtheit Rechnung trägt (und der Tatsache, dass es üblicherweise bei öffentlichen Veranstaltungen wie z.B. jenen der RPGA bzw. nunmehr der "Pathfinder Society" eingesetzt wurde bzw. wird). Und an diesem wurde auch tatsächlich etwas geschraubt: Statt wie vorher mit einem Wert von 8 zu beginnen und sich dann nur noch höhere Werte kaufen zu können, beginnt man nun mit einem Grundwert von 10, kann aber durch Absenken auf einen Wert von mindestens 7 auch bis zu 4 Steigerungspunkte hinzubekommen. Die Kosten für Werte über 10 wurden nur geringfügig modifiziert, so dass man nun als Ausgleich für die hinzugewonnenen Steigerungspunkte schlicht und ergreifend insgesamt weniger davon bekommt. Hat man bei der Version 3.5e standardmäßig noch 22 Punkte bekommen, so gewährt einem Pathfinder nur 15 Punkte. Für "sehr gefährliche" Kampagnen waren im SLH noch 32 Steigerungspunkte vorgesehen, im PRG sind es nur 25. Dennoch ergibt sich ein leichter Vorteil für das Pathfinder-System, wie man z.B. an der "überdurchschnittlichen Reihe" von Attributswerten sehen kann, wie sie für die NSC im SLH Anwendung gefunden hat: 15, 14, 13, 12, 10 und 8. Nach dem SLH-System würde diese Reihe 25 Punkte kosten (8+6+5+4+2+0), nach dem PRG-System wären es 15 Punkte (7+5+3+2+0-2). Beim SLH-System liegt der Kaufpreis drei Punkte über dem vorgesehenen Wert für Standard-Kampagnen (22), beim PRG-System trifft er ihn mit 15 genau. Bei den Beispielrechnungen mit den Werten der Charaktere aus meiner Gruppe (die alle nach dem SLH-System mit 32 Punkten erstellt wurden), konnte ich feststellen, dass der Unterschied in der Praxis eher geringer ist (wenn überhaupt, dann nur 1 Steigerungspunkt) und in einem Fall sogar das SLH-System um 1 Punkt die Nase vorn hatte. Im Endeffekt dürften die Unterschiede also so gering sein, dass man sich entsprechende Anpassungen sparen kann, wenn man mit dem Punktkaufsystem erstellte Charaktere aus der 3.5e nach Pathfinder konvertiert.

 

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass alle weiteren Methoden zur Attributsermittlung, die noch im SLH enthalten waren, ersatzlos gestrichen wurden - was allerdings in meinen Augen kein Verlust ist.

 

Kapitel 2: Völker (8 Seiten)

Auch das Pathfinder-Rollenspiel kennt die sieben Standard-Spielervölker Elfen, Gnome, Halb-Elfen, Halb-Orks, Halblinge, Menschen und Zwerge. Jedes Volk wird auf einer kompletten Seite beschrieben, wobei die regeltechnischen Informationen - sprich: die Volksmerkmale - jeweils in einem separaten Kasten untergebracht sind. Das sorgt schon mal für Übersichtlichkeit. Die dazugehörigen Illustrationen zeigen jeweils ein männliches oder weibliches Exemplar der entsprechenden Spezies, das - warum auch immer - nur in Unterwäsche gekleidet ist. Vielleicht, damit man besser die Klumpfüße, oberschenkeldicken Unterarme und von Dr. Spock- auf Yoda-Größe angewachsenen Elfenohren erkennen kann, die zwecks Anbiederung an die World of Warcraft-Klientel heutzutage ja offenbar unvermeidlich sind. Zum Glück haben sich all diese Dinge aber nicht regeltechnisch niedergeschlagen, so dass man die Illustrationen auch einfach ignorieren kann.

 

Zu jedem Volk findet man nach einem kurzen Einleitungstext beschreibende Abschnitte zu den Themen "physische Beschreibung", "Gesellschaft", "Beziehungen zu anderen Völkern", "Gesinnung und Religion" und "Abenteuer", sowie eine kleine Liste männlicher und weiblicher Beispielnamen. Natürlich wurden die Beschreibungen auf die Gegebenheiten der Pathfinder-Kampagnenwelt Golarion zugeschnitten, allerdings bleiben die hier aufgeführten Völker auch dort sehr nahe an ihren klassischen Konzepten, so dass sie nach wie vor ohne Probleme universell einsetzbar sind. Die augenfälligsten Änderungen gab es bei den kleinen Völkern: Halblinge wurden von ihrem unfreiwilligen Habitus als "kleine Elfen" in der 3.5e wieder näher in Richtung Tolkien gerückt (inklusive der Haare auf den Füßen) und die Gnome - bei der 3.5e zu relativ nichtssagenden, höhlenbewohnenden Tüftlern degradiert - wurden hier mit Feenwesen assoziiert: Ihre Augen und Münder sind im Verhältnis größer als bei anderen Völkern, so dass es auf diese verstörend wirken kann, sie haben leuchtend bunte Haarfarben, die Frauen tragen exzentrische Frisuren und die Männer haben eine Vorliebe für kuriose Hüte. All dies sind nur Kleinigkeiten, aber mit diesen gelingt es, die Gnome mit genug Eigenständigkeit zu versehen, um sie als Spielervolk wieder interessant werden zu lassen - und das, ohne auch nur ein bisschen an den Regeln zu drehen.

 

Wo wir gerade dabei sind: Auf der Regelseite ist die hervorstechendste Änderung bei den Volksmodifikatoren auf die Attributswerte zu finden. Hier wurde Gerechtigkeit geschaffen: Menschen und Halb-Elfen erhalten ein +2 auf ein beliebiges (!) Attribut, alle anderen Völker ein +2 auf jeweils zwei Attribute und ein -2 auf ein Attribut, so dass sich die Modifikatoren letztendlich bei allen Völkern auf +2 aufsummieren. Des Weiteren ist die Angabe der bevorzugten Klasse entfallen, da diese Regelung nun völlig anders funktioniert (s. Kapitel 3). Hier sei jedoch schon mal darauf hingewiesen, dass Halb-Elfen zwei bevorzugte Klassen wählen dürfen, alle anderen Völker nur eine. Ansonsten sind die Änderungen bei den Volksmerkmalen mit der Lupe zu suchen: Elfen erhalten "Elfenmagie" (ein Bonus beim Überwinden von Zauberresistenz und bei der Identifizierung magischer Gegenstände), verlieren dafür jedoch ihre Fähigkeit, Geheimtüren im Vorbeigehen zu entdecken (danke, Paizo!), Halb-Elfen bekommen das Bonustalent "Fertgkeitsfokus" und Halb-Orks können mit ihrer "Orkischen Wildheit" nun noch eine Runde lang weiterkämpfen, auch wenn sie negative Trefferpunkte haben, und erhalten einen Bonus auf die Fertigkeit "Einschüchtern". Ansonsten kann noch jedes Volk mit jenen Waffen umgehen, in deren Bezeichnung der Name des jeweiligen Volks vorkommt (bei der 3.5e waren das nur bestimmte Waffen), und damit sind die Änderungen dann auch schon komplett.

 

Ich muss sagen, dass mir die Neuerungen bei den Völkern ausnahmslos gut gefallen. Speziell die Flair-Verschiebung bei den Halblingen und insbesondere bei den Gnomen hat es mir sehr angetan. Die größere Herausstellung der Vielseitigkeit von Menschen und Halb-Elfen durch den frei wählbaren Attributsbonus sowie bei den Halb-Elfen zusätzlich die zwei bevorzugten Klassen halte ich ebenfalls für eine gute Idee, und die restlichen Änderungen passen auch alle zum jeweiligen Volk, ohne aufgesetzt oder übertrieben zu wirken - alles in allem also eine rundum gelungene Sache.

 

Kapitel 3: Klassen (54 Seiten)

Bei der Klasse handelt es sich neben den Attributswerten und dem Volk um die dritte grundlegende Eigenschaft eines jeden D&D- und Pathfinder-Charakters, und um jene, welche den größten regeltechnischen Einfluss auf die eigentliche Rolle des SC im Spiel hat. Gerne wird der Vergleich mit Berufen herangezogen, aber dieser ist nicht wirklich treffend - genauer müsste man sagen: Durch die Klasse wird die Funktion des SC innerhalb der Abenteurergruppe definiert. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Klasse oftmals die erste Entscheidung ist, die ein Spieler trifft, wenn ihm ein bestimmtes Charakterkonzept vorschwebt, und alle anderen Eigenschaften werden daraufhin ausgerichtet. Viele Spieler achten auch darauf, möglichst nicht zwei SC mit der gleichen Klasse in der Gruppe zu haben, um ein möglichst breites Spektrum an Aufgabengebieten abdecken zu können und sich nicht gegenseitig in die Quere zu kommen. Die Wahl der Klasse(n) ist also für jeden Charakter von absolut zentraler Bedeutung. In diesem Kapitel werden die elf Grundklassen Barbar, Barde, Druide, Hexenmeister, Kämpfer, Kleriker, Magier, Mönch, Paladin, Schurke und Waldläufer beschrieben - also genau die gleiche Palette wie im SHB.

 

Da es eines der Haupt-Designziele des Pathfinder Rollenspiels war, die Attraktivität der Standard-Grundklassen gegenüber den zahlreichen seit dem SHB erschienenen Prestigeklassen zu steigern (womit auch eine Anhebung des Machtniveaus verbunden sein sollte), kann man wohl davon ausgehen, dass sich hier eine ganze Menge getan hat - ein genauerer Blick ist also angebracht. Und wenn jener gleich als erstes auf die Tabelle für die "Charakter-Erfahrung und stufenabhängige Vorteile" am Anfang dieses Kapitels fällt, dürften die ersten Kinnladen alter 3.5e-Hasen auf den harten Boden der Pathfinder-Tatsachen aufschlagen: Ein Pathfinder-Charakter erhält auf jeder zweiten Stufe ein Talent statt wie bisher auf jeder dritten, und die Erfahrungspunktwerte gehen auf den hohen Stufen wieder bis in die Millionen wie noch zu seligen AD&D-Zeiten!

 

Hat sich der Staub erst einmal gelegt, fällt weiterhin auf, dass Pathfinder statt einer einzigen Spalte mit Erfahrungspunkten derer drei anbietet: Jeweils eine für eine langsame, mittlere und schnelle Aufstiegsgeschwindigkeit, die man je nach Vorliebe der Gruppe frei wählen kann. Zwar braucht man auch bei der "schnellen" Variante für jede Stufe - insbesondere den höheren - noch erheblich mehr Erfahrungspunkte als bei der 3.5e, da jedoch das System zu deren Berechnung komplett über den Haufen geworfen wurde, lässt dies keine Rückschlüsse auf oder gar eine Vergleichbarkeit mit der tatsächlichen Aufstiegsgeschwindigkeit gegenüber der 3.5e zu. Antworten auf derlei Fragen sind wohl nur nach einigen Praxistests möglich.

 

Fällt die Bewertung der bis hierhin aufgezählten Änderungen also noch etwas schwer, so trifft dies ganz und gar nicht auf eine weitere Änderung zu: Nämlich jene der bevorzugten Klasse. Wir erinnern uns: Bei der 3.5e diente die bevorzugte Klasse dazu, um Straf-Abzüge auf die Erfahrungspunkte zu vermeiden, wenn bei der Wahl einer Klassenkombination die Stufen der einzelnen Klassen zu stark voneinander abwichen. Diese bei vielen Spielern unbeliebte Regelung wurde jedoch ohnehin in nicht wenigen Gruppen per Hausregel ausgesetzt, womit auch die bevorzugte Klasse obsolet wurde. Dies ist nun alles passé: Jeder Charakter darf sich auf der 1. Stufe eine bevorzugte Klasse nach Belieben aussuchen (Halb-Elfen sogar zwei), und erhält dann, wenn er in Zukunft in einer dieser Klassen aufsteigt, wahlweise einen zusätzlichen Trefferpunkt oder einen zusätzlichen Fertigkeitsrang. Der Nachteil für Charaktere mit Klassenkombination wurde also in einen Vorteil für alle Charaktere umgewandelt (denn auch SC mit nur einer Klasse profitieren ja davon), ohne dabei den Sinn dieser Regel aus den Augen zu verlieren: das übermäßige Kombinieren sehr vieler Klassen weniger schmackhaft zu machen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei Pathfinder niemand so schnell auf die Idee kommen wird, die bevorzugte Klasse wegzuhausregeln.

 

Nach diesen allgemeinen Ausführungen folgen dann die Beschreibungen jeder einzelnen Klasse. Sie beginnen mit einem kurzen Einleitungstext und einem noch kürzeren Absatz zur Rolle innerhalb der Abenteurergruppe, der allerdings für 3.5e-Kenner keinerlei Überraschungen bereit hält. Danach geht es gleich mit der harten Regelkost weiter: Gesinnungseinschränkungen, Trefferwürfel und Klassenfertigkeiten werden aufgeführt, danach folgen die ausführlichen Erläuterungen zu den jeweiligen Klassenmerkmalen - genau wie man es aus der 3.5e kennt. Ebenfalls wie gehabt gibt es zu jeder Klasse eine Tabelle, die den Grundangriffsbonus, die Grundboni auf die Rettungswürfe, die Klassenmerkmale sowie ggf. die Anzahl Zauber pro Tag auflistet, welche ein jeder Charakter von der 1. bis zur 20. Stufe erhält.

 

Die Grund-Angriffsboni und die Grundboni auf die Rettungswürfe sind bei keiner einzigen Klasse gegenüber der 3.5e modifiziert worden - mit einer Ausnahme: Der Paladin hat nun einen "guten" Willenswurf (also die Reihe, die bis +12 geht), was auch Sinn macht. Allerdings wurden bei einigen Klassen die Trefferwürfel erhöht: Hexenmeister und Magier von W4 auf W6, Barde und Schurke von W6 auf W8 und Waldläufer von W8 auf W10. Es gibt nun also keine Klasse mehr, die noch einen W4 als Trefferwürfel hat. Bei der Anzahl der verfügbaren Zauber pro Tag hat es - wenn überhaupt - nur sehr geringfügige Änderungen gegeben, so dass ich es mir ersparen werde, darauf im Einzelfall einzugehen. Eine Sache ist jedoch noch erwähnenswert: Alle Klassen, die über Zauber des Grades 0 verfügen (also Barde, Druide, Hexenmeister, Kleriker und Magier) können diese Zauber nun unbegrenzt oft wirken. Sie müssen zwar ggf. noch vorbereitet werden, aber ist dies einmal geschehen, bleiben sie in ihren "Gehirnfreiplätzen" erhalten. Wer hier bereits Missbrauchspotenzial wittert, der sei beruhigt: Der Klerikerzauber Kleinere Wunden heilen, der bei der 3.5e noch 1 Trefferpunkt heilen konnte, und auf diese Art und Weise natürlich jegliche andere Art der Heilung überflüssig gemacht und die Gruppe nach jeder Begegnung wieder komplett geheilt hätte, wurde durch den Zauber Stabilisieren ersetzt, mit dem eine sterbende Kreatur stabilisiert werden kann, aber keinen Trefferpunkt erhält.

 

Bis hierher sorgen also insbesondere die Erhöhung der Talentanzahl und der Trefferwürfel schon mal für eine Steigerung des Machtniveaus, aber um mit der Attraktivität von Prestigeklassen konkurrieren zu können, reicht das natürlich noch nicht aus (die höhere Talentanzahl wirkt sich ja ohnehin auf alle Charaktere aus, ob nun mit Prestigeklasse oder nicht). Das Gros der Neuerungen dürfte sich also hauptsächlich in den jeweiligen Klassenmerkmalen wiederfinden.

 

Bevor wir uns diese im Detail anschauen, sei jedoch noch ein Wort zu den Illustrationen der ikonischen Charaktere verloren, die die Klassenbeschreibungen zieren. Wer den ersten Adventure Path "Rise of the Runelords" verfolgt hat, wird ja schon einige von den Titelbildern der einzelnen Ausgaben kennen: Den Kämpfer Valeros, die Hexenmeisterin Seoni, die Schurkin Merisiel, etc. Diese stammen bekanntlich allesamt aus der Feder von Wayne Reynolds und sind handwerklich hervorragend, auch wenn deren völlige Überfrachtung mit Ausrüstungsdetails hart ans Lächerliche grenzt (ein Effekt, der sicherlich beabsichtigt ist). Was mich an diesen Zeichnungen aber viel mehr stört: So eindrucksvoll sie auch sind - nicht ein einziger dieser ikonischen Charaktere ist mir auch nur ansatzweise sympathisch. Sie alle starren den Betrachter aggressiv/bedrohlich oder herablassend/arrogant an und wirken dabei auf mich dermaßen abweisend, dass ich mich niemals mit einem dieser Wichtigtuer identifizieren wollen würde. Mag sein, dass Fantasykunst heutzutage so aussehen muss, um junge Leute anzusprechen, aber ich kann beim besten Willen nicht damit warm werden. Dies gesagt, hier nun der genaue Blick auf die Klassen:

 

Barbar: Punkt eins: Barbaren sind keine Analphabeten mehr. Huzzah! Scherz beiseite: Der Barbar ist nach wie vor jene Klasse, die am meisten austeilen und am meisten einstecken kann. Ihr hervorstechendstes Merkmal ist der Kampfrausch - versetzt er sich in diesen, erhält er Boni auf seine Stärke, Konstitution (= mehr Trefferpunkte) und Willenswürfe, aber auch einen Malus auf seine Rüstungsklasse. Und wenn er seinen Kampfrausch wieder beendet, ist er eine gewisse Zeit lang erschöpft - so weit kennt man das schon alles. Auch die anderen Klassenmerkmale des Barbaren wie (verbesserte) Reflexbewegung, Fallengespür, Schadensreduzierung und die Verbesserungen der Boni beim Kampfrausch auf höheren Stufen sind nicht neu. Etwas verändert wurde die Art und Weise, wie oft sich der Barbar in den Kampfrausch versetzen kann: Anstatt eine gewisse Anzahl Anwendungen pro Tag mit einer festgelegten Maximal-Dauer zu erhalten wie bei der 3.5e, hat der Barbar nun eine bestimmte Anzahl von Runden pro Tag zur Verfügung, die er sich nach Belieben einteilen kann, und die sich bei jedem Stufenaufstieg erhöht. Das ist ein bisschen leichter zu handhaben und sorgt vor allen Dingen für mehr Flexibilität: Dem Barbaren dürfte die Entscheidung, sich in den Kampfrausch zu versetzen, nun leichter fallen - schließlich hat er damit nicht gleich eine ganze Anwendung für den Tag verbraucht, sondern kann sich schnell wieder "entrauschen", sollte es sich als Verschwendung entpuppen.

 

Der eigentliche Clou kommt aber erst noch: Auf jeder geraden Stufe erhält der Barbar eine sogenannte "Kampfrauschkraft" - eine besondere Fähigkeit, die er nur im Kampfrausch einsetzen kann. Und diese Fähigkeiten haben es in sich: Boni auf Attribute, Schaden, Angriff, Rettungswürfe, Rüstungsklasse oder Schadensreduzierung sind drin, aber auch Selbstheilung, Immunität gegen bestimmte Zustände, ein zusätzlicher Bissangriff, Dämmer- und Nachtsicht, zusätzliche Gelegenheiten für Gelegenheitsangriffe, die Fähigkeit des Geruchssinns, um unsichtbare Feinde ausfindig machen zu können, oder ein Kampfschrei, der die Gegner in Panik versetzen kann. Insgesamt 28 Kampfrauschkräfte werden hier aufgeführt, die jedoch teilweise erst auf höheren Stufen verfügbar sind oder aufeinander aufbauen ähnlich wie Talente. Also jetzt noch mal - und dieses Mal im vollen Ernst: Huzzah!

 

Barde: Ein Barde steht in dem Ruf, von allem ein bisschen zu können, aber nichts so richtig, und von allem ein bisschen zu wissen. Sein besonderes Merkmal sind seine Darbietungen - zumeist musikalischer Natur - mit denen er zauberähnliche Effekte wirken kann, die seinen Gefährten nützen, seinen Gegnern schaden, oder beides. Daran hat sich auch bei Pathfinder nichts geändert. Allerdings hat sich jedes seiner Klassenmerkmale ein klein wenig verbessert: Die diversen magischen Lieder bzw. deren Verbesserungen stehen ihm nun bereits auf niedrigeren Stufen zur Verfügung (z.B. Lied des Mutes +2 auf der 5. statt wie bisher erst auf der 8. Stufe) oder verbessern sich überhaupt (z.B. Lied des Erfolges steigert sich von +2 auf der 3. Stufe bis zu +6 auf der 19. Stufe). Außerdem sind noch einige Lieder hinzugekommen, wie das "Klagelied", durch das Gegner "erschüttert" werden, oder der "erfrischende Auftritt", der den Effekt eines Massen-Schwere Wunden heilen-Zaubers hat. Das "Lied der Furcht" lässt Gegner die Flucht ergreifen und die auf der 20. Stufe verfügbare "Tödliche Melodie" beseitigt das Problem schließlich endgültig. Das Bardenwissen ist nunmehr kein separat berechneter Wert mehr, sondern schlägt sich als Bonus auf alle Wissensfertigkeiten nieder, was den Vorteil hat, dass man als SL und Abenteuer-Autor nicht mehr mit zwei verschiedenen SG hantieren muss. Witzig ist auch die Idee, dass der Barde bestimmte (hauptsächlich soziale) Fertigkeiten durch seine Auftrittsformen ersetzen kann: Ein Tier mit einem Waldhorn antreiben? Dem örtlichen Regenten etwas auf der Laute vorspielen anstatt ihn einfach nur zu überreden? Alles möglich. Auf höheren Stufen kann der Barde schließlich noch auf Wissensfertigkeiten 10 oder ggf. sogar 20 nehmen, alle Fertigkeiten ungeübt einsetzen, etc.

 

All diese Dinge mögen nur Kleinigkeiten sein, aber durch die Änderungen, die Pathfinder an dieser Klasse vornimmt, wird deren Haupteigenschaft - die Vielseitigkeit - noch einmal ganz dick und fett unterstrichen. Spieler, die gerne mit außergewöhnlichen Ideen aufwarten, finden mit dem Barden garantiert eine Möglichkeit, diese in die Tat umzusetzen. Motto: "Geht nicht" gibts nicht.

 

Druide: Auch dem Druiden stehen durch seine Fähigkeiten viele Möglichkeiten zur Überwindung von Herausforderungen offen, allerdings ist er für Einsteiger ein regeltechnischer Alptraum: Eine große Auswahl göttlicher Zauber, ggf. ein Tiergefährte, sowie die Fähigkeit, sich selbst in ein Tier, ein Elementar- oder ein Pflanzenwesen zu verwandeln, machen diese Klasse zu einer der anspruchsvollsten des gesamten Systems. Von einem versierten Spieler gesteuert, kann sie sich allerdings auch als eine der mächtigsten erweisen, vor allen Dingen natürlich in der Wildnis. Schaut man sich die Änderungen gegenüber der 3.5e an, so fällt zunächst einmal auf, dass die ganzen sonstigen Fähigkeiten des Druiden wie Tierempathie, das "von Unterholz nicht behindert werden", in natürlicher Umgebung keine Spuren zu hinterlassen, der Bonus gegen Zauber und -ähnliche Effekte von Feenwesen, Immunität gegen Gift, sowie die auf den höheren Stufen verfügbaren Gaben, sein Aussehen zu verändern und seine Alterung auszusetzen, allesamt unverändert geblieben sind.

 

Seine beiden Hauptmerkmale wurden allerdings kräftig überarbeitet: Die erweiterten Auswahlmöglichkeiten bei seiner Tiergestalt stehen dem Druiden nun auf niedrigeren Stufen zur Verfügung (eine "große" Tiergestalt beispielsweise bereits auf der 6. statt wie bisher auf der 8. Stufe), dafür wurde der zugrunde liegende Zauber auf mehrere Grade aufgeteilt, ähnlich wie früher schon die Monster herbeirufen-Zauber. Mit römischen Ziffern versehen gewähren sie dem Anwender nun immer mehr der besonderen Eigenschaften, die ein Tier der jeweiligen Gattung ggf. mit sich bringt. Für die Elementar- und Pflanzenversionen dieser Fähigkeit gibt es dann wieder eigene, gleichfalls aufgefächerte Zauber, und außerdem muss man noch die Regeln beachten, die im Magie-Kapitel für alle Verwandlungszauber der Unterkategorie "Gestaltwechsel" zu finden sind. Wie mächtig die gewählte Tiergestalt tatsächlich ist, scheint bei Pathfinder mehr vom Grad des eingesetzten Zaubers abzuhängen als von der gewählten Tierart wie noch bei der 3.5e, was eine klare Verbesserung der Spielbalance ist. Trotzdem: auch bei Pathfinder ist es nach wie vor unmöglich, die Art seiner Tiergestalt spontan zu wählen, will man nicht den halben Spielabend mit Berechnungen und dem Heraussuchen von Werten verbringen. Und außerdem bräuchte man für eben jene Werte natürlich das "Pathfinder-Monsterhandbuch". Bleibt zu hoffen, dass dieses erscheint, bevor irgendein Spieler mit seinem Druiden die 4. Stufe erreicht.

 

Das zweite Hauptmerkmal dieser Klasse ist bzw. war der Tiergefährte, der den Druiden auf seinen Abenteuern begleitet und - so ist es jedenfalls gedacht - auch im Kampf unterstützt. Hier fällt zunächst einmal auf, dass der Druide nunmehr die Wahl hat, auf seinen Tiergefährten komplett zu verzichten und sich stattdessen für den Zugriff auf eine der Kleriker-Domänen Erde, Feuer, Luft, Pflanzen, Tiere, Wasser oder Wetter zu entscheiden - samt zusätzlichem Zauberslot und den Kräften, die diese Domänen verleihen. Das ist schon mal eine gute Option für jene Druiden-Spieler, die sich bisher an dem Widerspruch gestört haben, dass der Druide einerseits als Beschützer und Bewahrer der Natur auftritt, aber andererseits kein Problem damit hat, Tiere für sich kämpfen zu lassen. Entscheidet man sich dennoch für den Tiergefährten, so kann man feststellen, dass er quasi zu einem vollwertigen eigenen Charakter aufgewertet wurde: Es gibt nun eine eigene Aufstiegstabelle für Tiergefährten von der 1. bis zur 20. Stufe (des Druiden) mitsamt Attributserhöhungen und einer auf Tiere zugeschnittenen Auswahl an Fertigkeiten und Talenten - zusätzlich zu den Vorzügen, die ein Tiergefährte bereits bei der 3.5e erhalten hat. Positiv zu vermerken ist, dass hier bereits die Werte für insgesamt 17 Tierarten mitgeliefert werden, die als Tiergefährte dienen können. Diese Werte unterscheiden sich nämlich von jenen im Monster-Handbuch, da die Regelung entfallen ist, dass bestimmte Tierarten erst auf höheren Stufen zur Verfügung stehen. Stattdessen fangen die Tiere nun "klein" an und wachsen mit dem Druiden mit, womit oftmals bei Erreichen einer bestimmten Stufe auch eine Erhöhung der Größenkategorie und/oder der Attributsmodifikatoren einhergeht. Dies alles hat zur Folge, dass der Druide nun seinen Tiergefährten von der 1. bis zur 20. Stufe behalten kann und nicht mehr wie früher in die unangenehme Situation gerät, seinen Tiergefährten wechseln zu müssen, weil der alte mit der Effektivität seines Herrchens nicht mehr mithalten kann.

 

Alles in allem hat der Druide also keine bahnbrechend neuen Fähigkeiten bekommen, aber die bestehenden Regelungen wurden m.E. erheblich verbessert, insbesondere der Tiergefährte. Zwar ist die Tiergestalt immer noch ein einziger, unhandlicher Regel-Moloch, aber dass sich daran etwas ändern würde, war auch nicht wirklich zu erwarten. Es bleibt dabei: Druiden sind toll, aber man sollte auch wissen, worauf man sich da einlässt.

 

Hexenmeister: Als "Magier für Arme" verschrien konnte sich der Hexenmeister bei der Spielerschaft bisher keiner allzu großen Beliebtheit erfreuen und hatte sogar schon fast den Status einer NSC-Klasse angenommen, da in vielen Kaufabenteuern statt Magiern plötzlich überwiegend Hexenmeister als Gegner aufgetaucht sind. Dazu beigetragen hat aber sicherlich auch, dass seine quasi nicht vorhandenen Klassenmerkmale (bis auf einen Vertrauten war da nämlich nichts) kaum einem Spieler als reizvoll erschienen sein dürften. Das Einzige, was einen Hexenmeister ausgemacht und ihn gleichzeitig vom Magier abgegrenzt hat, war seine Fähigkeit, seine arkanen Zauber nicht vorbereiten zu müssen: Er erhält einfach je Grad eine gewisse Anzahl von Zaubern pro Tag, die er nach Belieben für die wenigen Zauber, die er beherrscht, nutzen kann. Daran hat sich auch bei Pathfinder nichts geändert (auch die Anzahl der Zauber pro Tag und der bekannten Zauber ist exakt gleich geblieben wie bei der 3.5e), aber bei den Klassenmerkmalen haben die Pathfinder-Autoren aus dem Vollen geschöpft: Blutlinien.

 

Die Philosophie hinter dem Hexenmeister war ja schon immer, dass er seine Zauber nicht durch angelerntes Wissen aus Büchern erhält wie der Magier, sondern quasi "aus dem Bauch heraus" wirkt. Als Erklärung dafür, dass er diese Kräfte hat, wurde ihm im SHB unterstellt, dass in seinen Adern das Blut von Drachen fließt. Diese Idee haben die Pathfinder-Autoren offenbar aufgegriffen, weitere mögliche Quellen für die geheimnisvolle Herkunft der Zauberkräfte des Hexenmeisters hinzugefügt und das Ganze in Regeln gegossen. Herausgekommen sind dabei die Blutlinien, bei denen es sich im Grunde um einen Satz alternativer Klassenmerkmale handelt, die je nach der gewählten Blutlinie variieren. Jede Blutlinie gewährt dem Hexenmeister eine Fertigkeit als Klassenfertigkeit (zumeist eine Wissensfertigkeit), insgesamt 9 Bonuszauber, die er ab der 3. und danach alle zwei Stufen erhält, jeweils ein Bonustalent auf der 7., 13. und 19. Stufe, das er aus einer zu seiner Blutlinie passenden Liste auswählen kann, eine besondere Eigenschaft sowie weitere, auf die Blutlinie zugeschnittene Klassenmerkmale auf der 1., 3., 9., 15. und 20. Stufe. Insgesamt 10 Blutlinien werden hier auf 6 Seiten ausgewalzt: Die "Abnormale Blutlinie", die "Arkane Blutlinie", die "Blutlinie des Grabes", die "Dämonische Blutlinie", die "Drachenblutlinie", die "Elementare Blutlinie", die "Feenblutlinie", die "Himmlische Blutlinie", die "Schicksalhafte Blutlinie" und die "Teuflische Blutlinie".

 

Als Beispiel dafür, welche Auswirkungen so eine Blutlinie mit sich bringt, schauen wir uns die besonderen Klassenmerkmale der "Blutlinie des Grabes" einmal etwas genauer an: Die Idee dahinter ist, dass die "Berührung des Todes" auf der Familie des Hexenmeisters liegt, d.h. er könnte z.B. einen mächtigen Leichnam oder Vampir unter seinen Ahnen haben oder wurde tot geboren, bevor er dann plötzlich doch zum Leben erwacht ist - jedenfalls ist der Hexenmeister von der "Kälte des Todes" umgeben. Dies hat schon mal zur Folge, dass körperliche Untote, die einmal Humanoide waren, für den Hexenmeister als Humanoide gelten, wenn es darum geht, welche Zauber auf sie wirken - was sie z.B. anfällig für die geistesbeeinflussenden Zauber des Hexenmeisters macht. Auf der 1. Stufe erhält der Hexenmeister die Möglichkeit, einen Berührungsangriff durchzuführen, der seine Opfer "erschüttern" oder sogar in Panik versetzen kann. Auf der 3. Stufe kommen eine Resistenz gegen Kälte sowie eine Schadensreduzierung gegen Betäubungsschaden hinzu, die sich auf der 9. Stufe noch einmal erhöhen. Des Weiteren erhält er auf der 9. Stufe die Möglichkeit, knöcherne Arme aus dem Boden hervorschießen zu lassen, die seine Gegner treffen und ggf. festhalten können. Ab der 15. Stufe kann der Hexenmeister zeitweise eine körperlose Gestalt annehmen und ab der 20. Stufe beginnt er zu verwesen, was ihm einige der Eigenschaften von Untoten einbringt. Wie gesagt: dies ist nur ein Beispiel, die anderen Blutlinien gewähren dem Hexenmeister ganz andere Kräfte. Viele davon erinnern ein wenig an jene einiger Prestigeklassen, die noch aus der 3.5e bekannt sind (Drachenjünger, Elementargelehrter, Schicksalsweber, Geomant), oder an bestimmte Schablonen (Infernalische/Celestische Kreaturen).

 

Zu guter Letzt sei noch erwähnt, dass alle Hexenmeister nun das Talent "Materialkomponentenlos zaubern" als Bonustalent erhalten und nur noch dann einen Vertrauten herbeirufen können, wenn sie die "Arkane Blutlinie" gewählt haben.

 

Es dürfte offensichtlich sein, dass der Hexenmeister durch die Blutlinien enorm aufgewertet wurde, und zwar im Hinblick auf seine Attraktivität für Spieler wie auch auf sein Machtniveau. Auf der anderen Seite büßt er dadurch seinen Status als "magische Anfängerklasse" etwas ein, was schon daran erkennbar ist, dass er nun diejenige Klasse ist, deren Beschreibung in diesem Buch den meisten Platz einnimmt (mit Ausnahme des Klerikers, was aber nur an dessen ganzen Domänenbeschreibungen liegt). Mir persönlich ist das eigentlich schon ein bisschen zu viel des Guten, aber man kann nicht behaupten, dass die Blutlinien an sich eine schlechte Idee wären - ganz im Gegenteil.

 

Kämpfer: Welche Rolle ein Kämpfer in einer Abenteurergruppe spielt, muss vermutlich auch einem Anfänger nicht erklärt werden. Deswegen will ich hier gleich auf die Änderungen beim Pathfinder-System gegenüber der 3.5e eingehen: Wie gewohnt erhält der Kämpfer auf der 1. und danach auf jeder geraden Stufe ein Bonus-Kampftalent, was nun jedoch in Kombination mit den normalen Talenten, die jeder SC auf allen ungeraden Stufen erhält, dazu führt, dass ein Kämpfer auf jeder (!) Stufe ein Talent bekommt. Des Weiteren kann er seine Bonustalente unter gewissen Voraussetzungen auch später durch Umtrainieren austauschen, außerdem haben alle Kämpfer nun einen Bonus auf Willenswürfe gegen Furcht und können mit Hilfe ihres Rüstungstrainings sämtliche Einschränkungen, die mit dem Tragen von mittelschweren oder schweren Rüstungen einhergehen (Rüstungsmali, maximale GE-Boni, Verringerung der Bewegungsrate), im Laufe der Zeit immer weiter absenken bzw. ignorieren. Durch sein Waffentraining kann sich der Kämpfer bestimmte Waffengruppen aussuchen (z.B. Äxte, Bögen, leichte oder schwere Klingen, etc.), bei denen er zusätzliche Boni auf Angriff und Schaden erhält. Auch diese steigen natürlich auf höheren Stufen immer weiter an. Auf der 19. Stufe erlangt er sogar eine Schadensreduzierung, solange er eine Rüstung oder einen Schild trägt, und auf der 20. Stufe bestätigt er mit seiner Lieblingswaffe automatisch jede Bedrohung zu einem kritischen Treffer und erhöht dessen Multiplikator.

 

Klare Sache: Auch der Kämpfer wurde nicht unerheblich aufgepumpt, wenn auch nicht auf sonderlich phantasievolle Art und Weise. Nach wie vor definiert er sich hauptsächlich über seine Talentauswahl und nicht über seine Klassenmerkmale.

 

Kleriker: Als der ultimative göttliche Zauberwirker, der sich auch im Nahkampf nicht in die hinterste Reihe stellen muss, gilt der Kleriker nicht ohne Grund als eine der mächtigsten Klassen überhaupt. Oftmals hängt die Schwierigkeit eines Abenteuers nicht unwesentlich von der Tatsache ab, ob sich ein Kleriker bei der Gruppe befindet oder nicht, da dieser eine Fähigkeit mitbringt, die für annähernd jeden Abenteurer von zentraler Bedeutung ist: Heilung. Diese Prämisse hat auch bei Pathfinder nach wie vor Gültigkeit, nichtsdestotrotz wurde auch der Kleriker ein wenig aufgemöbelt: Die aus der 3.5e bekannte Fähigkeit, Untote vertreiben oder beeindrucken zu können, wurde in das etwas universeller einsetzbare "Energie fokussieren" umgewandelt: Gute Kleriker können nun eine Welle göttlicher Macht in Form von positiver Energie freisetzen, die in 9 m Umkreis wahlweise bei untoten Wesen Schaden verursacht oder bei lebenden Wesen heilt, böse Kleriker können genau das Gleiche mit negativer Energie, was den umgekehrten Effekt zur Folge hat. Die Höhe des verursachten bzw. geheilten Schadens reicht von 1W6 auf der 1. Stufe bis 10W6 auf der 19. Stufe. Kleriker-Spielern, denen dieses System nicht zusagt, haben jedoch die Möglichkeit, mittels der Talente "Untote vertreiben" bzw. "Untote befehligen" den alten Status quo wiederherzustellen. De facto wurde hier also eine Regelvariante aus dem "Buch des Glaubens" zum Standard gemacht und der bisherige Standard zur Ausnahme. Das ist durchaus in Ordnung, aber warum die beiden Varianten nicht auf die gleiche Stufe gestellt wurden und man für die meiner Ansicht nach weniger reizvolle Vertreiben/Befehligen-Option gezwungen wird, auch noch ein Talent zu opfern, entzieht sich meiner Vorstellungskraft.

 

Der zweite Aspekt, der beim Kleriker gründlich überarbeitet wurde, sind die Domänen. Die Verschiebung aus den Zauberlisten im SHB an diese Stelle macht auch Sinn, da bei den Domänen nun nicht mehr die zusätzlichen Zauber im Vordergrund stehen (die diese nach wie vor gewähren), sondern die besonderen Kräfte, die ein Kleriker durch sie erhält. Nicht nur, dass es nun immer mindestens zwei Kräfte sind - eine auf der 1. Stufe und eine weitere auf einer höheren (meistens der 8.) Stufe - auch die Kräfte selbst wurden gegenüber der 3.5e sehr viel interessanter gestaltet: Als Beispiel sei hier die "Domäne des Guten" genannt, die bei der 3.5e lediglich die Kraft gewährt hat, für "gute" Zauber die Zauberstufe um 1 zu erhöhen. Bei Pathfinder dagegen hat der Kleriker ab der 1. Stufe die Fähigkeit, per Berührung seinem Ziel einen göttlichen Bonus in Höhe seiner halben Stufe auf alle Angriffs-, Fertigkeits-, Attributs- und Rettungswürfe zu verleihen, und ab der 8. Stufe kann er eine Waffe durch Berührung für eine gewisse Zeit lang zu einer "heiligen" Waffe machen. Auf ähnliche Art und Weise wurden die Kräfte aller 33 hier vorgestellten Domänen - auch jener, die namentlich bereits aus dem SHB bekannt sind - überarbeitet, so dass es sich hier quasi um 33 neue Domänen handelt.

 

Schlussendlich ist noch die Tabelle mit den 20 "Kern-Gottheiten" des Pathfinder-Universums erwähnenswert, die zumindest schon mal einen groben Überblick über den Pantheon der Kampagnenwelt Golarion ermöglicht. Auffällig ist, dass jede Gottheit den Zugriff auf fünf oder gar sechs Domänen gewährt, was gegenüber den bei der 3.5e üblichen drei oder vier Domänen noch einmal die Wahlmöglichkeiten des jeweiligen Klerikers erhöht. Alles in allem muss ich sagen, dass mir die Änderungen am Kleriker - insbesondere natürlich die neuen Kräfte der Domänen - durchweg gefallen - was allerdings auch daran liegen könnte, dass die Regelvariante für das Vertreiben von Untoten aus dem "Buch des Glaubens" bei uns ohnehin schon Anwendung findet.

 

Magier: Der Magier ist der ultimative arkane Zauberwirker unter den Standard-Grundklassen. Da seine Magie durch das Tragen von Rüstungen behindert und er in aller Regel mit nicht allzu vielen Trefferpunkten gesegnet ist, sollte er sich aus Nahkämpfen besser heraushalten. Dafür verleihen ihm seine magischen Kräfte jedoch insbesondere auf höheren Stufen eine Macht, die ihresgleichen sucht und eine ebensolche Flexibilität dazu: Kaum ein Problem, das ein Magier nicht mit dem passenden Zauberspruch lösen könnte. Was kann man einer Klasse noch an zusätzlichen Optionen bieten, die ohnehin schon fast alles kann? Nun, zunächst einmal darf sich ein Pathfinder-Magier statt eines Vertrauten wahlweise auch einen sogenannten "Fokus" zulegen. Dabei handelt es sich um eine mächtige Verbindung mit einem Gegenstand, meistens ein Schmuckstück, eine Waffe oder ein Stecken (alles andere wäre aber auch möglich). Durch seinen Fokus ist der Magier einmal pro Tag in der Lage, einen Zauber, der sich in seinem Zauberbuch befindet, zu wirken, als hätte er ihn vorbereitet. Des Weiteren kann er aus seinem Fokus einen entsprechenden magischen Gegenstand herstellen, ohne das dazu notwendige Talent besitzen zu müssen. Ich halte einen Vertrauten zwar nach wie vor für reizvoller, aber für Magier-Spieler, denen der Umgang mit einem Tier eher lästig ist, stellt der Fokus sicherlich eine äußerst interessante Alternative dar.

 

Das ist jedoch noch nicht alles - die Spezialisierung auf eine Schule wurde erheblich aufgebrezelt: Neben dem bereits bekannten zusätzlichen Zauberslot für einen Zauber aus der gewählten Schule erhält der Magier drei besondere, von der Schule abhängige, Fähigkeiten: zwei davon sofort und eine auf einer höheren (meistens der 8.) Stufe - ganz ähnlich also wie bei den Domänen des Klerikers. Bei den meisten dieser Fähigkeiten handelt es sich um übernatürliche oder zauberähnliche Fähigkeiten, die ähnliche Wirkungen wie metamagische Talente oder bestimmte Zauber haben. So kann z.B. ein Thaumaturg die Hälfte seiner Magierstufe auf den Schaden seiner Hervorrufungszauber addieren und mehrmals pro Tag ein Energiegeschoss abfeuern, das einem Magischen Geschoss ähnelt. Ab der 8. Stufe kann er zudem eine Wand aus einer beliebigen Energieform erschaffen, ähnlich dem Zauber Feuerwand. Ein Nekromant beispielsweise erhält wahlweise "Untote vertreiben" oder "Untote beeindrucken" als Bonustalent - ganz wie ein Kleriker bei der 3.5e - und kann mit seiner Berührung Gegner "erschüttern" oder in Panik versetzen. Auf der 8. Stufe erhält er eine Art Blindsicht, die jedoch nur bei untoten und lebenden Kreaturen wirkt.

 

Außerdem wurden die Nachteile einer Spezialisierung entschärft: Zauber aus entgegengesetzten Schulen sind nun nicht mehr vollends verboten, sondern belegen einfach zwei Zauberslots des entsprechenden Grades, wenn sie vom Magier vorbereitet werden. Damit ein Magier ohne Spezialisierung dagegen nicht völlig verblasst, bietet auch die "Allgemeine Schule" zwei interessante Fähigkeiten für den sogenannten "Universalisten". Wie beim Kleriker ist es den Pathfinder-Autoren also auch beim Magier gelungen, dem bei der 3.5e relativ langweiligen, weil rein rechnerischen Vorteil eines wichtigen Klassenmerkmals das "gewisse Etwas" zu verpassen - Änderungen dieser Art kann man eigentlich nur begrüßen.

 

Mönch: Der Mönch ist ein Nahkämpfer, dessen Waffe und Rüstung sein eigener Körper ist.Durch unerbittliche Hingabe an die Kampfkünste gelingt es ihm schließlich, sich eine Unmenge an außergewöhnlichen und übernatürlichen Fähigkeiten anzueignen, welche die natürlichen Möglichkeiten eines Normalsterblichen bei Weitem übersteigen. Klar: auch der Pathfinder-Mönch stellt wie sein Vorgänger bei der 3.5e einen fernöstlichen Kampfmönch dar und hat nichts mit der Vorstellung christlichen Mönchtums zu tun. Dementsprechend hat er eine Vielzahl von Klassenmerkmalen, die ihn auch und gerade ohne Waffe oder Rüstung zu einem sehr gefährlichen Gegner machen, wobei sein waffenloser Schlag und sein Schlaghagel besonders hervorstechen.

 

Die Änderungen bei Pathfinder gegenüber der 3.5e sind mannigfaltig: Der RK-Bonus des Mönchs steigt nun alle 4 Stufen um +1, nicht mehr nur alle 5. Die Liste der Bonustalente, aus denen er sich auf der 1., 2. und dann alle 4 Stufen eines auswählen darf, wurde erweitert. Sein betäubender Schlag verursacht auf höheren Stufen nun wahlweise zusätzliche Effekte, wie z.B. "erschöpft" oder "kränkelnd", schließlich sogar Lähmung. Auf der 4. Stufe erhält er nun einen Vorrat an Ki-Punkten, die er dazu einsetzen kann, einen zusätzlichen Schlag beim Schlaghagel zu erhalten, oder seine Bewegungsrate oder Rüstungsklasse zu erhöhen (bereits bekannte Merkmale wie die "Unversehrtheit des Körpers", der "Weite Schritt" und "Körper lösen" bedienen sich nun jedoch auch aus diesem Topf). Seine Immunität gegen Krankheiten wurde auch auf übernatürliche und magische Krankheiten ausgedehnt und seine neue Fähigkeit "Hochsprung" verleiht ihm einen hohen Bonus auf alle Arten von Sprüngen. Die "Vibrierende Handfläche" kann er nun einmal pro Tag einsetzen, anstatt einmal pro Woche, die Schadensreduzierung von "Perfektes Selbst" wurde von 10/Magie auf 10/Chaos geändert. Schließlich wird für die Berechnung der Anzahl Angriffe seines Schlaghagels nun so getan, als hätte er den Grund-Angriffsbonus eines Kämpfers samt dessen Angriffs-Progression - inklusive der zusätzlichen Angriffe, die ein Schlaghagel ohnehin schon gewährt. Damit wird die Frage, ob der Mönch seinen Schlaghagel einsetzen oder einen "normalen" vollen Angriff machen soll, vollkommen obsolet - kann der Mönch einen vollen Angriff machen, ist der Schlaghagel immer die bessere Option. Mönch, Meier!

 

Paladin: Der Paladin ist der rechtschaffen gute Streiter einer Gottheit, stets der Tugendhaftigkeit verpflichtet, jedoch das Böse mit aller Entschlossenheit bekämpfend. Er muss nicht nur den Glaubensgrundsätzen seiner Gottheit folgen, sondern auch seinem Verhaltenskodex und den Vorgaben seiner Gesinnung. Tut er dies nicht, verliert er seine besonderen Fähigkeiten. Dazu zählen u.a. eine überschaubare Zauberauswahl, die Fähigkeit, böse Auren zu sehen und deren Inhaber mit Boni auf Angriff und Schaden "niederzustrecken", durch Handauflegen sich oder seine Gefährten zu heilen und später auch von bestimmten Zuständen zu befreien (Letzteres eine Neuheit bei Pathfinder), das Fokussieren positiver Energie, sowie der "Göttliche Bund", der es ihm erlaubt, entweder seine Waffe zu verzaubern oder sich bei Bedarf ein Reittier herbeizurufen.

 

Ein paar der Änderungen wurden bereits genannt: Das Handauflegen wurde von einem Vorrat an Punkten, dessen Höhe bei der 3.5e von Stufe und Charismamodifikator des Paladins abhing, bei Pathfinder zu einer Fähigkeit, die eine gewisse Anzahl Anwendungen pro Tag gewährt (auch hier abhängig von Stufe und Charisma). Dies ist insofern verwunderlich, weil in vielen anderen Fällen, in denen ähnliche Änderungen vorgenommen wurden (Kampfrausch des Barbaren, Ki-Vorrat des Mönchs, etc.) genau der umgekehrte Weg gewählt wurde: Anwendungen pro Tag wurden zu flexibler einsetzbaren "Pools". So wirkt diese Änderung hier zwar etwas inkonsequent, war aber im Hinblick auf die "Gnaden" (das Befreien von nachteilhaften Zuständen), die ein Pathfinder-Paladin zusammen mit seinem Handauflegen gewähren kann, wohl unvermeidlich. Auch das Fokussieren positiver Energie verbraucht nun zwei Anwendungen des Handauflegens. "Böses entdecken" kann ein Paladin nun unmittelbar auf ein bestimmtes Ziel richten - er muss sich also nicht erst drei Runden lang konzentrieren, was es ihm leichter macht, seine Fähigkeit "Böses niederstrecken" nicht sinnlos zu vergeuden, indem er sie versehentlich bei einer guten oder neutralen Kreatur anwendet. Wo wir gerade dabei sind: "Böses niederstrecken" wurde aufgewertet, indem sich dessen Zusatzschaden gegen böse Externare, Drachen oder Untote verdoppelt, es einen Bonus auf die RK gewährt und zudem die Schadensresistenz des Gegners umgeht (außerdem hat sich auch noch die Anzahl der Anwendungen erhöht).

 

Eine weitere Neuerung ist, dass ein Paladin nun die Wahl hat, sich anstatt das bekannte und im Allgemeinen eher nutzlose Reittier herbeizuploppen, einen göttlichen Geist zu rufen, der für 1 Minute pro Stufe in seine Waffe fährt und sie mit einem höheren Bonus oder auch mit zusätzlichen Effekten verzaubert. Eine sehr feine Idee, ebenso wie die Tatsache, dass die Zauber des Paladins nun wie alle seine anderen Fähigkeiten von dessen Charisma abhängen und nicht mehr - wie noch bei der 3.5e - von dessen Weisheit. Da Letztere damit für den Paladin komplett irrelevant wird, wurde ihm (wohl als Ausgleich dafür) ein besserer Grundbonus auf Willenswürfe zugestanden, damit er gegen geistige Kontrolle nicht völlig ungewappnet ist. Schließlich und endlich erhält ein Pathfinder-Paladin auf höheren Stufen neben der Aura des Guten und der Tapferkeit, die wir ja schon aus der 3.5e kennen, noch weitere Auren, nämlich jene der Entschlossenheit (Immunität gegen Bezauberungen), der Gerechtigkeit ("Böses niederstrecken" kann auf Verbündete übertragen werden), des Glaubens (macht Waffen zu "guten" Waffen) und der Rechtschaffenheit (verleiht Schadensreduzierung und Immunität gegen Verzauberungen). Wenn sich also in Zukunft die anderen Charaktere um einen der heißbegehrten Plätze neben dem Paladin reißen werden, dürfte das niemanden verwundern.

 

Schurke: Ein Schurke ist jemand, der seine Herausforderungen mit List, Tücke und Verschlagenheit zu überwinden versucht, und nicht - wie die Klassenbezeichnung nahelegen könnte - zwangsläufig ein Unmensch oder gewissenloser Verbrecher. Zu seinen hervorstechendsten Merkmalen zählt sein hinterhältiger Angriff, mit dem er immer dann zusätzlichen Schaden in Form von einem oder mehreren W6 verursachen kann, wenn sein Gegner nicht in der Lage ist, sich effektiv zu verteidigen (sprich: wenn der Gegner seinen GE-Bonus auf die RK verliert oder der Schurke ihn in der Zange hat). Außerdem ist der Schurke ein Meister im Finden und Entschärfen von Fallen wie auch in fast allen anderen Fertigkeiten.

 

Im Vergleich zur 3.5e hat sich nicht viel verändert, aber es ist etwas hinzugekommen: Auf jeder geraden Stufe erhält der Schurke einen sogenannten "Trick" - eine besondere Fähigkeit, die einem Talent ähnelt. Mit einigen dieser Tricks kann der Schurke seinen Hinterhältigen Angriffen weitere Effekte hinzufügen, so z.B. blutende Wunden schlagen oder dafür sorgen, dass sein Gegner keine Gelegenheitsangriffe mehr durchführen kann, aber es besteht durchaus auch die Möglichkeit, einen einzelnen Zauber aus der Liste für Hexenmeister und Magier des Grades 0 und später auch des 1. Grades zu erlernen, den er dann drei- bzw. zweimal pro Tag als zauberähnliche Fähigkeit wirken kann. Ab der 10. Stufe stehen dann auch die "Verbesserten Tricks" zur Auswahl, wobei es sich u.a. um die bereits aus der 3.5e bekannten "Besonderen Fähigkeiten" wie die Ausweichrolle oder das Verbesserte Entrinnen handelt.

 

Da es die Fertigkeit "Suchen" bei Pathfinder nicht mehr gibt, werden entsprechende Würfe zum Finden von Fallen nun über die "Wahrnehmung" abgewickelt (s. Kapitel 4). Um das besondere Können eines Schurken dabei zu unterstreichen, darf dieser seine halbe Schurkenstufe auf diese Würfe addieren (wie auch auf "Mechanismus ausschalten", um Fallen zu entschärfen).

 

Waldläufer: Der Waldläufer ist ein naturverbundener Krieger, der entgegen seiner Klassenbezeichnung keineswegs nur auf den Wald beschränkt ist. Aber ganz gleich, in welchem Gelände er sich auch heimisch fühlt - er kennt sich bestens darin aus, versteht sich gut im Umgang auch mit wilden Tieren, ist ein hervorragender Fährtenleser und Jäger und vor allen Dingen auf die Bekämpfung jener Kreaturenarten spezialisiert, die seine Heimat bedrohen, und die er zu seinen Erzfeinden erklärt hat. Auf der 2. Stufe muss sich ein Waldläufer für einen von zwei möglichen Kampfstilen entscheiden: das Bogenschießen oder den Kampf mit zwei Waffen, wodurch ihm auf höheren Stufen jeweils dazu passende Talente gewährt werden. Ab der 4. Stufe lernt er, einige göttliche Zauber zu wirken, wenn auch natürlich bei Weitem nicht in dem Ausmaß wie ein Druide, und er bekommt die Möglichkeit, sich einen Tiergefährten zuzulegen.

 

Auch die Wahlmöglichkeiten des Waldläufers wurden bei Pathfinder erheblich erweitert: Bekam er bei der 3.5e nur auf der 2., 6. und 11. Stufe jeweils ein festgelegtes Talent aufgrund seines Kampfstils, so kann er sich nun aus einer auf höheren Stufen anwachsenden Liste von Talenten jeweils eines aussuchen, und das auf der 2., 6., 10., 14. und 18. Stufe. Auf der 3. Stufe kann sich der Waldläufer ein bevorzugtes Gelände wählen und erhält dann einen Bonus von +2 auf Initiative und diverse Fertigkeitswürfe, solange er sich dort aufhält. Auf der 8., 13. und 18. Stufe kann er sich weitere bevorzugte Gelände auswählen und die Boni auf die zuvor ausgewählten steigen entsprechend an, ähnlich wie bei den Erzfeinden. Statt eines Tiergefährten kann er sich auch für die Fähigkeit entscheiden, seinen (menschlichen) Gefährten die Hälfte seines Erzfeindbonusses für eine gewisse Anzahl Runden zu gewähren, indem er eine Bewegungsaktion dafür aufwendet (leider wird hier nur die Regelmechanik erklärt, nicht jedoch, wie man sich das in der Spielwelt praktisch vorzustellen hat - das Ganze nennt sich jedenfalls "Bund des Jägers"). Zusätzlich kann der Waldläufer ab der 11. Stufe noch eine bestimmte Kreatur, die auch zu seinen Erzfeinden zählen muss, als seine "Beute" definieren und erhält dann Vorteile beim Verfolgen von deren Spuren und alle erzielten Bedrohungen gegen diese werden automatisch bestätigt.

Kapitel 4: Fertigkeiten (24 Seiten)

Fertigkeiten sind all jene Dinge, die ein Charakter so kann, und die nicht unmittelbar etwas mit dem Kampfgeschehen oder dem Wirken von Zaubern zu tun haben. Das PRG nennt diese Dinge etwas profan "Alltagsfähigkeiten", was aber nichts daran ändert, dass sie sich für einen Charakter beim Bestehen seiner Abenteuer als äußerst nützlich erweisen können. Das Pathfinder-System kennt insgesamt 26 Fertigkeiten: Akrobatik, Auftreten, Beruf, Bluffen, Diplomatie, Einschüchtern, Entfesselungskunst, Fingerfertigkeit, Fliegen, Handwerk, Heilkunde, Heimlichkeit, Klettern, Magischen Gegenstand benutzen, Mechanismus ausschalten, Mit Tieren umgehen, Motiv erkennen, Reiten, Schätzen, Schwimmen, Sprachenkunde, Überlebenskunst, Verkleiden, Wahrnehmung, Wissen und Zauberkunde. Da anhand der Bezeichnungen recht leicht zu erraten ist, welchem Zweck die jeweilige Fertigkeit dient, erspare ich mir an dieser Stelle genauere Ausführungen dazu. Am Anfang dieses Kapitels befindet sich eine Tabelle, in der noch einmal alle grundlegenden Eigenschaften jeder Fertigkeit übersichtlich aufgeführt werden: Für welche Klassen es sich um eine Klassenfertigkeit handelt, ob sie auch ungeübt (also auch ohne Ränge in sie investiert zu haben) einsetzbar ist, auf welches Attribut sie sich bezieht, und ob ein eventuell vorhandener Rüstungsmalus bei ihr berücksichtigt werden muss.

 

Um zu bestimmen, ob ein Charakter beim Einsatz einer Fertigkeit Erfolg hat oder nicht, wird mit 1W20 gewürfelt, alle maßgeblichen Modifikatoren darauf angerechnet, und dann wird das Ergebnis mit dem Schwierigkeitsgrad (SG) der Aufgabe verglichen - wird dieser erreicht oder übertroffen, ist der Einsatz erfolgreich. Bei diesen "maßgeblichen Modifikatoren" handelt es sich um den Modifikator des entsprechenden Attributs, mit dem die Fertigkeit assoziiert ist, einen ggf. vorhandenen Volksbonus (manche Völker erhalten Boni auf bestimmte Fertigkeiten), aber vor allen Dingen um die Anzahl Ränge, die ein Charakter in die jeweilige Fertigkeit investiert hat: Bei jedem Stufenaufstieg erhält ein Charakter abhängig von seiner Klasse und seiner Intelligenz eine gewisse Anzahl Fertigkeitsränge, die er nach Belieben auf seine Fertigkeiten verteilen darf (allerdings dürfen die Ränge in einer Fertigkeit nicht die Charakterstufe überschreiten). Schlussendlich erhält man noch einen Bonus von +3 auf seinen Fertigkeitswurf, sollte es sich um eine Klassenfertigkeit des Charakters handeln.

 

Aufmerksamen Lesern dürfte es bereits aufgefallen sein: Fertigkeitspunkte gibt es nicht mehr. Die Klassen gewähren nun direkt Ränge, die 1:1 auf die Fertigkeiten verteilt werden. Dementsprechend gibt es auch keine separate Angabe eines "maximalen Fertigkeitsrangs" mehr - dieser entspricht einfach der Charakterstufe. Der Unterschied zwischen einer Klassenfertigkeit und einer klassenübergreifenden Fertigkeit manifestiert sich bei Pathfinder nur noch durch einen Bonus von +3 auf den Fertigkeitswurf für eine Klassenfertigkeit (was exakt dem Unterschied zwischen dem maximalen Fertigkeitsrang für Klassenfertigkeiten und der Charakterstufe bei der 3.5e entspricht). Der maximale Rang für klassenübergreifende Fertigkeiten ist komplett entfallen (ebenso die zusätzlichen Kosten für deren Erwerb), wodurch diese bei Pathfinder gegenüber der 3.5e enorm aufgewertet wurden. Im Grunde kann ein Charakter nun in einer klassenübergreifenden Fertigkeit fast genauso gut sein wie in einer Klassenfertigkeit. In meinen Augen macht das nicht wirklich viel Sinn: Bei im Zweifelsfall nur drei Punkten Unterschied hätte man das System mit Klassen- und -übergreifenden Fertigkeiten auch gleich ganz kippen und allenfalls bei den Klassen dazuschreiben können: "Auf folgende Fertigkeiten erhält die Klasse +3", anstatt die Klassenfertigkeiten aufzulisten. So wirkt das Ganze jedenfalls angesichts der tatsächlichen Relevanz dieses Unterschieds im Spiel nur unnötig verkompliziert. Außerdem halte ich es generell für fragwürdig, die Fähigkeiten der einzelnen Klassen an dieser Stelle derartig zu nivellieren - wenn alle Charaktere alles (fast) gleich gut können, stelle ich mir das nicht sehr spannend vor. Andererseits werden dem Spieler dadurch bei der Charaktergestaltung mehr Freiheiten eingeräumt, da bei der 3.5e die klassenübergreifenden Fertigkeiten dermaßen uninteressant waren, dass kaum jemand Ränge in sie investiert hat. Bei Pathfinder sind sie nun zu einer durchaus validen Option geworden. Die Frage ist halt nur, ob sie nicht vielleicht zu valide geworden ist.

 

Werfen wir noch einen Blick auf die Unterschiede bei den Fertigkeiten selbst. Zunächst einmal fällt auf, dass die Anzahl der Fertigkeiten gegenüber der 3.5e geringer geworden ist: "Konzentration" und "Seil benutzen" sind komplett entfallen (die Konzentration wurde durch einen speziellen Zauberstufenwurf ersetzt, der in Kapitel 9 erklärt wird, und jemanden zu fesseln ist offenbar zum Kampfmanöver geworden. Jedenfalls wird die Fertigkeit "Entfesselungskunst" nun gegen den Kampfmanöverbonus (s. Kapitel 8) des Fesslers gewürfelt). Die Fertigkeit "Informationen sammeln" ist nun Teil der Fertigkeit "Diplomatie" und das "Schlösser öffnen" ist in "Mechanismus ausschalten" aufgegangen. "Balancieren", "Springen" und "Turnen" wurden zur Fertigkeit "Akrobatik" zusammengefasst, "Fälschen", "Schriftzeichen entschlüsseln" und "Sprache sprechen" zu "Sprachenkunde", "Leise bewegen" und "Verstecken" zu "Heimlichkeit", sowie "Entdecken", "Lauschen" und "Suchen" zur Fertigkeit "Wahrnehmung", wodurch Letztere wohl zur elementarsten Fertigkeit für jeden Abenteurer überhaupt avancieren dürfte. In all diesen Fällen wurden die Regeln für die "neuen" Fertigkeiten jedoch nicht verändert, sondern die alten Fertigkeitsbeschreibungen einfach zusammengewürfelt. Eine tatsächliche Vereinfachung ist dies also nicht, sondern ggf. lediglich eine Verringerung der Anzahl der Würfe, die ein Spieler machen muss (und in vielen Fällen nicht einmal das - man nimmt einfach nur den selben Wert anstatt wie bisher verschiedene). Die einzige Zusammenlegung, die meiner Meinung nach vollständig Sinn macht, ist diejenige von Leise bewegen und Verstecken zur Heimlichkeit, da diese in der Praxis fast nur gemeinsam genutzt und gewürfelt werden. Gleiches hätte für die Wahrnehmung gegolten, hätte sie nur aus Entdecken und Lauschen bestanden. Das Suchen hätte man meiner Meinung nach als eigenständige Fertigkeit belassen sollen, zumal mir ohnehin nicht ganz klar ist, wie das aktive Suchen nach Fallen oder Geheimtüren bei Pathfinder abgewickelt wird: Kann man überhaupt aktiv Bereiche absuchen wie bei der 3.5e oder bekommt jeder Charakter, der sich einer Falle oder einer Geheimtür nähert, automatisch einen Wurf auf Wahrnehmung und das war es dann? Die Antwort darauf steht nirgends. Alle anderen Zusammenlegungen sind m.E. rein kosmetische Veränderungen, die keinen realen Nutzen bringen und nur zusätzliche Arbeit verursachen, wenn man einen Charakter aus der 3.5e nach Pathfinder konvertieren will.

 

Änderungen in den Fertigkeitsbeschreibungen selbst gibt es übrigens kaum, dafür muss man schon ganz genau hinschauen: Beim Bluffen sind die ehemaligen Boni auf Motiv erkennen nun Mali auf das Bluffen (in gleicher Höhe), bei der Diplomatie wird jetzt der CH-Modifikator der Kreatur, deren Einstellung man verändern möchte, auf den SG addiert, die Funktionsweise von Heilkunde wurde leicht modifiziert, bei der Heimlichkeit sind die Mali für schwierigen Untergrund entfallen und die Zauberkunde wurde kräftig entschlackt. All dies ist nicht groß der Rede wert. Es gibt aber auch ein paar wirklich gute, neue Ideen: Mittels erfolgreicher Diplomatie kann man nun konkrete Forderungen an sein Gegenüber stellen, Spuren kann nun jeder lesen, da das frühere Talent "Spuren lesen" komplett in die auch ungeübt einsetzbare Fertigkeit "Überlebenskunst" eingeflossen ist. Zu den Wissensfertigkeiten gibt es eine umfangreiche Tabelle, in der bestimmte, konkrete Fragestellungen der jeweiligen Wissensfertigkeit zugeordnet und mit einem SG versehen werden - für Spieler wie SL sicherlich eine gute Orientierungshilfe. Die aus der 3.5e bekannten, etwas umständlichen Kombinationsboni ("hast du 5 Ränge in dieser Fertigkeit, erhältst du +2 auf jene") gibt es bei Pathfinder nicht mehr.

 

Schließlich wurde noch eine ganz neue Fertigkeit eingeführt: "Fliegen". Diese kommt nicht nur für Gestaltwandler ins Spiel, sondern auch für Charaktere, die mittels Magie fliegen können - ergo gilt sie für Druiden, Hexenmeister und Magier als Klassenfertigkeit (Ränge kann man aber erst dann auf sie legen, wenn man tatsächlich die Fähigkeit zum Fliegen hat - auch bei einem sehr hohen Wert nützt es also nichts, einfach nur mit den Armen zu flattern).

 

Zusammenfassend sehe ich die Änderungen am Fertigkeitssystem zwiespältig: Einerseits folgen sie der Maxime "mehr Optionen", indem sie die bei der 3.5e sehr unattraktiven klassenübergreifenden Fertigkeiten aufwerten, andererseits könnte sich aber auch genau das als Problem erweisen: Gruppen, die von einer Kampfbegegnung zur nächsten hecheln, mögen den Unterschied kaum merken, aber bei unseren Spielabenden beispielsweise gibt es mindestens so viele Fertigkeitswürfe wie Angriffswürfe - wenn nicht sogar mehr. Wenn dann die Unterschiede zwischen den Charakteren weitgehend ausgebügelt werden, wird dieser Aspekt weniger reizvoll bis hin zu vollkommen witzlos - je nachdem als wie gravierend sich diese Auswirkungen in der Praxis tatsächlich erweisen würden. Dass einzelne, bislang wenig lukrative Fertigkeiten durch die Zusammenlegungen aufgewertet werden, mag ja sein, allerdings habe ich damit bisher keine Schwierigkeiten gehabt. Stattdessen wird das Problem der Angleichung dadurch nur noch verschärft, weil die vorhandenen Ränge auf weniger Fertigkeiten verteilt werden müssen, was de facto bedeutet, dass für die klassenübergreifenden Fertigkeiten (noch) mehr Ränge zur Verfügung stehen.

 

Leider kann ich auch nicht unerwähnt lassen, dass dem Übersetzerteam bei den Fertigkeiten ein ziemlich eklatanter Schnitzer unterlaufen ist: Dass es die Fertigkeitspunkte nicht mehr gibt, ist nämlich offenbar niemandem so wirklich aufgefallen. So findet man noch im ganzen Buch die Begriffe "Fertigkeitspunkte" und "Fertigkeitsränge", obwohl im englischen Original in all diesen Fällen nur noch von "skill ranks", also Fertigkeitsrängen die Rede ist. Besonders deutlich fällt dies bei den Klassenbeschreibungen auf, denn diese erhalten immer noch "Fertigkeitspunkte", wobei aber nirgends der Zusammenhang mit den Rängen hergestellt wird: wie viele Ränge man für einen Punkt bekommt, ist also vollkommen unklar. Wenn man weiß, dass es sich um ein- und dasselbe handelt, ist das natürlich kein Problem, aber insbesondere Anfänger dürften davon ziemlich verwirrt werden.

 

Kapitel 5: Talente (26 Seiten)

Bei einem Talent handelt es sich um eine besondere Eigenschaft oder Fähigkeit eines Charakters und nicht - wie die Bezeichnung vermuten lassen könnte - zwangsläufig um eine angeborene Begabung. Jeder Charakter erhält auf der 1. Stufe mindestens ein Talent und danach auf jeder geraden Stufe ein weiteres, Außerdem gewähren manche Klassen beim Stufenaufstieg noch zusätzliche Talente (meist auf eine festgelegte Auswahl eingegrenzt und "Bonustalente" genannt). Jedes Talent gewährt einem Charakter einen gewissen regeltechnischen Vorteil, beispielsweise einen Bonus auf einen bestimmten Wurf oder einen anderen Spielwert (ggf. nur unter bestimmten Umständen) oder setzt regeltechnische Einschränkungen außer Kraft, die normalerweise - d.h. für Charaktere ohne dieses Talent - gelten. Viele Talente verbessern die bestehenden Fähigkeiten eines Charakters, es gibt aber auch solche, die einen Charakter mit ganz neuen, besonderen Fähigkeiten ausstatten. Die meisten Talente haben bestimmte Mindestvoraussetzungen, die ein Charakter erfüllen muss, bevor er das Talent nehmen kann: oftmals Attributswerte, Klassenstufen, Fertigkeitsränge oder einen Grund-Angriffsbonus in bestimmter Höhe, gewisse Klassenmerkmale oder auch andere Talente. Mächtigere Talente können durchaus mehrere andere Talente voraussetzen, so dass ganze ‚Talentbäume‘ entstehen.

 

In diesem Kapitel werden nicht weniger als 176 Talente vorgestellt, wovon sich mit Abstand die meisten auf den Kampf und das Wirken von Magie beziehen. Es gibt aber auch eine ganze Reihe, die sich auf bestimmte Klassenmerkmale oder die Anwendung von Fertigkeiten auswirken. Für eine große Auswahl ist also gesorgt. Am Anfang dieses Kapitels werden alle Talente in einer mehr oder weniger übersichtlichen Tabelle aufgelistet, die sich über vier komplette Seiten erstreckt. Danach folgt die ausführliche Beschreibung eines jeden Talents. Bis auf wenige Ausnahmen findet man hier fast alle aus dem SHB der 3.5e bekannten Talente wieder, ergänzt durch einige, die aus den Klassenbüchern der 3.5e stammen, und eine Handvoll Eigenkreationen. Um ein wenig Struktur in die Sache hineinzubringen, werden die Talente traditionell in die Talentarten "Allgemeine Talente", "Kampftalente" (jene, die (auch) vom Kämpfer als Bonustalente gewählt werden können), "Metamagische Talente" (mit denen die verschiedenen Parameter der Zauber beeinflusst werden können) und "Talente zur Erschaffung von Gegenständen" (die man zur Herstellung magischer Gegenstände benötigt) kategorisiert. Bei Pathfinder wurde aber auch eine neue Talentart hinzugefügt: Die "Kritischer-Treffer-Talente". Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine kleine Gruppe, die erst auf höheren Stufen (9+) ins Spiel kommt und den Opfern von kritischen Treffern zusätzliche Auswirkungen aufbrummt. Das ist sicherlich nicht uninteressant, aber hierfür eine eigene Talentart einzurichten, halte ich für etwas übertrieben.

 

Die Spielmechanik der Talente hat sich im Vergleich zur 3.5e nicht im Mindesten verändert, allerdings stehen einem Pathfinder-Charakter ein paar mehr davon zur Verfügung. Auch an den bereits aus dem SHB bekannten Talenten selbst wurde nur wenig geändert: Beim beliebten "Heftigen Angriff" kann der Spieler nun die Höhe der Mali bzw. Boni auf Angriff und Schaden nicht mehr frei wählen, sondern diese steigen mit dem GAB automatisch an; beim "Ausweichen" muss kein Ziel mehr definiert werden, sondern man erhält den Bonus auf die RK pauschal; "Doppelschlag" und "Rundumschlag" funktionieren nun bei einem einfachen Treffer (der bzw. die Gegner müssen nicht mehr zwangsläufig umfallen); beim "Fernschuss" wird nicht die Grundreichweite erhöht, sondern der Entfernungsabzug halbiert; und sämtliche Talente, die der Verbesserung von Kampfmanövern (wie Entwaffnen, Zu-Fall-bringen, Ansturm, Ringkampf, etc.) dienen, gewähren nun ein +2 auf den Kampfmanöverbonus und ein +2 auf die Kampfmanöververteidigung, statt wie bisher ein +4 auf den jeweiligen Wurf (s. Kapitel 8). Des Weiteren verdoppelt sich der Bonus all jener Talente, die Boni auf zwei Fertigkeiten geben, und derjenige des Talents "Fertigkeitsfokus", sobald man in die jeweilige Fertigkeit mindestens 10 Ränge investiert hat. Natürlich wurden diese Talente auch - falls nötig - auf die neuen Fertigkeiten angepasst.

 

Die meisten der neuen Talente sind auf erweiterte taktische Möglichkeiten im Kampf ausgerichtet. So gibt es z.B. für jedes Kampfmanöver nicht nur - wie oben beschrieben - die "verbesserte" Version, sondern nun auch eine "mächtige" Version mit höheren Voraussetzungen, welche die fehlenden +2 auf den Kampfmanöverbonus bringen. Weitere Beispiele: Mit "Dranbleiben" kann ein Nahkämpfer seinem Gegner sofort nachrücken, so dass die beliebte Taktik, sich mit einem 1,50 m-Schritt aus dem bedrohten Bereich herauszubewegen und dann ohne die Gefahr eines Gelegenheitsangriffs einen Bogen abzufeuern oder einen Zauber zu wirken, nicht mehr möglich ist. Mit dem "Ausfallschritt" kann man seine Reichweite für eine Runde um 1,50 m erhöhen, muss dafür aber einen Malus auf die RK in Kauf nehmen. Mit der "Tödlichen Zielgenauigkeit" erhält ein Bogenschütze nun auch so etwas wie einen "Heftigen Angriff". Gleich mehrere neue Talente verbessern die Möglichkeiten, die man mit einem Schild hat, ganz erheblich. Und gerät ein Zauberwirker mit einem Charakter in den Nahkampf, der mit den Talenten "Zauberstörer" und "Zauberbrecher" ausgestattet ist, hat er nichts mehr zu lachen.

 

Außer diesen zusätzlichen taktischen Möglichkeiten gibt es aber auch viele neue Talente, die sich auf bestimmte Klassenmerkmale beziehen:z.B. auf das "Energie fokussieren" des Klerikers, das mit weiteren Variationen beglückt wird, oder auf Bardenauftritte, dem Kampfrausch des Barbaren, das Handauflegen des Paladins oder den Ki-Vorrat des Mönchs, die allesamt erhöht bzw. verlängert werden können. Einige der Talente sehe ich auch als kritisch bzw. wenig sinnvoll an, aber das sind eher die Ausnahmen: So gibt es z.B. zwei Talente, mit denen ein arkaner Zauberwirker die Chance auf einen arkanen Fehlschlag beim Tragen von Rüstungen absenken kann - einerseits wird hier an einem Regelaspekt gerührt, der m.E. bisher aus gutem Grund unangetastet geblieben ist, und andererseits sollte man eigentlich davon ausgehen, dass ein Magier auf jenen Stufen, auf denen diese Talente verfügbar werden, bessere Möglichkeiten hat, seine RK zu erhöhen, anstatt sich in eine Rüstung zu zwängen. Auch das Talent "Meisterhandwerker", das einem einfachen Handwerker ermöglicht, in begrenztem Umfang magische Waffen und Rüstungen oder wundersame Gegenstände herzustellen, sehe ich eher skeptisch. Alles in allem jedoch kann man an der Talentauswahl in diesem Buch nicht wirklich viel aussetzen.

 

Kapitel 6: Ausrüstung (24 Seiten)

Es dürfte kaum etwas geben, das einem normalen D&D-Charakter mehr am Herzen liegt als seine mit Blut, Schweiß und Tränen hart erarbeitete und/oder zusammengeklau(b)te Ausrüstung. Das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, dass auf den höheren Stufen insbesondere die magischen Gegenstände zum dominierenden Machtfaktor werden. In diesem Kapitel werden jedoch nur die mundane, nicht magische Ausrüstung sowie die Regeln zum Umgang mit jener behandelt. Es beginnt mit der Tabelle für das Anfangsvermögen für Charaktere der 1. Stufe. Dieses wird nun mit W6en statt wie bei der 3.5e mit W4en ausgewürfelt, dafür wurde die Anzahl der Würfel in fast allen Fällen gesenkt. Auswirkungen auf das durchschnittliche Startvermögen entstehen so allerdings kaum. Weiter geht es mit den Waffen: auf einer doppelseitigen Tabelle findet man alle Waffen mitsamt ihren spielrelevanten Werten, danach folgt deren Beschreibung. Wie aus der 3.5e bekannt, werden die Waffen in einfache-, Kriegs- und exotische Waffen, Nah- und Fernkampfwaffen und leichte-, Einhand- und Zweihandwaffen kategorisiert. Durch die Größenkategorie der Waffe im Vergleich zu der Größenkategorie des Benutzers wird festgelegt, ob es sich für ihn um eine Einhand-, Zweihand oder leichte Waffe handelt. Auch das kennt man alles schon so aus der 3.5e.

 

Nach dem gleichen Prinzip folgen dann die Tabelle für die Rüstungen und Schilde mit ihren spielrelevanten Werten und deren Beschreibungen. Danach kommen die Regeln für besondere Materialien wie Adamant, Drachenhaut oder Mithral, die bei der 3.5e im SLH zu finden waren. Schließlich folgen noch die Listen für alle sonstigen Ausrüstungsgegenstände wie Ausstattung für Abenteurer, besondere Substanzen und Gegenstände (Alchemistenfeuer, Donnersteine, etc.), Werkzeuge und Zubehör für Fertigkeiten, usw. Für all diese Dinge werden der Preis und ggf. das Gewicht angegeben. Natürlich sind auch die Regeln für Meisterarbeiten hier zu finden.

 

Muss man an manchen Stellen in diesem Buch die Änderungen gegenüber der 3.5e schon mit der Lupe suchen, so braucht man in diesem Kapitel ein Mikroskop: Bei den Waffen wurden dem Sai und der Stachelkette die Reichweite genommen, ansonsten entsprechen die Werte aller Waffen haargenau jenen aus der 3.5e. Na schön, vier neue Waffen gibt es noch: Das Blasrohr, das Sternmesser, das elfische Krummschwert und die Halblingsstabschleuder, Geschenkt. Bei den Rüstungen sieht es nicht viel anders aus: Der Rüstungsbonus von allen Rüstungen, die schwerer als eine Fellrüstung sind, wurde um 1 angehoben, ansonsten ist auch hier alles beim Alten geblieben. Bei den Gütern und Dienstleistungen sind mir nur zwei Abweichungen aufgefallen: Das alchemistische Labor und das schwere Streitross sind erheblich günstiger geworden. Yay!

 

Kapitel 7: Weitere Regeln (10 Seiten)

Unter diesem etwas lapidar klingenden Titel haben die Autoren die Regeln für Gesinnung, Alter, Größe und Gewicht der Charaktere, Traglast, taktische-, örtliche- und Überlandbewegung, Lichtquellen und für das Zerbrechen von Gegenständen zusammengefasst. All das also, was vorher in Kapitel 6 und Kapitel 9 des SHB zu finden war.

 

Der Multiplikator, um das Gewicht eines Charakters zu bestimmen, wird nun nicht mehr gewürfelt, sondern ist ein fixer Wert, ansonsten gibt es keinerlei Änderungen gegenüber der 3.5e. Auf eine kurze Beschreibung der Götter Golarions, wie man sie hier vielleicht hätte erwarten können, wurde verzichtet.

 

Kapitel 8: Kampf (26 Seiten)

Wenn es zum Kampf kommt, dann zeigt das System seine größte Stärke: Kaum ein anderes Fantasy-Rollenspiel ermöglicht derartig actiongeladene, abwechslungsreiche und taktisch herausfordernde Kämpfe. Allerdings wird standardmäßig vorausgesetzt, dass man das Kampfgeschehen mittels Figürchen oder Markern auf einem schachbrettartigen Bodenplan darstellt - es geht sicherlich auch ohne, aber nur mit der genauen Kenntnis von Positionen und Entfernungen kann man die taktischen Möglichkeiten des Systems voll ausreizen. Das ist nicht unbedingt jedermanns Sache: Spieler, die den Aufbau des Bodenplans und die damit verbundene Unterbrechung eher als ein Herausreißen aus dem Spielfluss oder den Wechsel in den "Taktik-Modus" als störend empfinden, werden damit wahrscheinlich nicht glücklich. Jene Spieler jedoch, die gerne auch schon mal eine Tabletop-Schlacht spielen oder es schätzen, dass ein Kampf eher eine taktische denn eine rollenspielerische Herausforderung ist, werden mit Sicherheit ihre helle Freude daran haben, ihre Charaktere "in voller Aktion" zu erleben.

 

Die Grundlagen sind schnell erklärt: Der Kampf ist in Kampfrunden unterteilt, die jeweils sechs Sekunden lang dauern. In jeder Runde ist jeder Kampfteilnehmer einmal an der Reihe, wobei die Reihenfolge von der Höhe des Initiativewurfs abhängt, mit dem jeder Kampf eingeleitet wird. Jedem Charakter stehen in einer Kampfrunde mehrere Aktionsarten zur Auswahl: mit einer "Standard-Aktion" beispielsweise kann sich der Charakter seine Bewegungsrate weit bewegen und einen Angriff ausführen bzw. einen Zauber wirken. Ob ein Angriff trifft, wird mit einem Angriffswurf ermittelt, also 1W20 + Grund-Angriffsbonus + weiteren Modifikatoren. Ist das Ergebnis größer oder gleich der Rüstungsklasse des Gegners, hat der Angriff getroffen und es wird der Schaden ermittelt, der von den Trefferpunkten des Getroffenen abgezogen wird. Sinken die Trefferpunkte eines Kampfteilnehmers auf 0 oder darunter, wird es für ihn ernst. Gegen Zauber helfen oftmals Rettungswürfe, um deren Effekt abzumildern oder ganz abzuschütteln. Taktisch anspruchsvoll wird das Ganze durch solche Dinge wie Gelegenheitsangriffe (zusätzliche Angriffe, die man beim Ausführen bestimmter Aktionen in Reichweite eines Gegners kassiert), schwieriges Gelände, Deckung, Tarnung, das Ausnutzen vorteilhafter Positionen wie z.B. den Gegner in die Zange zu nehmen oder ihn zu Fall zu bringen, oder andere Kampfmanöver wie das Entwaffnen, Täuschen mittels einer Finte oder Zurückdrängen mittels eines Ansturms - um nur einige der Möglichkeiten zu nennen, die das System bietet.

 

Auf der anderen Seite setzt dieses Kampfsystem aber auch voraus, dass die Spieler zumindest ein grundlegendes Verständnis der in diesem Kapitel enthaltenen Regeln - insbesondere, was die verschiedenen Aktionsarten und damit verbundenen Möglichkeiten sowie die Auslöser von Gelegenheitsangriffen angeht - mitbringen, wenn sie ihren Charakter taktisch klug im Kampf einsetzen möchten. Der bei allen prä-3E-Systemen geltende Grundsatz, dass man mit einem simplen "ich geh' hin und hau drauf" nicht allzu viel falsch machen konnte, gilt heuer allenfalls noch für den Barbaren. Insbesondere Anfänger und Spieler, die sich ungern mit den taktischen Feinheiten des Systems beschäftigen - und die sind teilweise alles andere als einfach - werden sich damit schwer tun. Wer seinen Charakter effektiv im Kampf einsetzen will, der muss auch genau wissen, was dieser kann und was nicht, und welche Risiken er mit seinen Aktionen eingeht - ansonsten ist es mit dem Spaß recht schnell vorbei.

 

Schaut man sich die Änderungen am Kampfsystem gegenüber der 3.5e an, dann fällt auf, dass einem so gut wie nichts auffällt: bis auf zwei Punkte wurden die Regeln 1:1 übernommen. Das lässt natürlich schon die Frage aufkommen, worauf sich der Text auf dem Buchrücken, der ein "einfaches Kampfsystem mit einfachen Regeln für Ringkämpfe, Anstürme und andere Spezialangriffe" anpreist, denn eigentlich bezieht - einfacher als die Regeln der 3.5e ist das hier enthaltene Material jedenfalls nicht. Punkt eins der Änderungen betrifft das "im Sterben liegen" eines Charakters: Bei der 3.5e war jeder Charakter bei Erreichen von -10 Trefferpunkten tot, bei Pathfinder ist das nun der Fall, wenn die Trefferpunkte den negativen Konstitutionswert des Charakters erreichen. Außerdem wurde der Wurf, den ein im Sterben liegender Charakter durchführen muss, um sich zu stabilisieren, von einem simplen Prozentwurf mit einer fixen Chance (10%) in eine KO-Probe gegen SG 10 umgewandelt, auf die jedoch die aktuellen negativen Trefferpunkte als Malus angerechnet werden. Die neue Regelung gefällt mir durchaus besser, aber "einfacher" ist sie nicht.

 

Punkt zwei betrifft einen etwas größeren Bereich, nämlich die Kampfmanöver. Darunter fallen die speziellen Angriffe "Ansturm", "Entwaffnen", "Gegenstand zerschmettern", "Ringkampf", "Überrennen" und "Zu Fall bringen". Für all diese Spezialangriffe gab es bei der 3.5e separate Regelungen, die sich jedoch recht ähnlich waren: Zunächst hatte der Verteidiger einen Gelegenheitsangriff, dann wurde mit konkurrierenden Angriffs- oder Attributswürfen (ST oder GE) ermittelt, ob das Manöver Erfolg hatte oder nicht. Je nach Manöver gab es unterschiedliche Modifikatoren auf diese Würfe. Bei Pathfinder wurden die konkurrierenden Würfe vereinheitlicht: Für den Angreifer gibt es nun den speziellen "Kampfmanöverbonus" (KMB), der sich aus dem Grund-Angriffsbonus + ST-Modifikator + speziellem Größenmodifikator errechnet, und für den Verteidiger die "Kampfmanöververteidigung" (KMV), die sich aus 10 + Grund-Angriffsbonus + ST-Modifikator + GE-Modifikator + speziellem Größenmodifikator ermittelt. Bei Letzterer handelt es sich also nun um einen fixen Wert, der ähnlich wie eine Rüstungsklasse gegen Kampfmanöver funktioniert. Beide Werte - KMB und KMV - können im Voraus berechnet und in entsprechende, neue Felder auf dem Charakterbogen eingetragen werden. Die Gelegenheitsangriffe und speziellen Modifikatoren, die je nach Manöver variieren, gibt es jedoch nach wie vor, wodurch eine tatsächliche Vereinfachung gegenüber der 3.5e nicht erkennbar ist. Das Regelbuch wird man trotzdem aufschlagen müssen, wenn man sich diese Modifikatoren nicht merken kann. Außerdem gibt es nach wie vor Talente, die einen Bonus auf den KMB und die KMV gewähren - allerdings nur bei bestimmten Manövern. Mit der hier offensichtlich beabsichtigten Vereinheitlichung ist es also in der Praxis auch ganz schnell wieder vorbei.

 

Aber auch die anderen Aspekte der einzelnen Manöver haben Änderungen erfahren: Zunächst einmal verhindert ein erfolgreicher Gelegenheitsangriff des Verteidigers nicht mehr automatisch das Manöver (wie noch bei der 3.5e), sondern der angerichtete Schaden wird als Malus auf den KMB angerechnet. Beim Ansturm verursacht der Angestürmte bei seiner unfreiwilligen Bewegung nun keine Gelegenheitsangriffe mehr, es sei denn, der Anstürmer besitzt das Talent "Mächtiger Ansturm" (das es bei der 3.5e noch nicht gab). Des Weiteren ist es sehr viel schwieriger geworden, einen Gegner weiter als 1,50 m zurückzudrängen. Beim Entwaffnen kann der Verteidiger nun nicht mehr versuchen, bei einem fehlgeschlagenen Wurf im Gegenzug den Angreifer zu entwaffnen, sondern dieser lässt seine Waffe fallen, wenn sein Angriff um 10 oder mehr Punkte fehlschlägt (ähnlich verhält es sich beim "Zu Fall bringen", wenn es darum geht, selbst zu Boden zu gehen). Übertrifft der Angriff die KMV des Verteidigers andererseits um 10, lässt dieser alles fallen, was er in beiden Händen hält. Beim Überrennen eines Gegners muss man dessen KMV um 5 übertreffen, um ihn zu Boden zu werfen (ansonsten bleibt er stehen), dafür kann man aber auch nicht selbst umgeworfen werden. Die "Finte" wird übrigens auch unter den Kampfmanövern aufgeführt, KMB und KMV finden bei dieser jedoch keine Anwendung - es handelt sich nach wie vor um einen Wurf auf Bluffen. Auch dieser erfolgt jetzt gegen einen festen Wert, der sich - ähnlich der KMV - berechnet, als hätte man bei der 3.5e eine 10 gewürfelt.

 

Bei allen Kampfmanövern, die das KMB/KMV-System verwenden, drängt sich der Eindruck auf, dass sie allgemein schwerer geworden sind. Dadurch, dass die Verteidigung nun aus einem fixen und zudem noch recht hoch angesiedelten Wert besteht, und angesichts der Tatsache, dass der Bonus jener Talente, mit denen ein Charakter seine Kampfmanöver "verbessern" kann, je zur Hälfte auf den KMB und die KMV aufgeteilt wurde, sorgt dafür, dass ein Kampfmanöver bei Pathfinder im Schnitt schwieriger durchzubringen ist als bei der 3.5e. Hinzu kommt, dass man, um die bei der 3.5e üblichen +4 auf den Manöverwurf zu erhalten, je Manöver ein weiteres Talent investieren muss, wohingegen nur ein einziges Talent ("Defensives Kampftraining") ausreicht, um die eigene KMV gegen alle Manöver auf das Niveau eines Kämpfers anzuheben. Das kann man nun gut oder schlecht finden - einerseits nimmt das den auf die jeweiligen Manöver spezialisierten Min-/Max-Konzepten den Wind aus den Segeln, andererseits wird es jedoch für "normale" Charaktere damit erheblich uninteressanter, einmal eines dieser Manöver auszuprobieren.

 

Den Ringkampf habe ich mir übrigens absichtlich bis zuletzt aufgehoben, denn dieser war schon bei der 3.5e nicht gerade einfach zu handhaben: Erst der Gelegenheitsangriff, dann ein Berührungsangriff, um den Gegner zu fassen zu kriegen, dann konkurrierende Ringkampfwürfe mit speziellen Modifikatoren, gefolgt von den besonderen Möglichkeiten, Einschränkungen und Regelungen, die im Ringkampf bzw. im Haltegriff galten. Bei Pathfinder ist der Berührungsangriff weggefallen und die konkurrierenden Ringkampfwürfe wurden durch den KMB bzw. die KMV ersetzt - das wars dann auch schon mit den Vereinfachungen. Alles andere ist gleich geblieben oder komplizierter geworden. Im Gegensatz zur 3.5e muss man nun nämlich auch noch im Auge behalten, wer den Ringkampf begonnen hat (denn dieser kann ihn ohne Wurf beenden, während sich der Gegner aktiv daraus befreien muss), außerdem wurden die zwei eigens für den Ringkampf existierenden Zustände ("Ringend" und "Im Haltegriff") erheblich erweitert, was aber natürlich nur im Glossar dieses Buchs erklärt wird (irgendjemand sollte Paizo mal verklickern, dass Regeln nicht dadurch einfacher werden, dass man sie an mehrere Stellen im Buch verteilt). Die bei Pathfinder neu hinzugekommene Option, seinen Gegner "ringend" oder "im Haltegriff" zu fesseln, schlägt schließlich dem Fass den Boden aus. Die Regeln dafür sind dermaßen umständlich verklausuliert erklärt, dass ich mit Fug und Recht behaupten kann, sie auch nach nunmehr vier- oder fünfmaligem Lesen immer noch nicht verstanden zu haben. Angesichts dessen kann ich die auf dem Buchrücken aufgestellte Behauptung "einfache Regeln für Ringkämpfe" nur als blanken Hohn empfinden. "Einfach" im Vergleich zu was? Quantenmechanik? Kosmischen Superstringtheorien? Wir werden es wohl nie erfahren...

 

Zusammenfassend muss ich leider sagen, dass ich mir von den Neuerungen am Kampfsystem mehr versprochen hätte:.in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht. Das "im Sterben liegen" auf eine Regelung zu ändern, die ohnehin schon eine beliebte Hausregel gewesen ist, die - zumindest bei uns - eh schon selten angewendeten Kampfmanöver noch uninteressanter zu machen, dabei das Versprechen nach Vereinfachung nicht einzuhalten, und den ganzen Rest einfach 1:1 zu übernehmen - das ist keine Leistung. Hier hätte ich mir wirklich mehr Mut gewünscht.

 

Kapitel 9: Magie (16 Seiten)

Im Hinblick auf das Designziel, die Kompatibilität mit früheren 3.5e-Quellenbüchern zu bewahren, die ja auch eine ganze Menge zusätzlicher Zauber beinhalten, ist es wenig überraschend, dass es an der grundlegenden Funktionsweise von Magie und Zaubern bei Pathfinder keine Änderungen gegeben hat: Nach wie vor wird die Magie in arkane und göttliche Magie unterschieden, und nach wie vor gibt es die Zauberslots (bei Pathfinder "Zauberplätze" genannt), die sich einmal täglich (bei arkanen Zauberwirkern nach 8 Stunden Rast) wieder regenerieren und ggf. neu befüllt werden können. Druiden, Kleriker, Magier, Paladine und Waldläufer müssen ihre Zauber vorbereiten, d.h. sie müssen bereits unmittelbar nach der Rast festlegen, mit welchen Zaubern sie ihre Zauberplätze belegen möchten, wohingegen Barden und Hexenmeister ihre Zauber "spontan" wirken können, d.h. sie müssen sich nicht im Vorhinein festlegen und können ihre täglichen Zauberplätze nach Belieben aufbrauchen. Beim Paladin hat sich das Bezugsattribut für dessen Zauber von WE auf CH geändert, ansonsten ist auch hier alles gleich geblieben.

 

Ein paar Neuerungen gibt es dennoch: Die Wesentlichste davon betrifft die zum Zaubern notwendige Konzentration, die nun keine Fertigkeit mehr ist, sondern ein Zauberstufenwurf + dem Modifikator des jeweiligen Bezugsattributs der entsprechenden Klasse. Bei den Schwierigkeitsgraden hat es gegenüber der früheren Fertigkeitsbeschreibung keine Änderungen gegeben, außer dass zum defensiven Zaubern nun der Zaubergrad doppelt angerechnet werden muss. Dies alles hat zur Folge, dass bei Pathfinder gegenüber der 3.5e die Schwierigkeit von Konzentrationswürfen - insbesondere beim defensiven Zaubern - nicht unerheblich erhöht wurde. Oder anders ausgedrückt: Dem bei der 3.5e oft beobachteten Fall, dass ein höherstufiger Magier annähernd jeden Konzentrationswurf fast automatisch geschafft hat, wurde bei Pathfinder entgegengewirkt. Im Endeffekt bedeutet dies, dass die Bedrohung durch Nahkämpfer für den Magier auch tatsächlich wieder eine solche ist, was ich durchaus für begrüßenswert halte.

 

Die Tatsache allerdings, dass man die negative Stufe, die einem toten Charakter durch die meisten Wiedererweckungszauber aufgebrummt wird, bei Pathfinder nun mittels des Zaubers Genesung jederzeit wieder entfernen kann, finde ich ein bisschen sehr läppisch. Ich vermute, dass dies mit den neuen Regelungen für die Erfahrungspunkte zusammenhängt, in denen ein Ausgleich zwischen unterschiedlichen Stufen der Charaktere nun nicht mehr berücksichtigt wird (s. Kapitel 12), aber selbst dann handelt es sich um einen ziemlich billigen Workaround für ein dadurch entstandenes Problem. Ich halte jedenfalls nichts davon, wenn das Einzige, woran sich der Tod eines Charakters noch bemerkbar macht, letztendlich dessen Geldbörse ist. Das ist Weichspül-Rollenspiel mit Netz und doppeltem Boden.

 

Zwei kleinere Änderungen müssen der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden: Die Regeln für den Gestaltwandel, die sich bei der 3.5e noch gesammelt bei dem entsprechenden Zauber befunden haben, wurden nun teilweise hierher verfrachtet - bei den jeweiligen Zaubern stehen nur noch jene Regelungen, die diese Zauber zusätzlich zu den hier aufgeführten "Grundregeln" ermöglichen. Wieder einmal wurden hier Regeln auseinander gerissen und an verschiedene Stellen im Buch verteilt. Was das im Hinblick auf Verständlichkeit und Übersichtlichkeit bedeutet, kann sich wohl jeder selbst ausmalen. Und schließlich noch fürs Protokoll: Die Kosten für das Eintragen von Zaubern ins Zauberbuch des Magiers wurden gesenkt, insbesondere für niedrigstufige Zauber.

 

Kapitel 10: Zauber (148 Seiten)

Dieses Kapitel beginnt mit den üblichen Zauberlisten für alle magiefähigen Grundklassen, gefolgt von der Beschreibung sämtlicher Zauber in alphabetischer Reihenfolge. Die ca. 620 Zauber entsprechen zu etwa 99,9 % der Auswahl des SHB. Bei den restlichen 0,1 % handelt es sich um solche Dinge wie Kleinere Wunde heilen bzw. -verursachen, die bei Pathfinder durch Stabilisieren bzw. Ausbluten ersetzt wurden (wobei Letzterer nun auch für Hexenmeister und Magier zugänglich ist, ebenso wie das Reparieren), oder die insgesamt vier Kleriker-Zauber des 4. Grades, die aus ihrer jeweiligen Domäne zu den für alle Kleriker zugänglichen Zaubern gewandert sind. Es gibt auch einen (1!) ganz neuen Zauber, nämlich Lebensatem - ein Heilzauber des 5. Kleriker-Grades, der neben Trefferpunkte heilen auch eine in der letzten Runde gestorbene Kreatur wieder ins Leben zurückholen kann, wenn sie durch eben jene geheilten Trefferpunkte wieder über ihren negativen Maximalwert gebracht wird.

 

Einige Zauber mussten im Vergleich zum SHB umbenannt werden, so z.B. alle Zauber, die einen der bekannten Namen aus der Greyhawk-Kampagnenwelt enthalten haben (Tenser, Otto, Mordenkainen, Bigby, Leomund, etc.), was zumeist durch ein einfaches Weglassen des jeweiligen Namens erreicht wurde. Drei Zauber wurden aber offenbar aus anderen Gründen umbenannt: Undurchdringliche Dunkelheit wurde zu Tiefere Dunkelheit, Gift verlangsamen zu Gift verzögern und Arkaner Blick zu Arkane Sicht.

 

Die offensichtlichsten Neuerungen betreffen natürlich die neuen Verwandlungszauber namens Bestiengestalt I - IV, Elementargestalt I - III, Pflanzengestalt I - III, Drachengestalt I - II, Riesengestalt I - II und Mächtige Verwandlung - Einzelheiten hierzu wurden ja bereits beim Druiden (s. Kapitel 3) besprochen, so dass ich mich hier nicht wiederholen möchte.

 

Änderungen an den Zaubern selbst hat es nur sehr wenige gegeben, und diese sind in aller Regel auch nur von geringer Auswirkung. Um sich einen Eindruck davon machen zu können, seien hier die folgenden Dinge beispielhaft erwähnt: Der Finger des Todes tötet sein Ziel bei misslungenem Rettungswurf nicht mehr automatisch, sondern richtet 10 Schadenspunkte je Zauberstufe an; die Hast ermöglicht nur noch einen einzigen weiteren Angriff und nicht mehr einen weiteren Angriff mit jeder Waffe, die man in der Hand hält; das Heldenmahl macht nicht mehr gegen Gifte und Krankheiten immun, sondern verleiht einen Bonus auf die entsprechenden Rettungswürfe; das Identifizieren ist keine "1-Stunden-Aktion" mehr, sondern nur noch eine Standard-Aktion (dafür gibt es aber auch nur noch einen Bonus auf die Fertigkeit Zauberkunde, um Eigenschaften eines magischen Gegenstands zu ermitteln): Klopfen und Krankheit kurieren funktionieren nun nicht mehr automatisch, sondern erfordern einen erfolgreichen Zauberstufenwurf + 10 gegen den SG des Schlosses bzw. der Krankheit; Magie bannen ermöglicht nun keinen Bann auf einen Wirkungsbereich mehr (dazu braucht es nun Mächtige Magie bannen); und die Zauber der Sorte Schutz vor Bösem/Chaos/Gutem/Ordnung schützen das Ziel nun nicht mehr automatisch vor geistiger Besitzergreifung, sondern erlauben nur noch einen zweiten Rettungswurf dagegen.

 

Deutlich ist die Tendenz zu erkennen, jenen Aspekten bzw. Wirkungsweisen von Zaubern Grenzen setzen zu wollen, die bisher keine hatten - und somit quasi als "ultima ratio" einen annähernd automatischen Erfolg garantierten. War es bei der 3.5e z.B. auch einem niedrigstufigen Magier durchaus möglich, mittels einiger Schriftrollen einen fähigen Schurken zu ersetzen, so ist dies bei Pathfinder nicht mehr ganz so einfach - und das ist sicherlich prinzipiell eine gute Sache. Des Weiteren hat kein Zauber mehr Erfahrungspunkte als Materialkomponente, diese wurden mit 5 multipliziert und in einen Gegenstand des entsprechenden Werts in Goldmünzen umgewandelt.

 

Kapitel 11: Prestigeklassen (20 Seiten)

Auch das Konzept der Prestigeklassen wurde bei Pathfinder von der 3.5e übernommen: Bei einer Prestigeklasse handelt es sich um eine Charakterklasse, die man erst dann bei einem Stufenaufstieg wählen kann, wenn man bestimmte (je nach Prestigeklasse unterschiedliche) Voraussetzungen erfüllt. Bevor man seine erste Stufe in einer Prestigeklasse nehmen kann, muss man also erst einmal eine gewisse Anzahl Stufen in einer oder mehreren Grundklassen genommen haben. Da viele Prestigeklassen sehr spezielle regeltechnische Voraussetzungen erfordern, ist es oftmals unabdingbar, die Entwicklung des eigenen Charakters schon frühzeitig auf die gewünschte Prestigeklasse hin auszurichten.

 

Zehn Prestigeklassen werden in diesem Kapitel vorgestellt: Arkaner Bogenschütze, Arkaner Betrüger, Assassine, Drachenjünger, Duellant, Kundschafter-Chronist, Mystischer Ritter, Mystischer Theurg, Schattentänzer und Wissenshüter. Der Kundschafter-Chronist ist die einzige Prestigeklasse, die nicht bereits aus dem SLH bekannt ist, und neben der Götter-Tabelle bei der Klassenbeschreibung des Klerikers die einzige Referenz auf die Pathfinder-Kampagnenwelt Golarion, die man in diesem Buch finden kann. Kundschafter-Chronisten sind mutige Forscher und Entdecker, die die Welt bereisen, um verstecktes oder geheimes Wissen in Erfahrung zu bringen und schriftlich festzuhalten. Ihre Fähigkeiten, wie z.B. ein guter Orientierungssinn, ein ausgeprägtes schriftstellerisches Talent, mit dem sie Bardenmusik-Effekte auf den Leser übertragen können, oder ihre Gabe, in den Tiefen ihrer Taschen immer genau den passenden Gegenstand bei sich zu haben, ergänzen sich hervorragend mit den Eigenschaften eines Barden.

 

Die bereits aus dem SLH bekannten Prestigeklassen wurden auf ähnliche Weise überarbeitet und aufgepimpt wie die Grundklassen: Bei fast allen wurden die Trefferwürfel erhöht und Klassenmerkmale hinzugefügt, welche die Prestigeklasse auf ihrem jeweiligen Spezialgebiet noch besser werden lassen. So kann sich der Arkane Betrüger beispielsweise unsichtbar machen; der Assassine sein Opfer so schnell töten, dass die Umstehenden dies erst ein paar Runden später bemerken; der Duellant kann Angriffe parieren - selbst jene, die gegen seine Gefährten gerichtet sind; der Mystische Ritter bekommt mehr Bonustalente; der Mystische Theurg kann arkane Zauber in seinen göttlichen Zauberplätzen vorbereiten (oder umgekehrt); der Schattentänzer ist nun in der Lage, noch mehr Effekte heraufzubeschwören, die Schattenzaubern ähneln.

 

Erwähnen sollte man noch, dass bei sämtlichen Prestigeklassen, die als Voraussetzung eine gewisse Anzahl Ränge in bestimmten Fertigkeiten erfordern, diese Anzahl Ränge im Vergleich zur 3.5e jeweils um 3 reduziert wurde. Dies ist keine Herabstufung der Voraussetzungen, sondern die Folge der Änderungen am Fertigkeitssystem (s. Kapitel 4). Da die Differenz von 3 zwischen Charakterstufe und "maximalem Fertigkeitsrang" bei Pathfinder im Gegensatz zur 3.5e nur noch ein Bonus ist, musste man die Voraussetzungen natürlich entsprechend anpassen, damit die betroffene Prestigeklasse nicht erst drei Stufen später genommen werden kann - ein Umstand, den man bei der Konvertierung von Prestigeklassen (und Talenten) aus der 3.5e nicht vergessen sollte.

 

Kapitel 12: Spielleiten (12 Seiten)

Da ein Rollenspiel zu leiten der wahrscheinlich undankbarste Job der Welt ist, kann ein angehender SL eigentlich jede Unterstützung in Form von Tipps für schwierige Spielsituationen gebrauchen. Dieses Kapitel beschränkt sich leider darauf, die Aufgaben eines SL aufzuzählen und potenziell heikle Fragen (Sollte der SL schummeln dürfen? Steht der SL über den Regeln? Sollte der SL offen oder verdeckt würfeln? Wie geht man mit dem Tod eines SC, göttlichen Interventionen oder renitenten Spielern um?) allenfalls anzureißen, jedoch nicht wirklich befriedigend zu beantworten. Zumeist wird nur eine einzige Lösung für ein bestimmtes Problem angeboten, obwohl es durchaus auch andere und meiner Meinung nach bessere Ansätze gäbe. Einige der Vorschläge, die hier gemacht werden, halte ich sogar für ziemlich fragwürdig: dass der SL bei einem schwerwiegenden Regelfehler eine Szene auch schon mal "zurückspulen" und noch einmal wiederholen lassen sollte, oder dass beim Tod eines Charakters der neue Charakter des betreffenden Spielers vorläufig die Ausrüstung des verstorbenen SC übernehmen sollte, damit das Gesamtvermögen der Gruppe durch das Aufteilen nicht aus den Fugen gerät, sind jedenfalls Vorgehensweisen, die für mich als SL vollkommen indiskutabel wären. Hier macht man es sich auf Kosten von Glaubwürdigkeit und Konsistenz innerhalb der Spielwelt für meinen Geschmack ein bisschen zu einfach.

 

Nun enthält dieses Kapitel aber nicht nur allgemeine Hinweise für den SL, sondern auch ein paar handfeste Regeln, und zwar jene für das Entwerfen von zur Gruppenstufe passenden Begegnungen, für das Verteilen von Erfahrungspunkten und für das Zusammenstellen von Schätzen. Auch hier hat man es sich einfach gemacht: Die aus der 3.5e bekannte "Begegnungsstufe" wurde abgeschafft. Um eine Begegnung zusammenzustellen, ermittelt man nun statt dessen nach einer simplen Formel die durchschnittliche Gruppenstufe (DGS) und bestimmt je nach der gewünschten Schwierigkeit der Begegnung deren Herausforderungsgrad (HG). Dieser ist an einen fixen EP-Wert gekoppelt, den man dann nach eigenem Gusto auf Monster, Fallen oder andere Herausforderungen aufteilen kann - fertig ist die Begegnung. Wurde sie überwunden, wird der ermittelte EP-Wert gleichmäßig auf alle Gruppenmitglieder verteilt. In einer weiteren Tabelle werden Richtwerte dafür gegeben, wie hoch der Wert der gefundenen Schätze je nach der DGS und gewählten Aufstiegsgeschwindigkeit pro Begegnung ausfallen sollte.

 

Im Gegensatz zu den komplizierten Berechnungsmethoden bei der 3.5e sind diese Regelungen zweifellos eine Wohltat. Allerdings haben sie auch einen gravierenden Nachteil: Sie funktionieren nämlich nur so lange gut, wie alle Charaktere in der Gruppe die gleiche Erfahrungsstufe haben. Sollte dies aus irgendwelchen Gründen nicht (mehr) gegeben sein, steht man vor dem Problem, dass die Begegnungen für Charaktere, deren Stufe niedriger als die DGS ist, schwerer zu überwinden sind, während sie für Charaktere, deren Stufe höher als die DGS ist, leichter zu überwinden sind. Da aber alle SC immer die selbe Menge an Erfahrungspunkten bekommen, gleicht sich dieser Unterschied nie wieder aus. Auch durch die im Vergleich zur 3.5e stärker ansteigende Progression der Erfahrungspunktmenge, die man zum nächsten Stufenaufstieg benötigt, wird dies meiner Meinung nach nicht ausreichend kompensiert. Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben sich die Pathfinder-Autoren zu einem ziemlich billigen Trick entschlossen: Sie haben einfach alle Umstände, unter denen ein Charakter tatsächlich permanent eine Stufe verlieren könnte, aus dem Spiel eliminiert. So wurde beispielsweise die Fähigkeit des Lebenskraftentzugs mancher Untoter derartig abgeschwächt, dass auch eine "permanente" negative Stufe mittels des Zaubers Genesung jederzeit wieder entfernt werden kann, und selbst der Stufenverlust durch einen Charaktertod ist nun auf diese Art und Weise ohne zeitliche Begrenzung wiederherstellbar (s. Kapitel 8).

 

Gleich die nächste Ernüchterung stellt sich ein, wenn man sich die Regeln für das Spielen monströser Charaktere anschaut - bzw. das Nichtvorhandensein ebendieser Regeln. Die sogenannte "Stufenentsprechung", mit der bei der 3.5e die größere Macht vieler Monster gegenüber den Standard-Spielervölkern ausgeglichen werden sollte, wurde bei Pathfinder abgeschafft. Nun werden hier nur noch eine Handvoll Monster aufgelistet, die man seinen experimentierfreudigen Spielern als Alternative anbieten kann. Immerhin sind auch einige Kreaturen darunter, die bei der 3.5e eine Stufenentsprechung von +1 hatten (bei diesen sollen die anderen Charaktere dann einfach auf der 2. Stufe anfangen), aber alles, was darüber hinausgeht, ist bei Pathfinder schlicht und ergreifend nicht mehr vorgesehen. Es ist zwar durchaus richtig, dass auch die 3.5e-Stufenentsprechung nicht unbedingt das Gelbe vom Ei gewesen ist und sich insbesondere auf den höheren Stufen bei den betroffenen Charakteren sehr negativ bemerkbar gemacht hat, aber deswegen diese Option gleich ganz zu streichen, halte ich schon für eine etwas armselige Lösung. Zumal sie ziemlich genau das Gegenteil davon ist, den Charakteren mehr Optionen bieten zu wollen.

 

Alles in allem muss ich leider sagen, dass mich dieses Kapitel ziemlich enttäuscht hat. Statt neuer oder intelligenterer Lösungsansätze für die zweifelsohne bestehenden Schwächen anzubieten, wurde hier einfach das Seziermesser angesetzt und alles entfernt, was irgendwie Probleme verursachen könnte. In der Chirurgie mag das vielleicht Sinn machen, hier jedoch ist es nur ein Zeichen kreativer Hilflosigkeit - eine wie auch immer geartete Verbesserung gegenüber der 3.5e ist das jedenfalls nicht.

 

Kapitel 13: Die Umgebung (36 Seiten)

Neben Monstern kann auch die Umwelt den Charakteren das Abenteurer-Leben ganz schön schwer machen, und so finden sich in diesem Kapitel die regeltechnischen Eigenschaften jener Dinge wieder, denen die SC in den Umgebungen, in denen sie sich typischerweise aufhalten, begegnen können, sowie die Gefahren, die ggf. von diesen Dingen ausgehen.

 

Es beginnt - wie könnte es anders sein - mit Gewölben: Die Dicke, Härte und Trefferpunkte verschiedenartiger Wände, Böden und Türen erfährt man hier ebenso wie die Schwierigkeitsgrade, um diese zu erklimmen bzw. aufzubrechen. Als typische Gefahren in einem Gewölbe werden Einstürze und diverse Schleime, Schimmel und Pilze behandelt. Auch Fallen spielen in Gewölben natürlich eine wichtige Rolle, jedoch eine so wichtige, dass ihnen ein eigener Abschnitt gewidmet wurde, in dem die einzelnen Elemente einer Falle (Auslöser, Rücksetzer, Effekt, etc.) sowie die Berechnung ihres Herausforderungsgrads, ihrer Herstellungskosten und des Schwierigkeitsgrads, um sie wahrzunehmen bzw. zu entschärfen, erklärt werden. Auch eine Sammlung von 33 Beispielfallen für jeden Herausforderungsgrad ist hier beigefügt. Es folgt die Wildnis, die in Wälder, Feuchtgebiete, Hügel, Berge, Wüsten, Ebenen und aquatische Umgebungen unterteilt wird. Es drohen Waldbrände, Treibsand, Gletscherspalten, Höhenkrankheit, Lawinen, Sandstürme oder auch nur tückisches Geröll, und natürlich kann man sich in all diesen Gegenden auch wunderbar verirren. Die Regeln für den Unterwasserkampf sind ebenso enthalten wie jene für die Bedienung von schwerem Belagerungsgerät, die - wenn man den Autoren glauben mag - scheinbar ein wichtiger Bestandteil von Stadtabenteuern ist. Auch das Wetter kann einem Helden schnell den Tag verderben, insbesondere wenn es stürmisch wird. Schließlich finden sich noch ein paar warme Worte über die verschiedenen Existenzebenen (es wird erklärt, was Innere-, Äußere-, Transitive- und Halbebenen sind und wie diese interagieren) und zu guter Letzt Ausführungen über all jene Gefahren, denen sich Abenteurer ganz allgemein (also unabhängig vom Gelände) so gegenübersehen: Säure, Kälte, Dunkelheit, Stürze, fallende Gegenstände, Hitze, Feuer, Hunger, Durst, Ersticken und Ertrinken.

 

Viel mehr muss man darüber eigentlich auch nicht sagen, denn sämtliche Regeln funktionieren genau wie bei der 3.5e. Lediglich an den Fallen wurde etwas an den Schwierigkeitsgraden herumgefeilt, jedoch halte ich genauere Ausführungen dazu angesichts der Tatsache, dass während meiner gesamten Laufbahn als Rollenspieler und SL noch nie ein SC tatsächlich mal in die Verlegenheit geraten wäre, nach den hier vorgestellten Regeln eine Falle zu bauen, für unnötig.

 

Kapitel 14: NSC erschaffen (8 Seiten)

In diesem Kapitel werden die NSC-Klassen Adept, Adeliger, Bürgerlicher, Experte und Krieger vorgestellt, die bis auf teilweise höhere Trefferwürfel 1:1 aus der 3.5e übernommen wurden. Des Weiteren wird hier eine vereinfachte Anleitung gegeben, wie man sich einen NSC zusammenstellen kann, wobei diese Vereinfachung im Vergleich zur normalen Charakter-Erschaffung jedoch nur darin besteht, dass die Attributswerte, Talente und der Wert der Ausrüstung des NSC direkt hier in entsprechenden Tabellen abgelesen werden können, ohne dass man diese Daten an anderen Stellen im Buch nachschlagen muss. Außerdem gibt es einen (in Zahlen: 1) Beispiel-NSC.

 

Leider ist es auch mit dieser "vereinfachten" Anleitung komplett unmöglich, die Werte für einen dringend benötigten NSC ad hoc zur Verfügung zu haben, wie dies bei den entsprechenden umfangreichen Tabellen im SLH noch der Fall war. Was hier stattdessen angeboten wird, kann man daher nur als schlechten Witz bezeichnen - da hätte auch ein einziger Satz genügt: "NSC werden genauso erschaffen wie SC." Dass das Pathfinder-System hauptsächlich zur Unterstützung der Kaufabenteuer und Adventure Paths aus dem Hause Paizo gedacht ist, und weniger dazu, selbst kreierte oder sogar ganz ohne vorgegebene Abenteuer zu spielen, wird nirgends so deutlich wie in diesem Alibi-Kapitel.

 

Kapitel 15: Magische Gegenstände (96 Seiten)

Wie schon bei allen Vorgänger-Versionen auch wird die Macht eines Pathfinder-Charakters maßgeblich durch dessen magische Ausrüstung bestimmt, was um so mehr gilt, je höher dessen Stufe ist. In der Tat wird auf höheren Stufen von einem gewissen Pensum an magischen Gegenständen sogar ausgegangen, da sich andernfalls das Machtgleichgewicht zwischen SC und Monstern gefährlich zu Ungunsten der SC neigt: sind diese nicht ausreichend ausgerüstet, kann sich eine vom Herausforderungsgrad eigentlich passende Begegnung schnell als tödlich herausstellen. Nicht umsonst werden in Kapitel 12 dieses Buchs entsprechende Richtwerte für die Höhe des Gesamtvermögens eines SC auf jeder Stufe angegeben - und bei Pathfinder ist dieses sogar noch etwas höher als bei der 3.5e. Ergo steckt in der Regel ein Großteil dieses Vermögens in der magischen Ausrüstung eines SC, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass diese einen derartig umfangreichen Platz in diesem Buch einnimmt.

 

Viel Spannendes gibt es aber nicht zu berichten: Nach wie vor werden die magischen Gegenstände in die Kategorien Rüstungen, Schilde, Waffen, Tränke, Ringe, Zepter, Schriftrollen, Zauberstecken und -stäbe, wundersame Gegenstände (alles, was nicht in eine der anderen Kategorien passt), intelligente und verfluchte Gegenstände sowie Artefakte unterteilt. Die Auswahl deckt sich dabei fast 100%ig mit jener des SLH, ebenso wie der Wert, die Handhabung und auch die Wirkung jedes einzelnen Gegenstands. Natürlich gibt es Ausnahmen: So wurden z.B. die Geschicklichkeitshandschuhe zum Gürtel der unglaublichen Geschicklichkeit, ein Ring der drei Wünsche ist nun 120.000 Goldmünzen wert (statt 97.950 bei der 3.5e) oder die besondere Waffeneigenschaft Blutung verursacht jetzt keinen KO-Schaden mehr, sondern lässt das Opfer normale Trefferpunkte je Runde verlieren, bis die Blutung mittels Heilkunde gestillt wurde - all dies sind jedoch Einzelfälle.

 

Wie auch bei den Zaubern sind jene magischen Gegenstände, die nach Charakteren aus dem D&D-Universum bzw. der Kampagnenwelt Greyhawk benannt waren, umbenannt worden. Besonders hart hat es hierbei die Artefakte getroffen: Das Buch der Löblichen Taten, das Buch der Scheußlichen Finsternis, der Donnerkeilhammer, Zagys Talisman, Das Schwert des Kas, Der Klagende Diamant, Prators Schild, St. Cuthberts Streitkolben, Vecnas Hand und Auge - sie alle wurden komplett gestrichen. Als Ersatz gibt es nur zwei neue Artefakte, nämlich Die Axt der Zwergenfürsten und Der Kodex der Unzähligen Ebenen.

 

Etwas hat sich aber dennoch grundlegend geändert: Die Herstellung eines magischen Gegenstands - und zwar egal, von welchem - kostet bei Pathfinder keine Erfahrungspunkte mehr, sondern nur noch Gold (alle anderen aus der 3.5e bekannten Voraussetzungen wie der Besitz der entsprechenden Talente und ggf. bestimmter Zauber, etc. gelten nach wie vor). Dafür kann die Herstellung aber auch schief gehen: Nach Abschluss der Prozedur ist ein Fertigkeitswurf auf Zauberkunde oder wahlweise eine passende Handwerks- oder Berufsfertigkeit vonnöten (der SG entspricht 5 + Zauberstufe des Gegenstands), und schlägt dieser fehl, war die ganze Arbeit vergebens und die investierten Herstellungskosten sind verloren. Schlägt der Wurf um 5 oder mehr Punkte fehl, entsteht sogar ein verfluchter Gegenstand.

 

Als SL sehe ich den Wegfall der EP-Kosten eher mit einem misstrauischen Auge. Andererseits haben sich die Zauberkundigen in meiner Gruppe bisher nie sonderlich dafür begeistern können, magische Gegenstände selbst herzustellen - und zwar hauptsächlich, eben weil es Erfahrungspunkte kostet, die gerade für magiefähige Charaktere besonders wertvoll sind. Den Sinn dieser Änderung verstehe ich also durchaus. Allerdings scheint mir der Fertigkeitswurf dafür kein adäquater Ersatz zu sein. Die Fehlschlagchance dürfte in den meisten Fällen nur äußerst gering sein, aber wenn der Wurf tatsächlich mal schief geht, ist der Preis dafür gleich unverhältnismäßig hoch. Dass dies bei den Spielern viel besser ankommt, wage ich mal zu bezweifeln, aber das mag jeder für sich selbst entscheiden.

 

Anhänge, Charakterbogen & Index (23 Seiten)

Im ersten Anhang werden die besonderen Fähigkeiten erklärt, die manche Kreaturen besitzen, wie beispielsweise Bezauberung und Zwang, Blindsicht, Energieimmunität oder -resistenz, Furcht, Lähmung, Lebenskraftentzug, Schadensreduzierung, Unsichtbarkeit oder Zauberresistenz. Am Anfang werden die grundsätzlichen Regelungen für außergewöhnliche, übernatürliche und zauberähnliche Fähigkeiten erläutert. Besonders erwähnenswert sind hier die Flüche, Krankheiten und Gifte, die zu den sogenannten "Gebrechen" zusammengefasst und mit einem ähnlichen Regelmechanismus versehen wurden: Es gibt einen anfänglichen Rettungswurf, der bestimmt, ob man sich das jeweilige Gebrechen zuzieht, darauf folgt ggf. eine Inkubationszeit, nach deren Ablauf in einer bestimmten Frequenz weitere Rettungswürfe durchgeführt werden müssen. Schlagen diese fehl, erleidet das Opfer den entsprechenden Effekt. Eine natürliche Heilung kann durch eine je nach Gebrechen unterschiedliche Anzahl erfolgreicher Rettungswürfe in Folge erreicht werden. Flüche, worunter das PRG das versteht, was bei der 3.5e noch die "magischen Krankheiten" waren, also beispielsweise Mumienfäule oder Lykanthropie, können jedoch nicht auf natürlichem Wege geheilt werden.

 

Anhang 2 enthält eine Erklärung aller Zustände, die eine Kreatur oder ein Gegenstand im Spiel annehmen bzw. in die man geraten kann. An den bekannten Zuständen wurden wie auch an den besonderen Fähigkeiten gegenüber der 3.5e keine nennenswerten Änderungen vorgenommen, jedoch gibt es einen interessanten neuen Zustand: "Beschädigt". Wird ein Objekt - z.B. durch das Kampfmanöver "Gegenstand zerschmettern" - auf die Hälfte seiner Trefferpunkte reduziert, hat das entsprechende Konsequenzen: Waffen erhalten einen Malus auf Angriff und Schaden, Rüstungen und Schilde auf ihren RK-Bonus, und Zauberstäbe bzw. -stecken verbrauchen die doppelte Menge an Ladungen (bei der 3.5e waren Gegenstände noch voll einsatzfähig, bis sie schließlich bei 0 Trefferpunkten zerstört worden sind).

 

Anhang 3 ist eine Liste mit Literaturvorschlägen zum Thema heroischer Fantasy und in Anhang 4 kann der geneigte Pathfinder-Spieler erfahren, welche tollen Produkte es noch so unter diesem Banner zu kaufen gibt.

 

Der zweiseitige Charakterbogen hält dann auch keine großen Überraschungen mehr bereit und unterscheidet sich von der 3.5e-Version hauptsächlich durch die neue Fertigkeitsliste und Feldern für die KMB und KMV, die an die Stelle des Ringkampfmodifikators getreten sind. Na ja, und das Logo wurde natürlich ausgetauscht - es ist ja schließlich ein Pathfinder-Charakterbogen.

 

Die letzten viereinhalb Seiten werden vom Index eingenommen, der sich zumindest während der Rezensionsarbeit als hilfreich und mit den richtigen Seitenzahlen versehen herausgestellt hat.

 

Zusammenfassung und Bewertung der Änderungen

Fassen wir mal zusammen: Bei den Völkern wurden die Gnome und Halblinge durch reine Fluff-Änderungen interessanter gemacht, die Volksmodifikatoren aller Völker wurden (rechnerisch) angeglichen. Jeder Charakter bekommt nun auf jeder zweiten Stufe ein Talent, die Regeln für die bevorzugte Klasse wurden variabler gestaltet und gewähren nun Vorteile anstatt Nachteile zu eliminieren. Bei einigen Klassen wurden die Trefferwürfel erhöht, außerdem haben alle Klassen eine Reihe von zusätzlichen Optionen erhalten, die sich in den jeweiligen Klassenmerkmalen niederschlagen und die Klasse in ihrem Spezialgebiet noch mehr unterstützen oder ihr weitere Möglichkeiten eröffnen. So kann z.B. der Barbar im Kampfrausch zusätzliche Kampfrauschkräfte aktivieren, der Barde ist zu einem wahren Tausendsassa geworden, der Hexenmeister erhält besondere Fähigkeiten aufgrund seiner Blutlinie, gleichfalls werden Kleriker und Magier aufgrund ihrer gewählten Domänen bzw. Schule mit zusätzlichen Kräften versehen, und Schurken beherrschen eine ganze Palette neuer Tricks. Die maximalen Ränge für Klassen- bzw. klassenübergreifende Fertigkeiten wurden abgeschafft, ebenso die Fertigkeitspunkte. Man erhält nun beim Stufenaufstieg direkt Ränge, die man nach Belieben auf die Fertigkeiten verteilen kann. Handelt es sich um eine Klassenfertigkeit, addiert man einfach einen Bonus von +3 auf den Fertigkeitswurf. Fertigkeiten, die man ohnehin meistens gemeinsam anwendet, bzw. solche, deren Wahl bei der 3.5e für die meisten SC wenig reizvoll war, wurden zusammengefasst. Die Talentauswahl wurde erweitert. Beim Kampfsystem haben sich lediglich die Regeln für im Sterben liegende Charaktere geändert, außerdem wurde der Kampfmanöverbonus bzw. die Kampfmanöververteidigung eingeführt - standardisierte Werte, die bei der Ausführung bestimmter (allerdings nicht aller) Kampfmanöver zum Einsatz kommen und die aus der 3.5e bekannten konkurrierenden Würfe ersetzen. Zauberfähige Charaktere müssen sich bei Pathfinder sehr viel mehr vor Nahkämpfern in Acht nehmen, da die Konzentration nun keine Fertigkeit mehr ist, sondern ein spezieller Zauberstufenwurf. Der Gestaltwandel wurde auf eine ganze Reihe Zauber aufgeteilt, die mit zunehmender Stufe dem verwandelten Charakter mehr Optionen und Macht verleihen, wobei Letztere mehr vom Zaubergrad abhängt und weniger von der gewählten Gestalt.

 

Auf der Spielleiter-Seite wurden die Methoden zur Berechnung von Begegnungsschwierigkeiten und Verteilung von Erfahrungspunkten radikal vereinfacht. Jede Herausforderung gibt nun einen festen EP-Wert, der sich nach deren HG richtet, und dieser wird nach deren erfolgter Überwindung gleichmäßig auf alle Gruppenmitglieder verteilt. Je nach gewünschter Aufstiegsgeschwindigkeit kann man zwischen drei EP-Skalen (langsam, normal und schnell) für den Stufenaufstieg wählen. Auf der anderen Seite sind dafür sämtliche Regelungen, die einen Charakter Erfahrungspunkte oder gar Stufen verlieren lassen, aus dem Spiel entfernt worden - selbst eine Wiedererweckung von den Toten verursacht nur noch eine "permanente" negative Stufe, die jedoch durch den Zauber Genesung wieder aufgehoben werden kann. Die Herstellung magischer Gegenstände kostet nun gleichfalls keine Erfahrungspunkte mehr, kann aber aufgrund fälliger Fertigkeitswürfe auch misslingen.

 

Das alles hört sich nach recht viel an, aber lässt man mal die Neuerungen bei den Klassen außer Acht, die in der Tat umfangreich sind und das Spielgeschehen maßgeblich beeinflussen, bleiben nur noch das Fertigkeitssystem und die EP-Berechnung als größere Bereiche übrig, die grundlegend überarbeitet wurden. Alles andere sind nur Detailänderungen oder sie betreffen sehr spezielle Regelaspekte, die unter normalen Umständen nicht allzu häufig im Spiel vorkommen sollten. Mit Verlaub: nach anderthalb Jahren Testphase mit allem Fitz und Fatz hätte ich mir da schon ein bisschen mehr erwartet. So stellt sich jedenfalls schon die Frage, ob der Testlauf tatsächlich notwendig gewesen ist oder ob es sich nicht doch eher um einen sehr geschickten Promotion-Schachzug gehandelt hat. Möglicherweise hat es auch in den Alpha- und Betaversionen mutigere Änderungen gegeben, die dann jedoch wieder verworfen wurden. Da ich diesen Prozess nicht näher verfolgt habe, kann ich das leider nicht beurteilen, aber auch wenn das stimmt, dann wäre das, was wir hier jetzt in den Händen halten, nur noch so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner der gesamten Fangemeinde. Was auch immer die Gründe gewesen sein mögen, es bleibt dabei: Es hätte ruhig ein bisschen mehr sein dürfen.

 

Auf der anderen Seite wird Pathfinder dadurch natürlich nicht zu einem schlechten System, denn das war die 3.5e ja auch nicht. Letztendlich bedeuten wenige Änderungen auch wenige Gelegenheiten, irgendetwas zu verkorksen. Und es hat den Vorteil, dass es dadurch relativ problemlos möglich ist, sich die Rosinen herauszupicken und nur jene Neuerungen aus Pathfinder ins eigene System zu übernehmen, die der Gruppe zusagen, und jene, die das nicht tun, einfach so zu belassen wie sie sind. So spricht z.B. nichts dagegen, die Kampfmanöver weiterhin nach dem 3.5e-System abzuwickeln, wenn einem der KMB und die KMV nicht gefallen, denn alle notwendigen Daten dafür sind ja nach wie vor da. Das alte Fertigkeitssystem mit den maximalen Rängen für Klassen- und -übergreifende Fertigkeiten funktioniert mit den neuen Fertigkeiten genauso gut. Notfalls lassen sich selbst die Erfahrungspunkte nach dem alten System berechnen (dann allerdings natürlich auch unter Verwendung der alten Aufstiegs-Skala). Gut, die Änderungen an den Völkern und insbesondere den Klassen sollte man aber natürlich auf jeden Fall in ihrer Gesamtheit übernehmen, denn andernfalls kann man sich den Umstieg auf Pathfinder auch gleich komplett sparen. Letzteres ist auch der Grund dafür, warum das PRG als Ersatz-SHB für eine 3.5e-Runde annähernd untauglich ist (es sei denn zum Nachschlagen von Kampfregeln). Spieler, die darauf gehofft haben, mit Hilfe des PRG mit relativ wenig Aufwand auch 3.5e-Charaktere erstellen zu können, werden diese Hoffnung allein schon angesichts der Vielzahl und des Umfangs der Änderungen bei den Klassen leider begraben müssen.

 

Um zu einem fairen Urteil über die Änderungen und Neuerungen bei Pathfinder gegenüber der 3.5e zu gelangen, bietet es sich an, das vorliegende Werk daraufhin zu überprüfen, ob die Designziele, die sich die Autoren während der Testphase gesetzt hatten, erreicht wurden. Es sind derer drei:

 

1. Improve the Game ("Das Spiel verbessern"): Hiermit ist gemeint, die vorhandenen Schwachpunkte und Mängel des Systems zu beheben oder zumindest abzumildern. Darunter fallen beispielsweise die Änderungen bei den Kampfmanövern und am Gestaltwandel, die Zusammenlegung der Fertigkeiten oder die Überarbeitung des Erfahrungspunkte-Systems. Aber auch die meisten der vielen kleinen Änderungen an den Talenten, Zaubern und magischen Gegenständen gehören dazu. Während die vielen kleinen Tweaks in den meisten Fällen tatsächlich Sinn machen (wie z.B. der neue Konzentrationswurf), so muss ich leider sagen, dass gerade die "größeren" Änderungen in dieser Kategorie, also die Fertigkeiten, Kampfmanöver und das neue EP-System, in meinen Augen eher weniger gelungen sind. Entweder das Ziel wird verfehlt (Fertigkeiten), die neuen Regelungen sind umständlicher als zuvor (Gestaltwandel, Ringkampf), oder sie bringen andere Nachteile mit sich (Kampfmanöver, neue EP-Regeln). Und wenn sich die Autoren gar nicht mehr anders zu helfen wussten, dann wurde das Problem auch schon mal mit der Axt behoben (Monster als Spielercharaktere). Dass manches davon zumindest von meiner Wenigkeit bei der 3.5e überhaupt nicht als Schwachpunkt wahrgenommen worden ist (Fertigkeiten, EP-Regeln, Kampfmanöver), ist dabei nur das Tüpfelchen auf dem i. Alles in allem muss ich also leider sagen, dass bei diesem Ziel nur ein sehr durchwachsenes Ergebnis erreicht wurde, mit der Folge, dass ich bei einem eventuellen Umstieg auf Pathfinder viele dieser Änderungen bestenfalls nur widerwillig übernehmen würde.

 

2. Add Options ("Mehr Optionen geben"): Hiermit sind hauptsächlich die Wahlmöglichkeiten bei der Charaktererschaffung und -entwicklung gemeint (neue Klassenmerkmale wie z.B. die Blutlinien des Hexenmeisters, die Kampfrauschkräfte des Barbaren oder die wahlfreie bevorzugte Klasse), aber auch zusätzliche taktische Optionen im Kampf (neue Talente wie z.B. die Kritischer-Treffer-Talente), das Entfernen von Beschränkungen bzw. Barrieren (wie die zusätzlichen Kosten und Obergrenzen bei klassenübergreifenden Fertigkeiten oder die EP-Kosten zur Herstellung magischer Gegenstände) sowie die Erweiterung von Einsatzmöglichkeiten ("Spuren lesen" für alle, unbegrenztes Wirken von Zaubern des Grades 0, das "Beschädigen" von Gegenständen mittels eines Kampfmanövers oder das Fesseln im Ringkampf). Man braucht lediglich einen Blick auf die zahlreichen neuen Klassenmerkmale zu werfen, um zu erkennen, dass die Pathfinder-Autoren hier in die Vollen gegangen sind. Und das mit durchschlagendem Erfolg: Leuchtende Spieler-Augen werden garantiert sein. Nun kommen zusätzliche Wahlmöglichkeiten natürlich immer gut an - wenn man eine Wahl hat, anstatt etwas nehmen zu müssen, ist das grundsätzlich immer erst mal besser. Und auch wenn sich die neue Option als schlechter herausstellt, ist das kein Beinbruch, denn dann wird sie eben einfach nicht genommen. Nichtsdestotrotz verdient das, was sich die Autoren hier alles ausgedacht haben, ein ganz besonderes Lob: Fast alle Neuerungen dieser Art zeugen von einem sehr großen Einfallsreichtum, decken genau jene Punkte ab, die auch in meiner Runde bereits negativ aufgefallen sind, und stellen eine schöne Bereicherung für die jeweilige Klasse dar. Und dadurch, dass viele der neuen und interessanten Optionen erst auf höheren Stufen ins Spiel kommen, wurde auch erreicht, dass es wieder reizvoll ist, eine Grundklasse von der 1. bis zur 20. Stufe durchzuspielen, anstatt sie nur als notwendiges Übel anzusehen, um möglichst schnell die Voraussetzungen für die gewünschte Prestigeklasse zu erfüllen. Also: Hut ab! Die neuen Optionen sind zweifelsohne ein kräftiger Tritt aufs Spaßpedal.

 

3. Compatibility ("Die Kompatibilität erhalten"): Gemeint ist hier natürlich die Kompatibilität zu der Fülle an Zusatzmaterial, das bereits für die 3.5e erschienen ist. Jedem SL würde der Umstieg auf das Pathfinder-System sehr schwer fallen, wenn dies den Großteil seiner Sammlung aus Kampagnensets, Quellenbüchern und Abenteuern für die 3.5e zu Altpapier machen würde. Betroffen sind hier natürlich ausschließlich die regeltechnischen Aspekte des Zusatzmaterials, also neue Grund- und Prestigeklassen, Talente, Ausrüstungsgegenstände, Zauber, magische Gegenstände, NSC oder Monster. Bezüglich der Monster, insbesondere solcher, die gerne schon mal verstärkt oder mit einer Schablone versehen in diversen Abenteuern auftauchen, wird dies nur vom "Pathfinder Monsterhandbuch" beantwortet werden können, das hoffentlich in Bälde erscheinen wird. Schaut man sich die anderen Aspekte an, so fällt auf, dass bei allen die grundsätzlichen Mechanismen zu deren Handhabung und Einsatz nicht angetastet worden sind. Eine Konvertierung ist also prinzipiell ohne allzu großen Aufwand möglich. Ganz ohne Aufwand geht es jedoch nicht: So ist z.B. bei Grund- und Prestigeklassen eventuell eine Erhöhung des Trefferwürfels anzuraten (auf jeden Fall von W4 auf W6), bei Prestigeklassen und Talenten müssen die Voraussetzungen überprüft und ggf. angepasst werden, bei Zaubern, die EP-Kosten als Komponente haben, müssen diese in Goldmünzen umgerechnet werden, etc. Die meiste Arbeit werden mit Sicherheit NSC verursachen: Hier gilt es, Talente hinzuzufügen, KMB und KMV zu berechnen, die neuen Klassenmerkmale hinzuzufügen, ggf. Trefferpunkte neu zu bestimmen, die Zauberauswahl anzupassen, etc. Ähnliches ist natürlich auch bei Spielercharakteren vonnöten, wenn man vor hat, diese von der 3.5e nach Pathfinder zu konvertieren. Und natürlich sollte man immer überprüfen, ob die jeweilige Grund- bzw. Prestigeklasse oder das jeweilige Talent im Kontext der neuen Regeln überhaupt noch Sinn machen. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass der Konvertierungsaufwand in allen Fällen noch vertretbar ist. Ich würde zwar keine hochstufige Kampagne von der 3.5e nach Pathfinder konvertieren wollen, aber das hätte mehr Konsistenz- denn regeltechnische Gründe. Woher die Charaktere dann nämlich ihre ganzen tollen neuen Fähigkeiten plötzlich bekommen, würde sich kaum glaubwürdig erklären lassen. Aber eines steht mal fest: Seine geliebten 3.5e-Quellenbücher mit dem ganzen Zusatzmaterial braucht niemand in den Müll zu werfen, und das ist ja schließlich die Hauptsache.

 

Schaut man sich die Ziele an, so fällt auf, dass die ersten beiden in Konflikt mit dem Dritten stehen: Je mehr man an den Regeln verändert und je mehr Optionen man hinzufügt, desto geringer wird die Kompatibilität sein, und umgekehrt (wobei das Hinzufügen von Optionen weniger problematisch ist als das Verändern von Regeln). Hier galt es also, Prioritäten zu setzen: Nach Aussage der Autoren stand Ziel Nr. 3 immer im Vordergrund und ist nur dann hinter die anderen zurückgetreten, wenn es sich nicht vermeiden ließ, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Und auch wenn ich manche der Änderungen im Sinne von Ziel Nr. 1 in Frage stelle, so deckt sich mein Gesamteindruck mit dieser Aussage doch durchaus: Es wurden nur dort kompatibilitätskritische Änderungen vorgenommen, wo dies - nach Ansicht der Autoren - notwendig war. Es gibt keine Änderungen um der Änderung willen, und dies kann man den Entwicklern eigentlich gar nicht hoch genug anrechnen.

 

PRG vs. SHB und SLH

Nach der qualitativen Beurteilung des neuen Regelsystems muss fairerweise auch eine quantitative Beurteilung erfolgen. Ein simpler Vergleich der Seitenzahlen offenbart bereits, dass die Aussage, dass das PRG das SHB und das SLH in einem Buch vereint, zumindest in Frage gestellt werden muss: Das PRG hat 576 Seiten, SHB und SLH der 3.5e sind zusammen jedoch auf ca. 790 Seiten gekommen, wenn man das Glossar-Beiheft des SHB mitrechnet (das in späteren Ausgaben ins Buch integriert wurde, weswegen ich hier auch keine hundertprozentig genaue Seitenzahl angeben kann). Erschwerend kommt hinzu, dass beim PRG auf jeder Seite weniger Text steht: Die Spalten sind etwas schmaler, der Abstand zum Seitenrand etwas höher und der Schriftsatz etwas größer als im SHB bzw. SLH. Dies hat zur Folge, dass eine vollständig mit Text gefüllte Seite ohne Überschriften oder Illustrationen beim PRG aus ca. 7.040 Zeichen besteht, beim SHB bzw. SLH sind es jedoch ca. 8.550 Zeichen (bei den dreispaltigen Zauberbeschreibungen nur ca. 7.630). Rechnet man dies auf die Seitenanzahl hoch, so muss man feststellen, dass die gesamte Textmasse des PRG nur ca. 61% der gesamten Textmasse des SHB und SLH beträgt (was natürlich nur als Näherungswert angesehen werden darf, da hier die Illustrationsdichte nicht berücksichtigt wurde), und das trotz des zusätzlichen Inhalts wie den neuen Klassenmerkmalen oder Talenten.

 

Es stellt sich also die Frage, was denn weggelassen wurde. Einen ersten Hinweis erhält man, wenn man das PRG in den Spieler- und den SL-Bereich teilt: Kapitel 1 bis 10 entsprechen dabei dem SHB, Kapitel 11 bis 15 und die Anhänge dem SLH. Hier zeigt sich Erstaunliches: Kapitel 1 bis 10 belegen 371 Seiten des PRG, Kapitel 11 bis 15 und die Anhänge 205 Seiten. Rechnet man dieses Verhältnis wiederum auf die Gesamt-Textmasse hoch und vergleicht diese mit den Werten von SHB und SLH, dann stellt man fest, dass das PRG ca. 80 % des SHB-Textvolumens enthält, jedoch nur erschreckende ca. 42% des SLH-Textvolumens.

 

Aber was fehlt denn nun konkret? Zunächst einmal wurden sämtliche Texte erheblich gestrafft: Das PRG enthält fast nur noch reine Regel-Erläuterungen und keinerlei schmückendes Beiwerk mehr. Das fängt schon bei den Klassenbeschreibungen an: Die aus dem SHB bekannten, recht ausführlichen Texte zu jeder Klasse, bevor die eigentlichen Regel-Informationen begannen, wurden im PRG auf zwei Absätze je Klasse eingedampft, die Startpakete komplett gestrichen, ebenso die Erläuterungen zu Klassenkombinationen. Dies setzt sich im weiteren Verlauf des Buchs so fort: Bis auf ein paar einleitende Absätze zu dem jeweiligen Kapitel steht im PRG kein Wort mehr drin als in den Pathfinder Reference Documents - keine erklärenden Beispiele, keine auflockernden Flavor-Texte (bis auf jene auf der einleitenden Doppelseite jedes Kapitels natürlich), keine Seitenbalken mit einem "Blick hinter die Kulissen" oder vergleichbarem Inhalt. Auch einen ausführlichen Glossar sucht man vergebens.

 

Auf diese Art und Weise lassen sich sicherlich die fehlenden 20% des SHB erklären, aber auf keinen Fall die fehlenden 58% des SLH. Dort wurden u.a. weggelassen: Sämtliche Regelvarianten, fast alle allgemeinen SL-Tipps aus Kapitel 1, fast alle zusätzlichen Hinweise zum Abwickeln von Kämpfen, Fertigkeits-, Attributs- und Rettungswürfen und der Handhabung von Magie aus Kapitel 2, aus Kapitel 3 sämtliche Ausführungen zum Abenteuerdesign (außer den grundlegenden Eigenschaften von Gewölben und Fallen), wie auch die Tabellen, um sich Gewölbe zufällig auswürfeln zu können. Aus Kapitel 4 wurden nur die NSC-Klassen übernommen, sämtliche weiteren Hinweise dazu sowie alle Tabellen mit Werten für NSC jeder Klasse und Stufe wurden entfernt, Kapitel 5 ("Kampagnen") fehlt bis auf ein paar Hinweise zu den Übergangsebenen komplett, und aus Kapitel 6 ("Charaktere") wurden nur ein paar der Prestigeklassen übernommen - es fehlen die Hinweise zum Modifizieren von Völkern und Klassen, zu epischen Charakteren und zum Spielen monströser Charaktere.

 

Die Folgen sind wenig erbaulich: Dadurch, dass die Erläuterungen der Regeln auf das absolute Mindestmaß reduziert und Wiederholungen vermieden wurden, muss man sich teilweise über mehrere Verweise durch das halbe Buch hangeln, bis man alle Regeln zu einem bestimmten Aspekt beieinander hat. Teilweise fehlen diese Verweise auch. Bestes Beispiel hierfür: die Tiergestalt des Druiden. In der Beschreibung des Klassenmerkmals findet sich lediglich der Verweis auf die entsprechenden Zauber. Liest man die Zauberbeschreibungen, bleiben leider viele Fragen offen. Weder beim Druiden noch bei den Zaubern findet sich irgendein Hinweis darauf, dass man die grundlegenden Regeln für den Gestaltwandel in Kapitel 9 findet, bei den Erläuterungen zur Schule der Verwandlung. Manchmal sind die Ausführungen auch dermaßen knapp gehalten, dass sie zur Klärung des Sachverhalts nicht ausreichen. Wer dafür ein Beispiel braucht, kann ja mal versuchen, die Beschreibung des Schlaghagels des Mönchs mit der Spalte für den Schlaghagel-GAB in der Mönchs-Tabelle in Einklang zu bringen, oder mit eigenen Worten zu erklären, mit welchem SG sich jemand aus den Fesseln befreien kann, die ihm im Ringkampf angelegt wurden. Das sind natürlich Extrembeispiele, aber was all dies in Bezug auf Einsteigerfreundlichkeit bedeutet, dürfte wohl klar sein: Selbst Neulinge, die allein schon von den Ausmaßen dieses Buches nicht abgeschreckt werden, müssen sich durch ein knochentrockenes Regel-Monstrum der sperrigsten Sorte beißen. Dass man auf diese Art und Weise viele neue Spieler für das Pathfinder-System begeistern kann, wage ich mal zu bezweifeln. Dass man sie auch gleich noch dazu zwingt, ein halbes Spielleiter-Handbuch mitzukaufen, ist diesbezüglich sicher auch nicht gerade hilfreich - noch höher kann man die Hemmschwelle für Neueinsteiger eigentlich kaum anbringen.

 

Der eigentliche Sinn und Zweck des PRG war aber auch ein anderer als jener des SHB und SLH: Es sollte lediglich als regeltechnische Grundlage für die Adventure Paths und die anderen Abenteuer-Module dienen, die das eigentliche Zugpferd von Paizo darstellen. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum alles, was im SLH irgendwie mit dem Erstellen eigener Abenteuer oder Kampagnenwelten zu tun hat, nicht ins PRG übernommen wurde: Die Leute sollen schließlich die Adventure Paths abonnieren, wo all dies schon drinsteht, und die sind und waren schon immer eher für fortgeschrittene Spieler ausgelegt, die mit diesen Regeln klarkommen und keine Anfängertipps mehr brauchen. Dumm nur, dass die Situation im deutschsprachigen Raum eine andere ist als in den USA. Hierzulande wird ein komplettes Rollenspielsystem gebraucht, das für alle Zielgruppen gleichermaßen geeignet ist, und nicht nur von der Verwendung von Kaufabenteuern ausgeht. Denn zumindest derzeit traut sich Ulisses noch nicht an eine Übersetzung der Adventure Paths heran, sondern hofft darauf, dass sich das Grundregelwerk auch ohne sie verkauft. Eine Rechnung, die vermutlich aufgehen wird, weil die deutschsprachigen Spieler schlicht und ergreifend keine andere Wahl haben. Für Umsteiger, welche die Lücken mit ihren Erfahrungen aus dem 3.5e-System füllen können, ist das alles sicherlich nicht so tragisch, aber auch sie laufen Gefahr, in eine regeltechnische Falle zu tappen, wenn sich herausstellt, dass sich die entsprechende Regel geändert hat. Alles in allem also eine recht unbefriedigende Situation. Man kann nur hoffen, dass Ulisses bald mit Produkten nachziehen wird, die sich auch an Anfänger richten.

 

Übersetzung und Lektorat

Als bekannt wurde, dass die Übersetzung des Pathfinder Rollenspiels nicht von professionellen und/oder qualifizierten Übersetzern vorgenommen werden sollte, sondern von einer Schar zwar ambitionierter, aber unerfahrener Fans, von denen sich ja auch ein Großteil hier im DnD-Gate tummelt, war ich einigermaßen entsetzt. Nach wie vor halte ich diese Vorgehensweise für mehr als nur fragwürdig: Im Grunde nutzt der Verlag hier die Motivation der Fans aus, die bereit sind, auch für eine geringere Bezahlung die Arbeit zu machen, die vorher von teuren Fachkräften erledigt wurde, und nimmt dabei billigend in Kauf, dass die Qualität darunter leiden könnte. Auslöffeln darf diese Suppe dann wieder einmal der Kunde. Sollte dieses Beispiel Schule machen, kann man den deutschsprachigen Rollenspielmarkt auch gleich komplett wieder in Privathände geben. Ich jedenfalls bin grundsätzlich nicht dazu bereit, den Verwaltungsapparat irgendeiner Kapitalgesellschaft mitzufinanzieren, wenn ich dafür nur Übersetzungen in Fan-Qualität bekomme, die zum gleichen Preis angeboten werden wie früher die professionellen Übersetzungen (und im Falle des PRG ist es tatsächlich der gleiche Preis, denn man bekommt ja nur ein halbes SLH). So etwas kaufe ich dann doch lieber direkt bei den Fans und weiß dann, dass das Geld bei demjenigen landet, der es auch verdient hat.

 

Beim PRG kommen außerdem zwei weitere Dinge erschwerend hinzu: Der Veröffentlichungstermin lag nur 1 Monat nach dem amerikanischen Original, was für (A)D&D-Verhältnisse geradezu rekordverdächtig schnell ist. Des Weiteren ist die Entscheidung, anstatt der Beta- gleich die finale Version des Systems zu veröffentlichen, offensichtlich erst sehr spät gefallen (zumindest wurde sie erst sehr spät kommuniziert). Man kann also davon ausgehen, dass die gesamte Übersetzungs- und Lektoratsarbeit unter einem enormen Zeitdruck stattgefunden hat. Dass sich das auf die Qualität nur negativ auswirken kann, dürfte klar sein.

 

Das alles lässt für das PRG natürlich nichts Gutes erahnen. Angesichts dieser Umstände kann man sich eigentlich nur noch fragen, wie katastrophal das Ergebnis letztendlich geworden ist. Die Antwort darauf lautet: Wie zu erwarten, auch wenn sich meine schlimmsten Befürchtungen zum Glück nicht erfüllt haben. Was jetzt allerdings nicht heißen soll, dass das Ergebnis akzeptabel wäre. Ganz im Gegenteil: Schon beim bloßen Durchblättern fallen dem Leser peinliche Layout-Fehler ins Auge wie Überschriften im Fließtext-Format oder eine falsche Nummerierung und eine nicht übersetzte Kapitelbezeichnung im Seitenkopf jeweils eines Kapitels. Weitere grobe Schnitzer sind das Fehlen der Tabelle für die bevorzugten Geländearten des Waldläufers und die Sache mit den Fertigkeitspunkten, die ich ja bereits bei Kapitel 4 erläutert habe. Und dabei handelt es sich natürlich nur um die Spitze des Eisbergs: Schon beim reinen Durchlesen bin ich auf zahlreiche kleinere Fehler gestoßen, die sich zwar alle dank der Vergleichsmöglichkeit mit den online verfügbaren "Pathfinder Reference Documents" schnell aufklären ließen, die jedoch von einem äußerst mangelhaften Lektorat zeugen. Und dabei habe ich noch nicht einmal besonders auf Fehler geachtet, sondern bin nur jenen Dingen nachgegangen, die mir merkwürdig erschienen sind - wie viel ich dabei übersehen habe, will ich gar nicht wissen.

 

Nun ist natürlich klar, dass man bei einem Werk dieser Größenordnung keine vollständige Fehlerlosigkeit erwarten kann. Auch Amigo und Feder & Schwert haben sich in der Vergangenheit schon so einige Schnitzer geleistet. Nichtsdestotrotz liegt die Fehlerquote beim PRG in einem Bereich, der für ein Buch dieser Preisklasse nicht mehr zumutbar ist. Das Mindeste, was der Verlag hier als Wiedergutmachung tun könnte, wäre eine ausführliche Errata-Liste zu drucken, die man kostenlos an die Händler verteilt, so dass diese in die Lage versetzt würden, sie gleich mit jedem verkauften PRG mitgeben bzw. mitschicken zu können. Aber vermutlich ist das mal wieder nur ein spinnerter Wunschtraum von mir und es wird wie üblich auf die Kunden abgewälzt, die sich diese Liste dann bestenfalls irgendwo im Internet downloaden können und selber ausdrucken dürfen.

 

Nach all dieser Kritik bezüglich des Lektorats muss man aber auch fairerweise zugestehen, dass die Übersetzung an sich nicht allzu sehr unter dem Termindruck gelitten zu haben scheint - natürlich gibt es auch hier einige holprige Sätze, umständliche oder nicht ganz eindeutige Formulierungen. Auch einige schwer verklausulierte Absätze sind dabei, aber auch dies kreide ich mehr dem Lektorat an als der Übersetzungsleistung an sich. Denn im Großen und Ganzen liest sich das PRG durchaus flüssig, verständlich und lässt nur selten offen erkennen, dass es sich um eine Übersetzung handelt. Da habe ich schon weitaus Schlimmeres gelesen und dies lässt zumindest erkennen, dass es nicht am Können der Übersetzer gemangelt hat, sondern an der erforderlichen Sorgfalt bzw. der dafür notwendigen Zeit. Für zukünftige Pathfinder-Produkte aus dem Hause Ulisses besteht also in dieser Hinsicht durchaus noch Hoffnung - vorausgesetzt, man hat aus diesem Fehler gelernt.

 

Fazit

Ist das Pathfinder-System nun ein besseres D&D? Hier kann man nur antworten: Das kommt drauf an. Auf jeden Fall bietet Pathfinder seinen Spielern eine ganze Menge frischer Ideen und interessanter Optionen, die sich unmittelbar auf den Spaß am eigenen Charakter positiv auswirken. Wem das bereits reicht, der kann jetzt bestellen gehen. Andererseits macht Pathfinder aber auch nicht alles besser: Viele der Änderungen, die insbesondere zum Ausgleich bestehender Schwächen vorgenommen wurden, hinterlassen einen eher zwiespältigen Eindruck und wirken in ihrer Gesamtheit mehr wie ein Satz umfangreicher Hausregeln, denn wie ein durchdachtes Gesamtkonzept. Das muss natürlich nicht unbedingt schlecht sein: im Hinblick auf die Kompatibilität zu 3.5e-Material ist das sogar ein Vorteil, aber ob das ausreicht, um einen Umstieg in Erwägung zu ziehen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Mit Hilfe dieser Rezension ist das hoffentlich möglich. Wer sich von den hier aufgeführten Änderungen und Neuerungen angesprochen fühlt, kann bedenkenlos wechseln. Einen wirklich zwingenden Grund, von der 3.5e auf Pathfinder umzusteigen, gibt es jedoch nicht. Wer also mit der 3.5e zufrieden ist, der kann den Pathfinder-Hype auch getrost aussitzen und wird dabei zufrieden bleiben.

 

Man muss allerdings unterscheiden zwischen dem System an sich und dem Buch, in dem es drinsteht. Das "Pathfinder Rollenspiel Grundregelwerk" hat einige gravierende Schwächen, insbesondere was den Spielleiter-Teil betrifft: im Grunde wird jeder SL, der etwas anderes spielen will als Kaufabenteuer, weitgehend im Regen stehengelassen. Der eigentliche Sinn und Zweck dieses Buchs, nämlich die regeltechnische Grundlage für kommende Generationen von Adventure Paths zu bilden, und mehr nicht, ist also unverkennbar. Für den deutschsprachigen Markt wäre die klassische Aufteilung in ein Spieler- und ein Spielleiter-Handbuch mit allen Informationen und vor allen Dingen einer wesentlich besseren Einsteigerfreundlichkeit sicher sinnvoller gewesen. Die vielen Fehler tun da ihr Übriges. Ulisses hat Glück, dass die hiesige Situation Neueinsteigern derzeit kaum eine andere Wahl lässt, als sich das PRG zuzulegen, wenn sie auch in Zukunft noch D&D spielen wollen. Dass sie dieses Glück gerade beim wichtigsten Buch des Systems derartig strapaziert haben, um es möglichst schnell auf den Markt zu bringen, kann man nicht gerade als Beleg für Kundenfreundlichkeit werten. Ich hoffe, man wird sich dahingehend noch eines Besseren besinnen.

 

Wie bei Grundregelwerken üblich verzichten wir beim PRG auf eine Benotung.