Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Das mechanische Herz
Bewertung:
(3.5)
Von: Daniela Wiedmer
Alias: Robbe
Am: 05.06.2010
Autor:Dru Pagliassotti
Übersetzer:Dorothee Danzmann
Typ:Roman
VerlagFeder und Schwert
ISBN/ASIN:978-3-86762-067-3
Inhalt:510 Seiten
Preis:14,90 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

Gerade als Taya sich von ihrem letzten Botenflug des Tages erholen will, passiert das Unfassbare: Die Seile einer Drahtfähre reißen plötzlich, eine Kabine droht abzustürzen. In dieser Kabine befinden sich Viera Octavus, eine Erhabene, und ihr Sohn Ariq. In letzter Sekunde kann Taya mithilfe ihres Freundes Pyke die beiden Erhabenen retten. Alsbald stellt sich heraus, dass es sich bei dem vermeintlichen Unfall um einen Terroranschlag handelt, ausgeübt vermutlich von den Zerrissenen Karten, einer aggressiven Gruppierung, die sich gegen die Maschinen und Programme wendet, die Ondinium zu einem Großteil organisieren. So beginnt die Geschichte rasant und turbulent. In den Vordergrund wird die Ikarierin Taya gestellt, die dank ihrer Flügel aus Metall hoch über den drei Sektoren – Primus, Sekundus und Tertius – schwebt. Ondinium ist eine von Maschinen angetriebene Stadt mitten in einer Bergkette. Ihre Bewohner sind in verschiedene Kasten aufgeteilt. Die Erhabenen stellen – wie der Name bereits suggeriert – die oberste Kaste dar. Ihre Seelen wurden durch zahlreiche Wiedergeburten so gereinigt, dass sie in den Augen vieler Ondinianer beinahe übermenschlich erscheinen. Da sie (beinahe) fernab jeden Fehlers sind, herrschen sie auch als Ratsmitglieder, Dekaturen, über Ondinium. Die unterste Kaste stellen die Famulaten dar, meist Handwerker oder Bedienstete, aus deren Kreisen eigentlich auch Taya stammt. Sie jedoch ist schon früh zu einer anderen Kaste gekommen, den Ikariern. Die Ikarier sind die geflügelten Boten Ondiniums, die mit allen Kasten verkehren. Es zeigt sich aber bald, dass sie keineswegs über dem strengen Kastensystem stehen. Am Anfang stellen sich beim Leser zahlreiche Fragen ein, denn er wird zunächst mit vielen Begriffen konfrontiert, die ihm nicht allzu viel sagen. Das legt sich jedoch recht bald, je mehr der Leser in diese ihm unbekannte Welt eintaucht, die sich zwischen Fantasy und Realität bewegt. Letzteres bemerkt man vor allem an einer entsprechenden Wortwahl. Das Buch ist dem Genre des Steampunk zugehörig, das am Ende kurz charakterisiert wird, und es ist ein würdiger Vertreter. Die Geschichte dreht sich jedoch zunächst um den Anschlag. Taya begegnet in dessen Folge Alister und Cristof Forlore, den Cousins der Erhabenen Octavus. Während Cristof sich gegenüber der Ikara schroff und ablehnend verhält, findet Alister sie mehr als interessant. Taya erliegt dem Charme des jungen Erhabenen und doch scheint sie auch etwas mit Cristof zu verbinden, der zu ihrer Überraschung in Tertius lebt und dort dem Beruf des Uhrmachers nachgeht. Zudem scheint er sich von den Erhabenen bestmöglich zu distanzieren. So trägt er beispielsweise keine Maske und nicht die standesgemäße Robe, selbst seine Haare trägt er kurz und eher ungepflegt. Er erweckt alsbald Tayas Misstrauen, weil er mit zwielichtigen Personen verkehrt, in der Nähe neuer Anschlagsziele auftaucht und einen Plan der Drahtfähren besitzt, den er geradezu penibel beschriftet hat. Kurz nach ihrer Rettungsaktion wird sie von der Erhabenen Octavus auf einen Ball der obersten Kaste eingeladen, auf dem sie auch Carter, Vieras Ehemann, kennen lernt, dem der erste Anschlag vermutlich gegolten hat, auch wenn nicht klar ist, wieso die Zerrissenen Karten ein Interesse daran haben sollten, ihn zu töten, da der Erhabene selbst sehr konservativ und zu einem Gutteil gegen einen übermäßigen Gebrauch von Maschinen ist. Auf dem Ball kommen sich Taya und Alister schließlich näher und die Ikara beobachtet Cristof bei einem eigenartigen Gespräch, das sie wohl besser nicht gehört hätte. Dieser etwa hundertfünfzig Seiten Abschnitt zieht sich ein wenig. Für meinen Geschmack wird die Beziehung zwischen Alister und Taya überstrapaziert, so dass der eigentliche Plot ziemlich abgedrängt wird und nur noch als Hintergrund fungiert. Dagegen werden jedoch einige Diskussionen über die Kasten und ihre Beschränkungen geführt, die schon wesentlich interessanter sind und der Welt noch ein wenig mehr Tiefgang verpassen. Ein paar mehr für die Handlung wichtige Aktionen wären aber wünschenswert gewesen. Allerdings beurteilt das jeder vermutlich anders, je nachdem ob er ausladende Liebesgeschichten mag oder nicht. Als schließlich erneut ein Anschlag auf die Drahtfähre zum Oporphyrturm ausgeübt wird, bei dem Alister und Carter Octavus ums Leben kommen, verliert Taya völlig die Fassung und beschuldigt Cristof offen des Mordes an seinem Bruder, woraufhin sie festgenommen wird. Aber was hat der ausgestoßene Erhabene wirklich zu verbergen und warum mussten Alister und Carter sterben? Endlich erfährt man als Leser mehr über die Programme und Maschinen, die das Leben in Ondinium bestimmen. So hat Alister an einem mechanischen Herz gearbeitet, einer Maschine, die erfolgreiche Ehen vorhersagen sollte, doch auch an der Großen Maschine, die die einzelnen Berufungen der Einwohner Ondiniums festlegt. Allerdings wird es für den Leser alsbald recht schwierig, den Diskussionen der Programmierer zu folgen. Da ist es wohltuend, dass es Taya nicht anders ergeht und man das Ganze noch einmal in verständlicher und anschaulicher Weise erklärt bekommt. Ab der Hälfte der Geschichte wird es so wieder wesentlich spannender, zumal die Geschehnisse an Fahrt gewinnen. Schön ist auch, dass der Stil, der – ob durch die Autorin, Übersetzerin oder den Lektor – am Anfang ein wenig holprig war, wesentlich besser wird, ebenso wie das Korrektorat. Das Ende wartet mit einigen Wendungen auf, die man in Ansätzen zumindest erahnen kann, die darum aber nicht weniger spannend sind. Trotzdem gibt es auch im letzten Teil immer wieder sehr langsame Stellen, die es einem schwerer machen, bis zum Ende durchzuhalten. Allerdings lohnt sich die Geduld des Lesers.

Fazit:

Das mechanische Herz ist ein gelungener Steampunk-Roman, dem es das eine oder andere Mal an Schnelligkeit fehlt. Obwohl Intrigen, Anschläge und die Beschreibung einer etwas anderen Realität im Vordergrund stehen sollten, gerät vor allem die Liebesgeschichte in den Fokus. Ein Manko mag das nicht in aller Augen sein, aber ich empfand es schon manchmal als störend, weil man in der Handlung zum Teil einfach nicht weiterkam. Beweist der Leser an einigen Stellen jedoch Geduld, erwartet ihn durchaus eine spannende Geschichte mit nicht unbedingt erahnbaren Wendungen und einer guten Portion Humor. Auch die Beschreibung dieser von Mechanik angetriebenen Welt ist gut gelungen, auch wenn mehr Details schöner gewesen wären, was sich sicherlich in einem zweiten Roman, der in Ondinium spielt, bewerkstelligen ließe. Ich würde zumindest einen Blick riskieren, sollte es je eine Fortsetzung geben.

Wer auf nicht ganz so düsteren Steampunk in Verbindung mit einer Liebesgeschichte steht, der darf getrost zugreifen. Der Rest darf gerne mal reinschnuppern.