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James Bond 1 - Casino Royale
Bewertung:
(3.2)
Von: Moritz Mehlem
Alias: Glgnfz
Am: 20.10.2012
Autor:Ian Fleming
Übersetzer:Stephanie Pannen, Anika Klüver
Typ:Roman
VerlagCross Cult
ISBN/ASIN:978-3-86425-070-5
Inhalt:240 Seiten, Taschenbuch
Preis:€ 11,80
Sprache:Deutsch

Inhalt (Vorsicht Spoiler!!!)

Ich habe in den 80ern mal in einer Umzugskiste die englischen Originalausgaben aus dem Besitz meines Vaters gefunden und erinnere mich nur dunkel daran, dass Casino Royale ein eher „übersichtliches“ Heftchen war – daher bin ich etwas verwundert, hier auf ein Taschenbuch von immerhin 240 Seiten zu treffen. Also frischauf ans Werk!

Es ist ja immer undankbar ein übersetztes Produkt zu betrachten – man weiß nie, ob man die ursprüngliche Leistung, die Übersetzung oder eine Mischung aus beidem bewerten soll. Hier ist es recht einfach, denn die Übersetzung liest sich mit kleinen Hakern wirklich gut und richtige „Fehler“ kann man auch an den Fingern einer Hand abzählen – ich meine bewusst wahrgenommen hätte ich lediglich derer zwei. Sprich: Ich kann mich voll auf den Inhalt konzentrieren, denn auch das Layout (Schriftgröße, Abstand zum Rand + Papierdicke) gehen problemlos durch meinen Check.

 

Was soll ich sagen: Insgesamt ist der Roman eine aufgeblasene Novelle, deren Inhalt man ohne klein schreiben zu müssen auf eine Seite eines handelsüblichen Bierdeckels bekäme.

 

ACHTUNG! SPOILERALARM in der folgenden Zeile:

James soll gegen Le Chiffre am Baccara-Tisch antreten, um diesen in den Ruin zu treiben, damit die Organisation SMERSCH den Kerl umlegt. Fertig. Hat doch gar nicht weh getan.

 

Dass diese Mickerhandlung so viel Raum einnimmt, bedeutet positiv betrachtet, dass wir es mit einer äußerst detailreichen Erzählung zu tun haben müssen – und hier haben wir schon im ersten Roman der Reihe die große Stärke und einen der Gründe, warum James gerade bei den Herren der Schöpfung so beliebt ist. Alles, was den Mann von Welt interessiert, wird mit einer großen Liebe zum Detail lang und breit beschrieben – sei es ein Getränk, eine Speise, eine Waffe, ein Auto, das Casino, die Baccara-Partien, James’ Partnerin…

Wer auf diese männlichen Klassiker steht, wird in James Bond-Romanen immer bestens bedient. Da gibt es kein Vertun.

 

Wo viel Licht ist, ist aber auch viel Schatten und als Roman taugt dieses Buch nur bedingt. Alles strebt auf einen großen Höhepunkt (das Baccara-Duell) zu, der dann viel zu schnell vorbei ist und nur durch einen „deus ex machina“ (Felix Leiters US-Dollar) erfolgreich enden kann. Nun folgen eine kurze wirre Szene und ein zweiter eher unerwarteter Höhepunkt, in dem James von Le Chiffre gefoltert wird – auch hier wieder eine Errettung durch einen „deus ex machina“. Nicht sehr elegant, Ian, ich werde meinen Vodka Martini eben zur Seite stellen und beim Butler eine Tasse Darjeeling first flush mit einem Wölkchen Milch bestellen.

Mittlerweile sind wir auf Seite 166 und eigentlich könnte der Roman nach der Errettung zu Ende sein – um Himmels Willen – was soll denn jetzt noch auf 70 Seiten kommen. Na herrlich, die Liebesgeschichte zwischen James und seiner Vesper geht los/weiter und man kann von der ersten Seite an absehen, dass es kein gutes Ende nehmen wird – laaaaangweilig.

 

Hört sich fies an und ist es wohl auch, aber neben den präzisen Beschreibungen gibt es noch drei große Pluspunkte, die mich dazu bringen werden mir auch die nächsten JB-Romane vorzunehmen:

- Betrachte ich den Roman als ein Produkt seiner Zeit, dann muss ich ihm doch zusätzlichen Respekt zollen. Die Prügelszenen, Explosionen und ganz besonders die Folterszene sind doch ziemlich heftig. Das war für Unterhaltungsromane des Jahres 1953 ganz sicher nicht üblich.

- Fleming kann toll Personen beschreiben, einführen und mit ihnen spielen. Mathis, Felix Leiter, (Vesper), das sind alles Figuren, die ich gerne in weiteren Romanen wiedertreffen werde.

- Die Figur James Bond ist nicht so eindimensional wie man sie sich immer vorstellt. Der Kerl zweifelt an der Welt, an sich, an seinem Job, an seiner Männlichkeit… Zwar teilweise etwas bemüht, aber man erkennt doch, dass man es nicht mit einem strahlenden Supermann zu tun hat, sondern mit einem zerrissenen Charakter, der ziemlich frisch in einem Beruf ist, wo er nicht mehr sicher ist, „gut“ und „böse“ auseinander halten zu können.

Fazit:

Ich mache es kurz und schmerzlos – Ian Fleming hat sich im Laufe seiner Autorenkarriere gesteigert und wir haben es hier mit Band 1 zu tun. Sprich: Es ist noch ordentlich Luft nach oben. Sowohl was die Sprache angeht, als auch was die Komposition des Romans und den Spannungsbogen angeht.

Die Übersetzung holpert nur ganz selten, ansonsten kann man den Roman wirklich gut lesen, ohne zu denken: „Herrje! Wie mag dieser Satz wohl im Original gelautet haben?“

Das dezente 60er Jahre-Layout finde ich super und freue mich schon, die Serie in meinem Regal sammeln zu können.