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Welt aus Blut und Eis 1 - Winterwende
Bewertung:
(3.6)
Von: Björn Arnold
Alias: Wormys_Queue
Am: 22.01.2008
Autor:Brian Ruckley
Übersetzer:Birgit Ress-Bohusch
Typ:Fantasy Roman
VerlagPiper Verlag
ISBN/ASIN:978-3-492-70143-3
Inhalt:592 Seiten + Anhang, Taschenbuch
Sprache:Deutsch

Winterwende

Eines vorweg: Der Autor dieser Rezension ist mit dem Werk George R: Martins weitestgehend unvertraut, insofern beruhen später folgende Aussagen zu Ähnlichkeiten zwischen den beiden Autoren vor allem auf Informationen aus zweiter Hand. Da der Piper-Verlag aber offenkundig selbst mit diesen Ähnlichkeiten zu wuchern hofft, kann man das Thema nicht ganz außen vor lassen, obwohl ich persönlich denke, dass man einen Autor aufgrund eigener Meriten beurteilen und sein Werk für sich sprechen lassen sollte.

 

Layout:

Das mir vorliegende Softcover macht dank des festen Kartoneinbandes einen sehr stabilen Eindruck auf mich. Das sehr realistisch gestaltete Titelbild zeigt einen Pass durch eine zerklüftete Gebirgslandschaft, durch den sich eine dünne Menschenkette hindurchbewegt. Dem Himmel über den Bergen wird viel Raum gelassen, so dass sich der Klappentext gut in das Bild integrieren lässt, ohne dabei die Szenerie zu zerstören. Ein insgesamt sehr schönes Cover mit nur einem, aber selbst für einen Laien wie mich auf der Stelle erkennbaren dicken Schönheitsfehler: Aus dem englischen Titel des Zyklus, „Godless World“, dessen erster Band uns hier vorliegt, wurde im Deutschen auf wundersame Weise der Titel „Die Welt aus Blut und Eis“. Liebe Verlagsleute, ich fürchte, dass ihr mit solchen Anbiederungen die angepeilte Kundschaft eher vergrault als anzieht und da ich nicht glaube, dass Brian Ruckley diese Querverbindungen nötig hat, hättet ihr euch diese „Übersetzung“ wirklich schenken können. Ich verstehe ja den dahinterstehenden Marketinggedanken, aber das kann man doch sicherlich auch eine Spur subtiler gestalten.

 

Und um es gleich vom Tisch zu haben:

 

Ein neuer George R. Martin?

Wie oben angedeutet ist mein Wissen über Martins „Lied aus Feuer und Eis“ mehr als rudimentär und insbesondere über stilistische Ähnlichkeiten zwischen beiden Autoren kann ich kein fundiertes Urteil abgeben; dennoch scheinen mir die vielen Quellen, in denen dieser Vergleich gezogen wird, etwas zu übertreiben. Ja, auch Ruckleys Fantasy ist wesentlich düsterer als die Fantasy Tolkiens und seiner Epigonen. Auch bei ihm gibt es Adelshäuser, die um Macht und Einfluss konkurrieren und entsprechende Intrigen spinnen. Und sogar die „Mauer“ lässt sich mit dem Than Dirin-Gebirge in „Winterwende“ wiederfinden. Aber das war es auch schon. Ruckleys Welt erscheint mir als viel archaischer als die Welt Martins, die z.B von Christel Scheja eher dem europäischen Spätmittelalter zugeordnet wird. Die von „Thanen“ geführten Häuser in Ruckleys Welt erinnern vielmehr an schottische und irische Clans als an die Adelsfamilien des englischen Rosenkriegs. Und auch wenn es in „Winterwende“ tatsächlich ein „Game of Thrones“ gibt, so bildet dieses doch nur den Hintergrund, der die eigentlich im Fokus stehenden Ereignisse ermöglicht. Wer also in Brian Ruckley einen bloßen Epigonen George R.R. Martins vermutet, wird wahrscheinlich mit falschen Erwartungen an den Roman herangehen.

 

Inhalt:

Orisian, der junge Erbfolger des Hauses Lannis-Haig, freut sich auf das bevorstehende Fest der Winterwende, als plötzlich um ihn herum die Welt zusammenbricht. Einem Stoßtrupp des Schwarzen Pfades, Anhängern des Glaubens, die Götter wieder in die Welt zurückbringen können, wenn sie nur erst die ganze Welt mit dem Schwert zu ihrer Religion konvertiert haben, dringen in Burg Kolglas ein und töten in einem brutalen Gemetzel alle Anwesenden. Nur Orisian überlebt schwer verletzt dank seines Leibwächters Rothe, wie auch, was er zunächst nicht weiß, seine Schwester Anyara und sein Freund und Mentor, der Na'Kyrim Inurian, die aber in die Gefangenschaft des Pfades geraten.

Während die Kyrinin vom Stamm der Schleiereulen Osirian gesund pflegen, setzt der Pfad, unterstützt von den Füchsen, einem weiteren Stamm der Kyrinin, die sich dank der Hilfe des Halbbluts Aeglyss auf die Seite des Schwarzen Pfades geschlagen haben, ihren Eroberungsfeldzug ungebremst fort. Und während der Hochthan, der insgeheim die Königswürde anstrebt, die Entsendung von Hilfstruppen verzögert, da ihm die Gelegenheit, unliebsame Häuser loszuwerden, wie gerufen kommt, kämpfen Orisian und Anyara verzweifelt um ihr Überleben. Gemeinsam mit den Kyrinin Ess'yr und Varryn, der Na'kyrim Yvane und Rothe fliehen sie, die Zerstörung direkt auf dem Fuß, vor den Inkallim des Pfades Richtung Koldihrve, in der Hoffnung auf ein Schiff, dass sie in sichere Gebiete bringt, von denen aus sie die Wiedereroberung ihrer Heimat in Angriff nehmen können.

 

Bewertung:

„Winterwende“ startet sehr schwerfällig. Das liegt zum einen daran, dass sich der Autor sehr viel Zeit für die Beschreibung der Situation und ihrer Vorgeschichte und der Einführung seiner Charaktere nimmt, vor allem aber auch daran, dass es ziemlich lange dauert, bis sich der Leser mit der Nomenklatur der in dem Roman beschriebenen Welt zurechtfindet. Es ist schön zu sehen, dass der Autor verschiedene Rassen in seine Welt einbettet, ohne diese gleich mit den archetypischen Fantasynamen (Elf, Zwerg, Ork) zu belegen. Auf der anderen Seite sind seine Namen nicht griffig genug, um immer klar voneinander unterschieden zu werden, was beim Rezensenten des Öfteren zu einer gewissen Begriffsverwirrung führte. Man muss sich an diesen Stil erst gewöhnen und sollte sich gerade am Anfang lieber etwas mehr Zeit für den Roman nehmen.

Sobald aber die eigentliche Handlung startet, nimmt der Roman an Fahrt auf. Die Kämpfe sind durchaus realistisch und ohne das Ergebnis zu beschönigen beschrieben, zartbesaitete Gemüter wird es an manchen Stellen sicher schaudern. Die Verfolgung der Protagonisten durch ein menschenfeindliches (beim Autoren heißen die Menschen Huanin) Land ist ein gut getimtes Auf und Ab von eher ruhigeren Momenten mit hochdramatischen Auftritten der Feinde und auch die Spannungen innerhalb der sehr zusammengewürfelten Gruppe tragen sehr positiv zur Dramatik des Romanes bei.

Auch sind die Charaktere recht gut ausgestaltet, wenn man sich auch bei dem einen (Rothe) oder anderen (Varryn) etwas mehr Tiefe gewünscht hätte. Immerhin aber verzichtet der Autor auf voreilige Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Niemand ist einfach nur gut oder böse. Zwar hat man teilweise den dringenden Verdacht, dass Osirian irgendwann als guter König Aragorn enden könnte und insgesamt hat ausgerechnet der junge Hauptcharakter eine nur sehr vage Charakterzeichnung erhalten. Allerdings halte ich das für Absicht, denn in dieser Hinsicht ähnelt er tatsächlich dem jungen Rand al Thor aus Robert Jordans „Rad der Zeit“-Zyklus, der am Anfang auch noch ein unbeschriebenes Blatt war und im Laufe der ersten Romane immer mehr an Profil gewann.

Das Schicksal Osirians teilt übrigens Aeglyss, der Na'kyrim, der mit seiner Vermittlung zwischen Füchsen und Pfad die Geschehnisse des Romanes ins Rollen bringt. Zwar wird ihm schon im Vorwort eine Zukunft als Unruhestifter prophezeit, dennoch spielt das Halbblut eine merkwürdig unbestimmte Rolle und erst ganz am Schluss, wenn man eigentlich den Roman schon für beendet hält, kommt sein „großer Auftritt“, der erahnen lässt, dass die gut 600 Romanseiten tatsächlich nur ein Vorwort für noch größere, welterschütternde Ereignisse waren.

Mein heimlicher Held hingegen ist Taim Narran, ein Heerführer des Hauses Lannis-Haig, der auf Befehl des Hochthanes an einem Krieg weit von der Heimat entfernt beteiligt war und der mit der Haupthandlung des Romanes daher recht wenig zu tun hat und dessen Rückkehr mit den kümmerlichen Überresten seiner Armee zum Gewaltmarsch ausartet, als er die üblen Nachrichten aus der Heimat erfährt. In ihm verbildlicht Ruckley am glaubwürdigsten das persönliche Leid, das ein solcher Krieg dem Einzelnen zufügen kann, und dass er es dennoch schafft, seine Pflicht zu erfüllen, ohne zu wissen, ob es noch etwas zu retten gibt oder ob er nur in den sicheren Tod reitet, ist die eigentliche Heldentat des Romanes.

Noch ein Wort zur Mythologie: Das englische Original trägt den Titel „Godless World“ nicht ohne Grund. Tatsächlich sagt die Legende, dass die Götter, enttäuscht von der Grausamkeit ihrer Schöpfung, diese sich selbst überlassen hätten. Diese Legende ist deswegen so wichtig, weil sie das Setting der Romanwelt definiert. Die dort lebenden Völker wissen, dass die Götter sie verlassen haben und sie auf sich selbst zurückgeworfen sind und nur der Schwarze Pfad glaubt, dass man die Götter wieder zur Rückkehr bewegen könne. Religion spielt also gerade wegen ihrer Abwesenheit für die Völker dieser Welt eine integrale Rolle und wenn ich je einen Religionskrieg gesehen habe, der diesen Namen auch verdiente, dann ist es der Feldzug des Schwarzen Pfades gegen die zu bekehrenden Ungläubigen.

 

 

Fazit:

 

Eine archaische Welt mit schottisch-irischen(keltischen) Einflüssen, ein Religionskrieg, der auf Dauer die Welt zu erschüttern imstande sein mag; machthungrige Führer, die den Blick für die Realität und die unmittelbar drohende Gefahr verloren habe; eine Menge Konflikte zwischen Völkern, Stämmen und Personen, teilweise im Offenen ausgetragen, teilweise im Hintergrund geführt; diese Aufzählung lässt erahnen, dass Brian Ruckley sich mit seinem Romanzyklus Großes vorgenommen hat. Ob er sich damit übernommen hat, kann nur die Zukunft zeigen (der zweite Band ist für Mai 2008 angekündigt). Schriftstellerisch verfügt er jedenfalls über Potential, auch wenn es im vorliegenden Roman noch an der ein oder anderen Stelle holpert. Leser, die ihre Fantasy gerne ein wenig düsterer, realistischer und an der einen oder anderen Stelle etwas brutaler mögen, werden mit dem vorliegenden Roman jedenfalls gut bedient - und sollten spätestens mit dem Ende der „Winterwende“ neugierig auf den Nachfolger („The Bloodheir“) geworden sein.