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Die Vergessenen Welten 16 - Die Drachen der Blutsteinlande
Bewertung:
(3.6)
Von: A. Heppe u. M. Schmiedel
Alias: Alex Heppe u. Quel’Thalas
Am: 12.04.2008
Autor:R. A. Salvatore
Übersetzer:Regina Winter
Typ:Roman Fantasy
System:D&D 3.5 basierend
Setting:Vergessene Reiche / Forgotten Realms
VerlagBlanvalet / Randomhouse
ISBN/ASIN:978-3442244584
Inhalt:507 Seiten, Taschenbuch
Sprache:Deutsch

Die Drachen der Blutsteinlande

Da Alexander Heppe bereits die englische Originalausgabe rezensiert hat, werde ich seine Rezension übernehmen und nur um Teile zur deutschen Ausgabe ergänzen.

 

Ein paar Worte zu Beginn

Bei dem Roman handelt es sich um den dritten Teil der im Original betitelten Sellswords-Trilogie von R. A. Salvatore, in der er die Eskapaden und Abenteuer von Artemis Entreri, seines Zeichens calishitischer Assassine, und dem Drow Jarlaxle Baenre, einem Söldnerführer und galanten Schurken, schildert.

 

 

Goldmann/Blanvalet, verfrachtete in den 90er Jahren alle Romane um den Dunkelelfen Drizzt in einen Zyklus mit dem Namen „Die Vergessenen Welten“. Im Original ist dieser Roman Teil einer eigenständen Trilogie. Im Deutschen wurde dieser Roman jedoch ebenfalls in „Die Vergessenen Welten“ eingegliedert. Und das, obwohl der Verlag mittlerweile davon Abstand genommen hat, wie man an der letzten Drizzt-Serie, sowie der im Sommer neu erscheinenden Reihe erkennen kann, da diese separat veröffentlicht wird . Der Grund für das Zufügen des „Vergessenen Welten“ Zyklus ist der, dass Teil 1 dieser Trilogie im Englischen ursprünglich zu einer anderen Serie gehörte. Jahre später wurden jedoch zwei Folgebände geschrieben und daher wurden der erste und seine beiden weiteren Teile, wovon dieser hier der dritte ist , als eigenständige Reihe neu vermarktet. Da Blanvalet jedoch keine neue Serie auflegen wollte, wurden die Teile 2 und 3 den „Vergessenen Welten“ zugefügt.

 

 

Erster Eindruck und Aufmachung

Zur Aufmachung ist zu sagen, dass sich das Buch in gewohnt guter Blanvalet-Qualität darstellt. Es handelt sich bei der von mir rezensierten Version um eine Taschenbuchausgabe, die mit 507 Seiten zu Buche schlägt. Verwendet wurde vom Verlag das Originalcover von Todd Lockwood, welches Artemis und Jarlaxle auf ihren Nachtmahren mit flammenden Hufen über die Ebene von Vaasa galoppierend darstellt. Die in der Originalausgabe vorhandene Karte der von Halb-Orks bevölkerten Stadt Palishchuk, die für den Roman vollkommen nebensächlich ist, wurde der deutschen Ausgabe nicht beigefügt. Einzig zu bemängeln gibt es hier, dass Blanvalet nach wie vor das Logo der 2nd-Edition-Reiche verwendet. Das moderner aussehende Pendant der dritten Edition wird seit sieben Jahren ignoriert. Vielleicht findet sich jedoch in Zukunft das Logo der vierten Edition der „Vergessenen Reiche“ auf den Buchdeckeln der deutschen Ausgaben.

 

Zum Inhalt (Vorsicht Spoilergefahr)

Inhaltlich gegliedert in drei Teile schließt der Roman nahtlos an die Geschehnisse in Vergessene Welten 15 – der Hexenkönig an. In Teil 1 ist das Zhengyische Konstrukt besiegt, Jarlaxle in Besitz eines Kontrollgegenstands über einen schwarzen Drachenleichnam und er und Artemis sind die Helden des Tages. Dies führt sogar so weit, dass die beiden offiziell von König Gareth Drachenbann von Damara geehrt werden sollen, Artemis soll sogar zum Lehrling einer Ritterschaft geschlagen werden. Die Nebenfiguren aus dem Vorgängerteil werden auch im ersten Teil dieses Romans wieder eingebracht. So erfahren wir, dass sich Artemis entgegen seiner sonstigen professionellen Gefühlskälte plötzlich zu Caliyhe hingezogen fühlt, ja, sie vielleicht sogar liebt. Er ist sich im Klaren darüber, dass eine magische Flöte, die ihm Jarlaxle zugesteckt hat, diese Gefühle noch verstärkt, lässt es aber dennoch zu. Jarlaxle verhandelt fröhlich weiter mit den beiden Drachenschwestern Ilnezhara und Tazmikella, wobei er die Verhandlungen auch gerne ins Schlafgemach Ilnezharas verlagert. Auch Athrogate, der nervige, aber kampfstarke Zwerg, ist wieder mit von der Partie.

 

Der erste Teil des Buches ist im Wesentlichen von politischen Wirren geprägt oder besser ausgedrückt: Wie mache ich mir in kürzester Zeit möglichst viele Feinde. Als Machtgruppen hinter den handelnden Personen erleben wir die Agenten der „Zitadelle der Assassinen“, die versuchen, Artemis in ihre Dienste zu pressen, was dieser natürlich in einem geschickten Manöver zu verhindern weiß. Jarlaxle hingegen sucht nach Möglichkeiten, seine Drow-Söldnerkompanie und deren Interims-Anführer, den Psioniker Kimmuriel, als Machtgruppe in den Blutsteinlanden zu etablieren. König Gareth Drachenbann hingegen versucht, durch seine (sehr mächtigen) Freunde herauszufinden, was Artemis und Jarlaxle vorhaben. Insbesondere der Großmeister Mönch Kane und sein „Spysong“-Netzwerk machen nun auch Jagd auf die beiden. Am Ende des ersten Teils haben es Artemis und Entreri geschafft, nahezu alle Mächtigen der Blutsteinlande gegen sich aufzubringen und fliehen in den Norden nach Vaasa.

 

Teil zwei handelt dann davon, wie Jarlaxle das Zhengyische Konstrukt, eine alte Burg des bösen Hexenkönigs nördlich von Palishchuk, in Besitz nimmt und daraus Schloss D’Aerthe macht und Artemis zum ersten König von D’Aerthe ausruft. Dies ruft natürlich König Gareth und seine Freunde auf den Plan, die Armee wird zusammengetrommelt und gen Norden gezogen. Zwischenzeitlich hat Jarlaxle, der insgeheim auf eine friedliche Koexistenz hofft, durch Portale Bregan D’aerthe herbeigeordert und eine „Armee“ aus Kobold- und Goblinsklaven aufgestellt. Er merkt schnell, dass er gegen Gareth nicht ankommen wird, schickt die Sklaven voraus und nutzt die entstehende Verwirrung, um angetrieben von Artemis, dem das Spiel allmählich zu bunt wird, zu fliehen. Artemis hingegen resigniert und fühlt sich als Spielball Jarlaxles und möchte den Drow nur loswerden, auch wenn dies eventuell Gefangenschaft bedeutet. Gareths Freunde dringen in die Burg ein und ein Waldläufer, der Artemis (zu Unrecht) für den Tod seines Ziehsohns verantwortlich macht, verwickelt diesen in einen knappen Kampf auf Leben und Tod. Als Artemis diesen Kampf fast siegreich beendet hat, findet ihn Kane und schafft es durch einen besonderen Angriff, ihn kampfunfähig zu machen. In Gefangenschaft hält Artemis jedoch Gareth den sprichwörtlichen Spiegel vors Gesicht und Jarlaxle entpuppt sich als Retter in der Not, indem er Gareth ein Angebot macht, was dieser nicht ablehnen kann. Gareth verbannt Jarlaxle, Entreri und den ebenfalls durch den Drow befreiten Athrogate des Landes. Kurz vor dem Verlassen Damaras erfährt Artemis Entreri jedoch einen Verrat, der ihm das kalte Herz zerreißt und sein altes, zynisches Selbst wieder aufleben lässt.

 

An dieser Stelle hätte ein guter Roman enden müssen, leider hat Bob Salvatore in Teil 3 nichts Besseres zu tun, als Entreri, Jarlaxle und Athrogate nach Memnon zu schicken, wo Entreri auf den Spuren seiner Kindheit wandeln soll. Hier haben die verkommenen und korrupten Selúne-Priester das Sagen und Artemis stürzt sich in eine Reise in die eigene Vergangenheit, die ernsthafte Konsequenzen haben kann, und die drei seltsamen Gefährten befinden sich am Scheideweg.

 

Übersetzung

Die Übersetzung des Buches ist sehr gut gelungen. Auch wenn nicht alle Begrifflichkeiten eingedeutscht wurden (z.B. Spysong), macht das Buch einen sehr guten und soliden, einheitlichen Eindruck und lässt sich sehr flüssig lesen. Fehler des Lektorats sind mir keine aufgefallen. Eine gute Arbeit der Übersetzerin Regina Winter und des dahinterstehenden Teams.

 

Fazit

Dieses Buch lege ich etwas zwiegespalten zur Seite. Ich hatte wirklich viel Spaß in den ersten beiden Teilen des Romans, als Jarlaxle mit seinen Intrigen und wahnwitzigen Plänen die Blutsteinlande fast ins komplette Chaos stürzte. Der dritte Teil jedoch wirkt überhastet geschrieben und passt gar nicht so zum Rest des Romans, es sei denn, man wolle ihn als Selbstfindungsroman Artemis Entreris begreifen, aber dafür hätte er meines Erachtens zuviel Rahmenhandlung zu bieten. Dennoch machen die ersten beiden Teile, die mit 376 Seiten nahezu ¾ des Romans ausmachen, unglaublich Spaß.

 

Zugutehalten muss man Salvatore, dass er sich mit Kampfbeschreibungen (die eigentlich ja gerade zu seinen Stärken zählen) ziemlich zurücknimmt und die Charaktere in den Vordergrund treten lässt. Bis auf wenige Ausnahmen, die einfach nur nerven (Der permanent reimende, dauerbetrunkene und cerebral geforderte Zwerg Athrogate z. B.), sind nahezu alle Charaktere plastisch geschildert und machen teilweise auch eine gut nachvollziehbare und vielschichtige Entwicklung durch. Auch glaubhafte Charaktere böser Gesinnung als Protagonisten zu haben, ist eine willkommene Abwechslung, zumal Salvatore zu erklären versucht, warum jemand „böse“ wird und wie er sich weiterentwickeln kann.

 

Ebenfalls positiv ist es, mal auf Bob Salvatores Spieltisch schielen zu dürfen. Hat doch Bob Salvatore selbst den Regionenband zu den Blutsteinlanden geschrieben. Außerdem kann man die direkten Nachwirkungen der H-Serie an Modulen für AD&D (Bloodstone Quartet) spüren und erahnt daher, dass Gareth und Konsorten sich wohl im High-Level-Bereich befinden dürften.

 

Negativ fallen hingegen die einleitenden „Briefe“ von „Jedermanns Lieblings-Drow“ vor jedem der drei Teile des Romans auf. Diese moralisierenden Aufsätze nerven mich ungemein, aber offensichtlich lassen sich Bücher mit einem noch so kleinen Drizzt-Anteil eben besser vermarkten …

 

Weiterhin negativ empfinde ich auch Jarlaxles unerschöpflichen Vorrat an magischen gegenständen. Mit diesem Charakter hat R. A. Salvatore jederzeit eine Deus-ex-Machina-Lösung parat. Ich meine, die magische Augenklappe, der Hut und die Stiefel sind ja noch irgendwie stilvoll und unterstützen Jarlaxles „Mantel und Degen“-Attitüde. Dass er jetzt aber immer den passenden Zauberstab, entsprechende Tränke und einen unendlichen Geldvorrat hat, finde ich etwas übertrieben, zumal er mit einem Gegenstand (ein tragbares Loch) am Ende des ersten Teils einen echten „Cartoon-Moment“ hat, der eher zu Tom und Jerry oder auch Roadrunner und Coyote Carl gepasst hätte als in die Realms …

 

Dennoch ist das Buch trotz der deutlichen Abstriche wegen Teil 3 und den weiteren o. g. Kritikpunkten ein vergnüglicher Zeitvertreib mit interessanten Charakteren und einer Prise Tricks und Intrige. Ohne Teil 3 des Romans wäre die Wertung sicherlich nahe an der 4.0 gewesen, so sehe ich mich aber gezwungen, gute 3.6 Punkte zu geben!