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Die Frauen von Nell Gwynne‘s
Bewertung:
(3.6)
Von: Daniela Wiedmer
Alias: Robbe
Am: 11.07.2010
Autor:Kage Baker
Übersetzer:Astrid Mosler
Typ:Roman (Steampunk)
VerlagFeder und Schwert
ISBN/ASIN:978-3-86762-074-1
Inhalt:ca. 160 Seiten, Taschenbuch
Preis:9,95 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt

(evtl. Vorsicht Spoiler!!!)

Lady Beatrice ist die Tochter eines britischen Soldaten, der mit seiner Familie in Indien lebt. Als er schließlich nach Kabul beordert wird, folgt Lady Beatrice ihm zu seinem Entsetzen, denn dort toben der Krieg und der Tod. Als ihr Vater schließlich ein Opfer von beidem wird, ist Lady Beatrice ganz auf sich gestellt. Sie wird verschleppt und vergewaltigt, rächt sich jedoch bitter an ihren Peinigern und macht sich allein auf den Weg zurück nach Indien, bevor sie schließlich in ihre Heimat England zurück kehrt, wo ihre Mutter lebt. Diese hält nicht viel von ihrer allzu burschikosen Tochter, zumal diese durch die Vergewaltigung wohl kaum mehr gesellschaftsfähig ist. So beschließt die mittlerweile abgehärtete Lady Beatrice ihr Leben allein zu finanzieren: Sie geht fortan anschaffen. Eines Tages jedoch trifft sie auf einen alten Freund ihres Vaters, der sie Mrs. Corvey empfiehlt. Die alte, blinde Dame leitet ein äußerst edles Etablissement in Whitehall, hinter dem sich jedoch mehr verbirgt als nur ein herkömmliches Bordell. Mrs. Corvey und ihre Mädchen arbeiten als Schwesternorganisation für die Spekulative Gesellschaft der Gentlemen, die nicht nur allerlei Erfindungen ihr Eigen nennt, sondern auch für die tadellose Gesundheit der Mädchen von Mrs. Corvey sorgt, wie auch für die alte Dame selbst, die nämlich keineswegs so blind ist, wie es den Anschein hat. Dafür entlocken die Mädchen ihren hochgestellten Freiern das eine oder andere Geheimnis und erfüllen verschiedene Aufträge, wie Lady Beatrice bald nach ihrer Ankunft selbst erleben darf.

 

 

Fazit:

Die Frauen von Nell Gwynne‘s ist ein weiterer Steampunk-Roman, der dieses Mal im London des neunzehnten Jahrhunderts spielt. Schon die Aufmachung lässt die Vermischung von Realität und Science Fiction bzw. Fantasy, die typisch für das Genre ist, deutlich werden. Nebst einer Fotographie einer leichter bekleideten Dame findet sich auf dem Cover ein Schattenbild von - so lässt sich vermuten - Mrs. Corvey mit ihren Augenobjektiven. Die Rückseite des Buches ist mit eben jenem Bild vor einer historischen Fotographie von Londons Straßen geziert. Alles in allem macht die Gestaltung auf jeden Fall Lust auf mehr, aber eines fällt auf. Das Büchlein ist schon reichlich dünn für den gängigen Taschenbuchpreis. Blättert man dann auch noch durch, so sieht man recht große Schrift und einige weiße Seiten bei den Kapitelübergängen - zuletzt habe ich das bei Martin Walsers neuer Novelle gesehen, die in etwa ebenso dünn war. Es ist schon fraglich, ob die Mindestseitenanzahl von 96 Seiten bei dem Buch hätte erreicht werden können, wenn man nicht ganz so großzügig in der Verschwendung hölzerner Ressourcen gewesen wäre, denn man kann schon sagen, dass hier eher eine Kurzgeschichte denn ein richtiger Roman vorliegt, und die wurde so ordentlich gestreckt.

Der Inhalt erscheint mir eher zwiespältig. Einerseits ist der Schreibstil extrem klar, einfach und unterkühlt, die eigentliche Handlung beginnt erst auf der Hälfte des Weges und durch die Kürze bleibt kaum Zeit, sich auf Charaktere und Entwicklungen derselbigen zu stürzen. Andererseits passt der Stil perfekt zu der Hauptperson der Lady Beatrice, die nach den schweren Schicksalsschlägen, die sie erdulden musste, recht abgehärtet und emotional sehr kalt wirkt. Die Handlung ist trotz alledem sehr interessant und auch amüsant, besonders über die Erfindungen der Spekulativen Gesellschaft hätte ich gerne noch mehr erfahren. Da Lady Beatrice als Hauptcharakter im Fokus der Geschichte steht und der alten Mrs. Corvey doch auch noch ein paar wenige Seiten Geschichte geschenkt werden, mag man sich auch damit zufrieden geben, dass der Rest der Charaktere dunkel und eher unbedeutend bleibt. Die Damen sind doch zumindest recht unterschiedlich und es hätte mit Sicherheit Spaß gemacht, mehr über sie zu erfahren. So war die Benotung nicht ganz einfach. Da mir die Geschichte aber einfach zu gut gefallen hat, als sie in Durchschnittlichkeit untergehen zu lassen, gibt‘s 3,6 Punkte. Und wer das Motiv der Hure als starker Hauptcharakter mag, der kann auch noch zu den Zeitstürme-Romanen der im Januar diesen Jahres verstorbenen Autorin greifen.