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World of Greyhawk

Greyhawk

Gary Holian, Erik Mona, Sean K. Reynolds & Frederick Weining

Die Welt von Greyhawk besitzt eine lange Tradition und kann mit Stolz von sich behaupten, eine ganze Generation von Rollenspielern auf dem Weg ins Spiel begleitet zu haben. Mit der Erschaffung von Chainmail und später Dungeons & Dragons gelang es E. Gary Gygax und Dave Arneson einen Grundstein für ein ganz neues Spielgenre zu legen ? das Pen & Paper Rollenspiel. Um den Spielern eine Welt für ihre Abenteuer zu bieten, schuf Gary Gygax mit Greyhawk, die erste Kampagnenwelt für Dungeons & Dragons. Über Jahre hinweg war Greyhawk die Welt von Dungeons & Dragons, bis dann später andere Welten und Settings, wie die Forgotten Realms, Ravenloft oder Mystara hinzukamen und Greyhawk teilweise den Rang abliefen.

Nach dem eher unfreiwilligen Ausstieg von Gary Gygax bei TSR wurde Greyhawk noch eine Zeitlang weitergeführt und erhielt durch die Greyhawk Kriege und das Folgeprodukt From the Ashes ein neues Gesicht. Kurze Zeit später wurde es jedoch, wie viele andere Kampagnen, eingestellt und erfuhr erst im Zuge der dritten Edition eine kleine Renaissance, als Greyhawk zur offiziellen Kampagnenwelt der neuen Edition erklärt wurde. So entstammen alle Götter des Regelbuches dem Pantheon von Greyhawk und auch die nachfolgend produzierten Abenteuer beziehen sich auf dem farbenfrohen Weltenhintergrund. Dennoch wird Greyhawk nicht offiziell weiter entwickelt, d.h. es wird keine weiteren Kampagnenbände geben, die das Gesicht der Flanaess verändern werden. Es wurde beschlossen, die Kampagnenwelt der RPGA (Role Players Gaming Association) zu übergeben, die sie als lebende Kampagne weiterführen soll. Somit liegt das Schicksal der Flanaess nun in den Händen der zahlreichen Fans und registrierten RPGA Mitglieder, was dazu führt, daß es regelmäßige Nachrichten in Form von Living Greyhawk Gazetteers geben wird, die Mitglieder der RPGA weltweit kostenlos als Teil ihrer Vereinszugehörigkeit erhalten. Lediglich weltenunabhängige Abenteuer der D&D-Kernlinie werden weiterhin ihre Beispiele aus der Welt von Greyhawk beziehen, jedoch keine Entwicklung der Kampagnenwelt mehr bedingen.

Optisch ist das Buch direkt als Teil der offiziellen D&D-Linie zu erkennen und besitzt die gleichen Rahmenverzierungen, wie andere D&D-Produkte der neusten Generation. Im Gegensatz zu den Regelwerken wurde sowohl auf Farbdruck, wie auch auf eine aufwendige Gestaltung der Seiten verzichtet. Das Layout ist klassisch zweispaltig gehalten und bietet neben dem Zierrahmen keine wirklichen Neuerungen in Bezug auf Textsatz und Positionierung. Im Gegensatz zu den aufwendigen Grundwerken, wurde auch auf eine Freistellung der Illustrationen verzichtet, die sehr spärlich über das Buch verteilt wurden. Insgesamt sind auf den 192 Seiten (neben dem Cover und den Wappen der Reiche im Deckblatt) dreißig Illustrationen und zwei kleine Landkarten zu finden. Alle Grafiken sind in einem einheitlichen Stil als Lineart gehalten, zeigen jedoch teilweise sehr schlichte Szenen. Dem Buch ist zusätzlich eine große farbige Posterlandkarte beigelegt, die qualitativ nur vom Forgotten Realms-Kampagnensetting übertroffen wird. Da die Karte mit Hilfe einer vorperforierten Abrißleiste aus dem Band entfernt werden muß, ist die notwendige Sorgfalt anzuraten, um Beschädigungen des Buches zu vermeiden.

Die freie Stadt Greyhawk, die Perle des Nyr Dyv, ist das Zentrum der bekannten Welt und der wichtigste Ort der ganzen Sphäre. Sie liegt inmitten der Flanaess, dem östlichen Teil des größten der vier Kontinente von Oerth. Die Greyhawk-Kampagne beschränkt sich einzig auf die Flanaess, und während über den Rest des Kontinentes praktisch nichts bekannt ist, liegen die übrigen Landmassen in vollkommener Vergessenheit. Die Geschichte der Flanaess ist kaum mehr älter als tausend Jahre, als die Völker des Westens, vertrieben durch die vernichtend geführten Kriege der Bakluni und Suloise, die große Völkerwanderung antraten und im Osten auf die Flan, die eigentlichen Bewohner der Flanaess trafen. Es folgte eine mal mehr, mal weniger bewegte Zeit des Krieges, in denen Reiche entstanden und auseinander fielen. Im Jahre 479 CY jedoch manifestierten sich die ersten Zeichen einer neu anbrechenden Ära. Iuz, ein unbedeutender Herrscher eines kleinen Reiches in den Howling Hills, begann seinen Krieg, um die Vorherrschaft eines Reiches, welches später das Antlitz der Flanaess für immer verändern würde. Zahlreiche Menschen flohen aus seinem Reich und verbreiteten die Kunde über die Straße aus Schädeln, die er aus den Howling Hills zu seiner neuen Hauptstadt Dorakaa bauen ließ. Im Jahre 505 CY verschwand Iuz, nur um im Jahre 570 CY in sein mittlerweile zerfallenes Reich heimzukehren ? mächtiger und verkommener als jemals zuvor. Durch die Manipulationen und Einflüsterungen des neu erstarkten Iuz wurden die Reiche des Nordens im Jahre 582 CY in einen vernichtenden Krieg gestürzt. Während des Krieges wurden abertausende von Dämonen durch Ivid V und Iuz selbst beschworen und in die Schlacht geworfen, was zum Tode mehrerer hunderttausend Menschen führte.

Im Jahre 584 CY wurde der Friedenspakt von Greyhawk unterschrieben, da viele Reiche dem wirtschaftlichen Druck des Krieges nicht mehr standzuhalten vermochten. Während den Verhandlungen kam es durch den Verrat des Erzmagiers Rary zum endgültigen Ableben von zwei der berühmtesten Magier ihrer Zeit ? Tenser und Otiluke ? was im Endeffekt zur Zerschlagung und Neuformierung des Rates der Acht, dem bekanntesten Zirkel von Magiern der Flanaess führte. In den Wirren der Nachkriegszeit gelang es die zahllosen Dämonen aus der Flanaess unter Einsatz eines mächtigen Artefaktes zu bannen und Iuz damit seiner Macht zu berauben. Während der Monarch des Great Kingdoms, Ivid V, den Wegfall seiner Elitetruppen nicht überstand, konnte Iuz sich an der Macht halten, wenn auch nur unter empfindlichen Verlusten an Land und Leben. An dieser Stelle steht die Flanaess nun am Beginn eines neuen Zeitalters, in der Erwartung neuer Helden, um das Schicksal der Welt zu lenken.

Das Thema von Greyhawk ist sehr klassisch auf den Kampf zwischen Gut und Böse, Ordnung und Chaos ausgelegt. Im Gegensatz zu vielen anderen Kampagnen bietet Greyhawk jedoch bereits eine lange Geschichte an Helden und auch Verkörperungen des Bösen, die plastischer kaum seien können. Mit Charakteren wie Iuz oder auch Vecna bietet Oerth eine Macht des Bösen, die massiven Einfluß auf die Welt selbst nimmt und dessen Handlungen in der Kampagne allgegenwärtig spürbar sind. Kaum eine Fantasywelt besitzt einen solchen Einfluß durch Dämonen und untote Mächte, die vielerorts charakteristisch für das besondere Flair des Hintergrundes sind. Vieles aus der alten Welt wurde jedoch im Greyhawk-Krieg zerstört, weshalb abzuwarten bleibt, ob die neue Flanaess dem alten Charme und Flair gerecht zu werden vermag. Viele etablierte Charaktere, deren Namen die Zaubersprüche im Spielerhandbuch über Jahre hinweg dominierten (Melf, Otiluke, Tenser, Rary, Otto?), sind vernichtet worden oder haben sich zurück gezogen. Vecna ist immer noch gefangen in Ravenloft und einzig Iuz steht als Garant für Chaos und Zerstörung für die Atmosphäre des alten Settings ein.

Inhaltlich bietet das Werk alle wichtigen Informationen, die man zum Spielen in der Welt von Greyhawk benötigt. Die kurze Einleitung wird gefolgt von der Vorstellung der verschiedenen Völker der Flanaess und ihrer Geschichte. Hierbei bleibt die Frage offen, warum zuerst die Völker und dann die Geschichte beschrieben wird, da ein Wissen über die Entstehung der einzelnen Völker und die große Völkerwanderung zum Verständnis der einzelnen Kulturen ungemein beizutragen vermag. Den Hauptteil des Buches nimmt mit mehr als 100 Seiten die Beschreibung aller wichtigen Reiche und Regionen ein. Die Beschreibung erfolgt nach einem strengen Schema: Zu jedem Eintrag gibt es alle spielrelevanten Informationen in komprimierter Form. Ausführliche Beschreibungen vervollständigen das Bild der einzelnen Gebiete, wobei echte Detailtiefe fehlt. So wären Stadtkarten und ähnliches Material für Spieler durchaus von Nutzen, müssen jedoch der schieren Menge an Informationen weichen. Der Band endet mit Kapiteln über die Geographie, die wichtigsten Gruppierungen und Orden der Welt und natürlich die Götter. Die letzte Seite ist der Zukunft des Settings als RPGA Kampagne gewidmet, wo in aller Kürze das bereits langjährig etablierte Konzept der offenen Kampagnen erläutert wird ? Informationen, die sicherlich nur für Mitglieder der RPGA und jene, die es werden wollen, von Relevanz sind.

Alles in allem ist das Living Greyhawk Gazetteer als durchaus gelungen zu bezeichnen, wobei es sich um kaum mehr als eine Zusammenfassung alter Entwicklungen und Materialien handelt. Durch den sehr kompakten Stil der Darbietung geht leider ein wenig des Greyhawk Flairs verloren, so daß es vor allem Neueinsteigern etwas schwieriger fallen wird, den besonderen Charme der Flanaess für sich zu entdecken. Optisch bietet das Buch wenig Innovation, sowohl was Layout wie auch Illustrationen angeht, und setzt vielmehr auf etablierte Stärken, wie den üppigen Inhalt.

Die Übergabe der Welt an die RPGA ist unterschiedlich zu bewerten. Zum einen bieten sich zahllose Möglichkeiten der Weiterentwicklung durch die vielen Fans und Spieler, wobei ein Leser sich der RPGA anschließen muß, um hiervon wirklich profitieren zu können. Während die RPGA in den USA jedoch sehr aktiv ist und auf praktisch allen Conventions offizielle Runden anbietet, steckt die deutsche RPGA noch in den Kinderschuhen und entwickelt sich sehr langsam. Die Versorgung mit Abenteuermaterial ist jedoch in jedem Fall sichergestellt, da alle D&D-Abenteuer der Kernreihe auf Greyhawk angesiedelt sind und auch praktisch alle anderen D20-Produkte von Fremdanbietern sich sehr leicht in die Welt integrieren lassen, da sie was Rassen und Thema angeht, auf sehr klassische Fantasy ausgerichtet ist.

© Daniel Heymann - Dieser Artikel wurde auch im Dragon 15 abgedruckt