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Rhetorik-Tipps

6 Rhetorik-Tipps

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Rhetorik ist die Lehre von der Kunst, gute Reden zu halten, die den Zuhörer in ihren Bann schlagen. Vor Publikum zu reden und eine Rollenspielrunde zu leiten sind ähnliche Tätigkeiten. Deswegen sollte man als Spielleiter mal einen Blick in einen Rhetorikkurs riskieren.

Hier hab ich mal die wichtigsten Punkte einer gutem Rede gesammelt und sie auf das Rollenspiel übertragen:

1. Richtig auftreten

Der Gang zum Rednerpult oder an die Tafel. Viele Redner schenken diesem ersten Moment einer Rede keine oder zu wenig Aufmerksamkeit. Dabei gehört er bereits dazu. Hier gewinnen die Zuhörer den ersten Eindruck vom Redner und damit auf von der Rede.

Für den Spielleiter ist dieser Moment mit dem Platznehmen am Spieltisch vergleichbar.

Wie wirkst du dabei auf deine Spieler? Bist du nervös und unorganisiert? Blätterst du ziellos in einem Haufen aus Notizen, Charakterblättern und Abenteuerskripten? Suchst du deine Würfel? Murmelst du unverständliches Zeug über vergessene Unterlagen oder deine schlechte Vorbereitung, weil du die letzte Woche nicht richtig Zeit für deine Spielrunde hattest?

Vermeide alles, bei den Spielern den Eindruck von Nervosität, Unausgeglichenheit oder schlechter Vorbereitung erzeugen könnte. Wühle nicht lange in deinen Unterlagen herum. Sei vorbereitet. Lege deine Sachen so in die Nähe deines Sitzplatzes, dass alles gut geordnet ist. Wenn du etwas nicht gleich findest, suche nicht danach. Es wird auch ohne dieses Handout oder diese Notiz gehen. Sollte das Gesuchte doch so wichtig sein, dass du dir ein Leiten der Runde ohne es nicht vorstellen kannst, dann leite eine offizielle Pause ein. Löse die Runde für ein paar Minuten auf und lass deine Spieler die Pizza bestellen, eine Rauchpause machen oder beschäftige sie damit, dass sie auf ihren Charakterblättern etwas ausfüllen sollen oder im Regelbuch etwas nachlesen müssen.

Lass sie aber nie herumsitzen und dir beim unkontrollierten Suchen nach verlegten Notizen zusehen. Das langweilt sie nicht nur, es macht auch einen schlechten Eindruck.

Du bist als Spielleiter der Mittel- und Ruhepunkt des Geschehens. Wenn du bereits einen unzuverlässigen und nervösen Eindruck machst, wie soll dann das Abenteuer noch zu einem ausgeglichenen und spaßigen Ereignis werden? Sorge dafür, dass du zu Beginn des Abends so an den Tisch trittst, dass klar ist, dass du der Boss für die nächsten paar Stunden bist. Setz dich aufrecht hin, suche mit den Spielern den Blickkontakt, versuche die Aufmerksamkeit auf dich zu lenken.

2. Gliederung

Gute Reden haben eine dreiteilige Gliederung: Auflockerung/Vorstellung der wichtigsten Thesen, Hauptteil, Fazit.

Im ersten Teil geht es darum, das Interesse des Zuhörers zu wecken, seine Aufmerksamkeit zu bannen und die wichtigsten Dinge, um die es gehen wird, vorzustellen.

Dies lässt sich mit der Eröffnungsszene eines Rollenspielabends vergleichen. Sorge dafür, dass das Geschehen einen actionlastigen, interessanten Anfang hat. Stelle so schnell wie möglich den Bösewicht, das Thema des Abenteuers, den Auftrag, das Artefakt, um das es gehen wird vor. Gib den Spielern eine klare Vorstellung davon, was sie zutun haben. Vielleicht wollen sie deine Vorgabe später ignorieren, um etwas anderes zu machen, was sie viel spannender finden. Das ist okay. Dann haben sie sich ihr eigenes Ziel gesucht und du solltest auch darauf eingehen.

Andererseits sollte vermieden werden, dass die Spieler ziellos im Abenteuer "herumlungern" und keine Ahnung davon haben, was sie tun können oder sollen. Versuche deswegen auch deine Zielvorstellungen für das Abenteuer so eindeutig und anschaulich wie möglich darzustellen. Geht es um ein Artefakt oder einen anderen Gegenstand, einen Ort oder eine Person, versuche ein Bild davon aufzutreiben.

Wenn es um Personen geht ist es natürlich noch besser, diese gleich zu Beginn auch auftreten zu lassen. Spiele den NSC, um den es gehen wird, so eindrucksvoll wie du kannst. Zeige ihn in Aktion, wie er spricht, geht - und kämpft!

Im Hauptteil einer Rede werden die Anliegen des Redners oder seine Informationen eine logisch aufeinander aufbauend anschaulich dargestellt. Hier sind alle Tricks erlaubt, die dazu führen, dass das Gesagte beim Zuhörer auch ankommt und haften bleibt. Dazu gehören Wiederholungen, Handouts, multimediale Demonstrationen, kleine Aufgaben, die den Zuhörer selbst handeln lassen und damit aus seiner Passivität herausholen usw.

Als Spielleiter bist du im Hauptteil des Abenteuers sehr frei. Wenn du eine gute Einführung geliefert hast, erübrigt sich sogar meistens eine intensive Vorbereitung des Hauptteils: Die Spieler sind so motiviert, dass durch ihre Aktionen der Rest des Abends gestaltet wird.

Wenn dieser Idealzustand jedoch nicht erreicht wird, bist du in deinem Organisationstalent gefordert. Habe immer mindestens ein As im Ärmel, das dafür sorgt, dass am Abend die Lucy abgeht: Ein überraschendes Handout, eine verblüffende Szene, einen lustigen oder interessanten NSC usw. Denke beim Vorbereiten darüber nach, was deine Spieler am meisten verblüffen könnte. Was erwarten sie am wenigsten? Was könnte ihnen Spaß machen? Was hilft ihnen zum Lösen der Problemstellung des Abenteuers am meisten? Oder was verwirrt sie im Zweifelsfall am besten, falls alles zu glatt geht?

Der Schlussteil einer Rede besteht aus dem Fazit. Das Gesagte wird nochmal auf dein Punkt gebracht und wiederholt. Meistens handelt es sich dabei um drei Kernaussagen des Vortrags. Außerdem sollte das Fazit den Zuhörer zum Handeln auffordern. Die Rede ist dazu da, um im Zuhörer eine Veränderung, einen neuen Gedanken und ein neues Bewusstsein für das Anliegen des Redners zu erzeugen. Im Idealfall sollte dies dazu führen, dass der Zuhörer etwas in seinem Leben verändert.

Für dich als Spielleiter bedeutet dies, dass der Schluss eine Spielsitzung den Ausklang des Abenteuers darstellen sollte. Lass die Handlung nicht einfach irgendwie abbrechen, sondern versuche, lose Enden zusammen zu führen und wenigstens immer Teilerfolge und Etappensiege für die Gruppe herauszustellen.

Du solltest also auf der einen Seite vermitteln, dass etwas zu Ende ist, dass die Spieler etwas erreicht haben. Andererseits muss es aber am Ende eines Abenteuers auch Ausblicke auf neue Abenteuer, eine Fortsetzung der Geschichte geben. Aus dem Ende des Abenteuers müssen Motivationen für ein weiteres Handeln der Charaktere erwachsen, sodass es auch beim nächsten Spielabend noch was zutun gibt.

Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Ein gutes Ende einer Spielsitzung zeigt den Spielern, dass sie etwas erreicht haben, aber dass es noch etwas zutun gibt.

3. Ausdrucksvermögen und Körpersprache

Das wichtigste Instrument des Spielleiter ist natürlich die Sprache. Je klarer und präziser du formulieren kannst, je freier deine Rede ist, desto flüssiger und anschaulicher wird das Spielgeschehen. Auch die Atmosphäre der Spielrunde profitiert von deinem Talent als Redner. Je besser du dich ausdrücken kannst, umso besser wirst du auch die NSCs spielen können und umso mehr werden deine Spieler auch motiviert, ihren eigenen Ausdruck zu pflegen und in die Rollen ihrer Charaktere zu schlüpfen.

Leider fällt nicht jeder als begnadeter Redner vom Himmel. Aber es gibt bereits ein paar einfache Tipps, die dir dabei helfen können, dein Ausdrucksvermögen zu verbessern:

  1. Rede in kurzen Sätzen. Je kürzer desto besser.
  2. Bemühe dich darum, langsam und deutlich zu sprechen.
  3. Benutze beim Reden viele Verben und lasse Adjektive und Adverbien möglichst weg.
  4. Vermeide alle Füllwörter.
  5. Versuche alle "Ähhs" und Räuspern zu vermeiden. Mach notfalls lieber länger Pausen zwischen den Sätzen, um dir ihre Formulierungen ein bisschen zu überlegen.
  6. Wiederhole wichtige Dinge so oft wie möglich. ("Ihr seht eine lange, lange Straße." Ist in der mündlichen Rede besser als "Ihr seht eine sehr lange Straße.")

Mindestens genauso wichtig wie dein Ausdrucksvermögen ist deine Körpersprache. Vermeide alle nervösen Angewohnheiten: Kaue während der Spielrunde nicht auf deinen Fingernägeln, wippe nicht mit dem Fuß, blinzle nicht unkontrolliert, spiele nicht mit dem Stift oder den Würfeln herum und klopfe mit dem Finger nicht auf den Tisch. Denk immer daran: Du bist der Ruhepunkt der Spielrunde. Auf dich sind alle Augen gerichtet. Nervosität, die du ausstrahlst, überträgt sich auch auf die anderen.

Aus dem Grund solltest du auch nach Möglichkeit ein bisschen erhöht sitzen. Nicht, damit die anderen zu dir aufschauen, sondern damit sie auf dich als Mittelpunkt zurückgreifen können. Falls sich das mit Sitzgelegenheiten nicht so einrichten lässt, sitz wenigstens grade.

Steh ab und zu mal während der Spielrunde auf, um eine Rolle auszuspielen, um die Größe eines Objektes oder eines Monsters zu verdeutlichen usw. Bringe mit deiner Körpersprache Bewegung, Action zum Ausdruck. Ruder mit den Armen, Fuchtle mit den Fingern, mache zackige, schnelle Bewegungen, wenn das Geschehen im Abenteuer auch gerade an einem dramatischen Punkt ist. Achte dabei aber auf Kontraste. Die Action in deinen Bewegungen kommt nur dann zur Geltung, wenn du sonst viel Ruhe mit deiner Körpersprache ausstrahlst.

Vermeide mit deiner Körpersprache alles, was Abwehr, Distanz oder Unsicherheit andeutet (außer, du spielst gerade einen abwehrenden, distanzierten und/oder unsicheren NSC, versteht sich). Halte nicht die Hand vor den Mund. Das ist nicht nur ein Zeichen für Unsicherheit, sondern hindert dich auch beim Sprechen. Verschränke nicht die Arme vor der Brust oder schlage die Beine übereinander, denn das signalisiert Distanz.

 

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© Marcus Johanus


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